Wolfsherz (Heldenwerk)

Das neueste „Heldenwerk“, immerhin das bereits vierzigste seiner Art, spielt abermals hoch im aventurischen Norden. Dieses Mal dürfen die Helden tief in die Welt der nomadischen Nivesen eintauchen. Was gibt es dort so allerlei Spannendes zu erleben?

von André Frenzer

Eis, Schnee und Nagrachs eisiger Hauch – das ist der hohe Norden Aventuriens. Eben hierhin verschlägt es die Charaktere, wenn sie den Spuren in das 40. „Heldenwerk“-Abenteuer folgen. Wobei: Zumindest in der Nähe sollten sie bereits unterwegs sein, denn Autorin Julia Beske wählt einen ungewöhnlichen und doch sehr passenden Einstieg in das Abenteuer. Die Helden werden nämlich von einem Wolf in das Lager der Nivesen gelockt. Hier treffen sie auf eine sterbende Schamanin, die im Angesicht der eintreffenden Fremden noch einmal orakelt, bevor sie endgültig ihren Lebensatem aushaucht. Die Nivesen nehmen daraufhin die Helden als Gäste bei sich auf – doch worauf bezog sich der Orakelspruch der sterbenden Schamanin? Und welche Abenteuer warten hier auf die Helden?

Nun – um diese Fragen zu beantworten, bedarf es natürlich des einen oder anderen Spoilers, weshalb interessierte Spieler den Rest dieser Rezension nicht mehr lesen sollten.

Zunächst wäre da nämlich der Jäger Arjuk, der von Nagrachs Hauch erfasst wurde und der sich dadurch – langsam aber stetig – in ein sogenanntes Eisherz verwandelt. Dadurch entfremdet er sich mehr und mehr von seinem Stamm und kann im Laufe des Abenteuers zu einer echten Gefahr werden. Andererseits wäre da die Schamanin selbst, die etwas für Nivesen sehr Ungewöhnliches hinterlassen hat: Schriftrollen. Denn Nivesen verfügen eigentlich über keine Schrift, sondern vertrauen auf die mündliche Überlieferung. Die tote Schamanin jedoch hat gemeinsam mit einem Hesindegeweihten eine einfache Schrift entwickelt und so Sagen und Legenden des Stammes festgehalten – aber auch alltägliche Geschehnisse. Da der Tradition gemäß alle Habseligkeiten der Toten mit ihr verbrannt werden müssen, würden auch die gesammelten Werke den Flammen zum Opfer fallen. Während Teile des Stammes diese Entwicklung sehr begrüßen, gibt es progressivere Mitglieder, welche die Errungenschaft der Schrift sehr zu schätzen wissen.

So manches „Heldenwerk“ krankte ein wenig daran, dass die gestellten Aufgaben wenig „heldenhaft“ waren, sondern sich eher in einem sehr kleinen Maßstab abspielten. Und auch „Wolfsherz“ gehört eher in diese Kategorie. Während die Geschichte rund um Eisherz Arjuk wenigstens noch ein wenig Heldeneinsatz erfordert, so muss der Konflikt um die Schriftrollen wohl ausdiskutiert werden. Dabei stehen beiden Seiten ordentliche Argumente für ihren Standpunkt zur Verfügung, sodass die Helden immerhin ihre moralische Kompassnadel brauchen werden. Schlussendlich sind die Dimensionen der Konflikte aber sehr klein gehalten. Das ändert nichts daran, dass das Abenteuer sehr gut in die Hintergrundwelt eingebettet ist und hervorragend nivesisches Lokalkolorit transportiert. Es hätte halt ein wenig mehr zu tun geben dürfen. Das Abenteuer eignet sich damit eher als kurze Episode zwischendurch oder vielleicht auch um eine später in der selbstgeplanten Kampagne wichtige nivesische Persönlichkeit einzuführen.

Dem kleinen Handlungsrahmen gegenüber steht ein recht kompliziertes System, mit dem die Einstellung einzelner Stammesmitglieder gegenüber den Helden dargestellt wird. Dieses System hat möglicherweise auch Einfluss auf die endgültige Entscheidung des Stammes – es sei denn, die Helden nehmen das Heft der Handlung schlicht selbst in die Hand. Hier wäre ein wenig weniger tatsächlich mehr gewesen und hätte den Spielern auch mehr theoretische Handlungsfreiheit gewährt. Dafür sind die Darstellungen der unterschiedlichen Nivesen knapp, kompakt und gut gelungen.

Optisch unterscheidet sich „Wolfsherz“ abermals kaum von den üblichen Layouts der anderen Ausgaben der „Heldenwerk“-Reihe. Das Layout ist bekannt, die Illustrationen machen einen guten Eindruck. Das Korrektorat hat wiederum eine gute Arbeit abgeliefert, so dass ich technisch zufrieden bin.

Fazit: „Wolfsherz“ lädt die Spieler dazu ein, tief in die Welt der Nivesen einzutauchen und einiges über diese Kultur zu lernen. Dafür gibt es dann allerdings recht wenig Heldenhaftes zu tun.

Wolfsherz (Heldenwerk)
Abenteuerband
Julia Beske
Ulisses Spiele 2021
ISBN: n.a.
16 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 4,99

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