D.E.I. – Divide et Impera

London in einer dystopischen Zukunft. Angst und Kälte regieren die Welt. Die Erdoberfläche wird von Frost ummantelt. Technik, Wärme und Nahrung sind Mangelwaren. Noch habt ihr die Hoffnung auf Fortschritt nicht aufgegeben und eine Fraktion gebildet, die plündernd umherzieht und um begrenzte Ressourcen wetteifert. Euer Tun wird beobachtet vom „Auge der Zitadelle“ – einer geheimen Elite an Mächtigen, die sich schon bald warm anzuziehen hat ... Wer überlebt? Wer erfriert? Wer ist der Feind in diesem Brettspiel?

von Daniel Pabst

Die fast 4 Kilogramm schwere Spielebox von „D.E.I.“ enthält: 16 Spielplanteile, 224 Plättchen, 68 Spielfiguren, 92 Karten, 15 Außenpostenmarker, 4 Markttafeln, 1 Wertungstafel, 1 Auftragstafel, 4 „Pads“, 4 Spielhilfen und 1 Anleitung. Autor des Brettspiels ist Tommaso Battista, welcher sich bereits mit einem „Schwergewicht“ namens „Wasserkraft“ (erschienen bei Feuerland Spiele) einen Namen gemacht hat. In „D.E.I.“ ist es aber nicht das Wasser, das im Vordergrund steht, sondern es sind die Ressourcen der Technologie und (Wärme-)Energie. Die künstlerische Leitung des Spiels übernahm Andrea Colletti, die Illustrationen stammen von Giovanni Pirrotta und Simone De Paolis. Zum Team der Entwicklung gehörten Luca Bernardini, Michele Morosini und Andrea Colletti. Ursprünglich erschienen ist „D.E.I“ bei Ludus Magnus Studio. Auf Deutsch ist es nun bei Pegasus Spiele erhältlich. Das Grafikdesign der deutschen Ausgabe stammt von Jessy Töpfer.

Nach dem Öffnen der Schachtel fällt direkt ein großer Stickerbogen, der beidseitig-klebende Kreise enthält, auf. Denn ähnlich wie bei einem Tabletop-Spiel muss man, bevor man das erste Mal eine Partie spielt, das Terrain selbst zusammenbauen. Die quadratischen Spielfelder bestehen aus Bodenregionen und Dachebenen. Und genau diese Dachebenen, also die Erhöhungen, muss man selbst kleben. Das funktioniert ohne große Schwierigkeiten und sorgt für die erste Inspektion der Landschaft von „D.E.I.“, die – wie könnte es anders sein – in Schnee und Eis versunken ist. Dabei erkennt man kleinere Zeichnungen, die ein Schmunzeln erzeugen können. Auch die Plättchen mit einem grinsenden rot-weißen Bonbon namens „Candy Boosts“ zeugen von Humor – inmitten der Dystopie. Die Regeln bieten dazu das Zitat: „Der darin enthaltene Zucker wirkt anregend und hilft Ihnen, der eisigen Kälte zu trotzen. Dank des wunderbar minzigen Atems, den sie hinterlassen, wird sich jedes Londoner Mädchen in Sie verlieben. Genau das macht sie auch zu einem begehrten Tauschobjekt.“



Wie genau spielt man „D.E.I.“? Zur Auswahl stehen zu Spielbeginn vier Fraktionen: die Auxilia, die Ravagers, die Refuge 42 und die Farm-Z. Diese haben alle eigene Holz-Meeple und einen großen Holz-Anführer (Neena, Abraham, Aria und Z-13). Unterschieden werden die Fraktionen durch die Farbe, das Design und die Spezialfähigkeiten. So ist der Anführer der Farm-Z eine genmanipulierte Kreatur, welche über die dreifache Kampfstärke im Vergleich zu den normalen Plünderern verfügt. Aria, als Kopf der Refuge 42, kann sich mit ihren beiden Enterhaken elegant auf Dächer schwingen und so begehrte Ressourcen und Außenposten sichern. Des Weiteren sind auch die Startdecks leicht modifiziert. Auch werden an jede Fraktion drei Fähigkeiten zufällig verteilt, welche im Laufe der Partie durch die Kontrolle von Außenposten umgedreht und damit permanent aktiviert werden können. Zur spielerischen Note gehört ein für jede und jeden größeres „Pad“ oder besser: „Tablet“, welches aus Pappe vor euch liegt und in das ihr die jeweiligen Karten hineinlegt.


 
„D.E.I.“ spielt sich über vier Runden mit jeweils drei Aktionsphasen. Jeder Spieler und jede Spielerin spielt in jeder dieser Aktionsphase zwei Karten aus – beginnend mit dem Startspieler. Auf den Karten stehen jeweils, durch Symbol gekennzeichnet, die möglichen Aktionen, welche man tätigen kann. Mittels „Einrücken“ kann man neue Plünderer auf das Spielfeld bringen. Mit „Bewegen“ werden diese in benachbarte Regionen bewegt. Das entscheidende Wort ist hierbei „benachbart“. Denn in „D.E.I.“ sind nur Felder der gleichen Höhe „benachbart“. So sind niemals eine Boden- und eine Dachregion benachbart. Um also von einer Bodenregion zu einem Dach zu gelangen, muss man mittels der „Bauaktion“ einen Aufzug bauen, oder man muss eine Brücke errichten, um von einem Dach zum anderen zu kommen. Mit der Aktion „Sammeln“ sammelt man schließlich die Ressourcen in einer Region – vorausgesetzt man kontrolliert in dieser Region die Mehrheit an Plünderern.


 
Alternativ zu den Aktionen der eigenen Handkarten kann man im Tausch gegen eine Handkarte und entsprechende Ressourcen eine neue Aktionskarte von einem der vier Märkte „kaufen“. Diese verfügen – wie man es aus Deckbau-Spielen gewohnt ist – über stärkere Effekte als die Karten der Startdecks. Thematisch passend decken die vier Märkte unterschiedliche Fähigkeiten ab: Taktik (rot), Logistik (blau), Maschinenkraft (grün) und dann gibt es noch den „Schwarzmarkt“. Bei der obigen Liste an verfügbaren Aktionen ist vielleicht aufgefallen, dass eine Aktion „Kämpfen“ fehlt. Vielmehr ist das strategische Positionieren und das Blockieren von (wertvollen) Feldern an der Tagesordnung. Ausnahmsweise einmal können Scharfschützen oder eine Jäger-Drohne beauftragt werden, wobei die Konsequenzen zu überdenken sind und aufgrund der nötigen Kosten nicht immer von Vorteil sind. Kaum Fähigkeiten erlauben zudem die direkte Interaktion mit fremden Plünderern, und ebenso ist die Interaktion mit fremden Bauten untersagt. Diese Gebote schreibt die „Zitadelle“ vor und daran haltet ihr euch sklavisch, da die Technologien und Augen der „Zitadelle“ euren weit überlegen sind …

Essenziell in diesem Brettspiel ist es, die Mehrheit in Schlüsselregionen zu haben – und diese damit zu kontrollieren. Denn man darf sich nur in eine Region bewegen oder dort sammeln, wenn dort die Mehrheit an eigenen Plünderern steht. Ebenso beschert die Mehrheit in Feldern mit Außenposten Vorteile. Kontrolliert man einen Außenposten, kann man neue Fähigkeiten freischalten, mehr Aktionskarten in den Märkten kaufen und bei Wertungsphasen und der Schlusswertung punkten. Bis es zur Schlusswertung kommt, hat man etwa eineinhalb Stunden gespielt (vorausgesetzt man hat zuvor die Regeln gelesen und circa eine Stunde mit dem Kleben des Terrains verbracht). Gespielt werden kann „D.E.I.“ mit zwei bis vier Spielenden. Eine Soloversion hat Ludus Magnus Studio bereits in einer Erweiterung entworfen, deren Veröffentlichung bei Pegasus Spiele bislang noch aussteht. Bis dahin heißt es daher, mindestens eine Person zu finden, um mit ihr ins eiskalte London zu ziehen und sich dort zu beweisen.



Ein besonderer Hingucker auf den weißen Spielfeldhügeln sind die Drohnen von „D.E.I.“, die die „Zitadelle“ euch zur Verfügung gestellt hat. Jede Fraktion spielt daher mit einer eigenen Drohne, die zu Beginn des Spiels ausgegeben wird. Mit Draco, Simon, Masamune oder Fly entwickeln sich spielerische Feinheiten, und mit dem Kauf einer Karte, die auch andere Drohnen steuern lässt, erweitert sich das Taktieren. Natürlich sind auch diese vier Drohnen aus Holz und dabei etwas größer designt worden als die Anführer-Meeple. Für mehr Abwechslung könnte man die Drohnen zu Spielbeginn an die Fraktionen verlosen. Überhaupt lässt „D.E.I.“ Raum für Regelanpassungen und eigene Kreativität. So benennt bereits die Spielanleitung Möglichkeiten, das Spiel nach eigenen Präferenzen anzupassen. Man kann etwa durch eine reduzierte Anzahl an Auftragskarten in der Auslage mehr Konflikte provozieren. Oder man könnte zu Beginn des Spiels die Fähigkeiten draften, statt sie zufällig an die Fraktionen zu verteilen. Richtig große Intrigen oder Bündnisse treten erst mit einer Anzahl von mehr als zwei Spielenden auf – „D.E.I.“ funktioniert aber auch sehr gut zu zweit.



„D.E.I.“ macht spielerisch und von der Gestaltung des Themas vieles richtig. Die Stimmung einer frostigen Welt, in der die Nahrung knapp ist und die Energie „den“ entscheidenden Faktor einnimmt, transportiert „D.E.I.“ allemal. Auch die in der Spielanleitung genannte geheimnisvolle Elite der „Zitadelle“ und die Verbindung zur Redewendung „Divide et Impera“ (auf Deutsch: „Teile und herrsche“) komplettiert das Spielgefühl. Der Spielablauf ist sehr rund und durch die Ikonografie auf das Wesentliche reduziert. Hat man einmal die Regeln verstanden, lässt sich das Spiel gut in der angegebenen Zeit von 60-90 Minuten spielen, ohne dass man etwas vermisst. Einzig der Kaufpreis mag abschrecken. Für das sehr erbauliche Spielfeld, welches sich immer wieder neu kombinieren lässt, die Holzfiguren und die restlichen Materialien sind 89,99 Euro – verglichen mit anderen Spielen dieses Umfangs und dieser Komplexität – hoch. Für den Preis hätte man sich zudem einen höheren Spielkarton gewünscht, da es beim Einpacken des Spiels Glück und ein wenig Fingerspitzengefühl bedarf, um alles in die Schachtel einzulegen und den Deckel richtig schließen zu können.

Fazit: Das Brettspiel „D.E.I.“ hinterlässt einen guten Eindruck. Dass man zu Beginn das Terrain zusammenkleben muss, bleibt in Erinnerung. Das Spielkonzept und die mittlere Schwierigkeit, die je nach Bedarf verschärft werden kann, stimmen. „D.E.I“ bringt zudem die Endzeitstimmung an den heimischen Wohnzimmertisch – was so einen ausklingenden Sommerabend in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen wird. Am Ende ist dieses Brettspiel allen zu empfehlen, die mit der Thematik „Dystopie“ etwas anfangen können, Lust auf strategisches Denken ohne Kämpfe haben, genüg Bares übrig haben oder bereits jetzt auf der Suche nach einem schönen Weihnachtsgeschenk sind …

D.E.I. – Divide et Impera
Brettspiel für 2 bis 4 Spielende ab 14 Jahren
Tommaso Battista
Pegasus Spiele 2022
EAN: 4250231731174
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 89,99

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