Ankh – Die Götter Ägyptens

Eric M. Lang hat es wieder getan. Nach dem Überraschungserfolg „Blood Rage“ und dem sehr schönen „Rising Sun“ entführt er konfliktfreudige Spieler in „Ankh“ ein drittes Mal in historisch-mythologische Gefilde, um im Krieg der Fraktionen um die Vorherrschaft zu ringen. Diesmal geht es, der Titel legt es nahe, ins alte Ägypten. Wie gut ist der Abschluss dieser Spiele-Trilogie?

von Frank Stein

„Ankh – Die Götter Ägyptens“ ist ein Brettspiel von Eric M. Lang für 2 bis 5 Spieler, das im alten Ägypten zur Zeit des Übergangs vom Polytheismus zum Monotheismus spielt. Jeder Spieler übernimmt eine Gottheit, deren Ziel es ist, möglich viel Verehrung zu sammeln, die man durch den Bau von Monumenten, das Rekrutieren von Anhängern und den Kampf gegen andere Gottheiten gewinnen kann. Wer als erster das letzte Feld des Verehrungstableaus erreicht hat oder am von der Ereignisleiste definierten Spielende am Besten dasteht, der gewinnt und wird alleiniger Gott der Ägypter.

Das Spielmaterial

Das Spiel aus dem Hause CMON (auf Deutsch von Asmodee) wurde einmal mehr von Adrian Smith illustriert, und schon die in mythischem Blau-Grün-Gold gehaltene Spielbox weckt die Lust auf mehr. Morbide und in gedeckten Farben geht es im Regelwerk und auf den Gott-Tableaus sowie Wächterkarten weiter. So hell die Sonne über dem Nildelta scheinen mag, die Welt der altägyptischen Götter wirkt düster und unnahbar. Smith dürfte – neben Lang und den Miniaturen von CMON – damit nicht unwesentlich zum Erfolg des Spiels damals auf Kickstarter beigetragen haben (mehr als 23.000 Backer haben mehr als 3,3 Millionen Dollar investiert).



Die hohe Qualität des Spielmaterials setzt sich auch im Inneren fort. Der stabile Spielplan zeigt eine Hexfeldkarte des Nildeltas, alle Spielkarten, Tableaus und Plättchen sind im Wesentlichen in Braun und Gold gehalten und nutzen ägyptisch wirkende Symbole, um etwa Verehrung und Anhänger zu repräsentieren. Das mag jetzt nicht visuell opulent sein, hat aber den Vorteil, dass es auch nicht überladen wirkt. Für Farbe und Augenschmaus sorgen ohnehin – wie eigentlich immer bei CMON – die ausgesprochen detailreichen Miniaturen, die auch hier ein wahres Fest für Fans sind, die gern ihre Minis bemalen. So sind die Götter echte Schwergewichte auf dem Spielfeld, das gilt auch für manche der Wächter, die im Laufe des Spiels angeheuert und der eigenen Armee hinzugefügt werden können. Aber auch die Miniaturen in Standardgröße – Krieger wie Wächter, bis hin zu winzigen Kamelen – sind fein ausgearbeitet. Von der Optik her macht auch „Ankh“ auf dem Spieltisch richtig was her.

Wie spielt es sich?

Das Spiel ist erfreulich eingängig in seinen Regeln. Diese werden durch das reich mit Beispielen gefüllte Regelheft sowie in Zusammenfassungen auf der Rückseite des Regelwerks und auf Spielübersichtskarten perfekt präsentiert. Selten habe ich ein Spiel erlebt, das während der ersten Partien so wenig Fragen aufwarf und so wenig Geblättere im Regelwerk nötig machte.



Vor einer Partie wählt sich jeder einen Gottheit aus. Fünf stehen zur Verfügung: Anubis, Amun, Osiris, Isis und Re. (Weitere kommen in der Spiel-Erweiterung „Pantheon“ dazu.) Das mag jetzt keine epische Auswahl sein, für ein paar Spiele ist es aber absolut genug. Jede Gottheit besitzt ein Tableau, das rechts aus immer gleichen Ankh-Kräften besteht, die man im Verlauf der Partie freischalten kann (es gibt drei Spalten zu je vier Kräften; zwei kann man pro Spalte kaufen). Links befindet sich ein Porträt der Gottheit und darunter seine individuelle Sonderkraft. Diese unterscheiden sich so deutlich, dass jede Gottheit eine etwas eigene Vorgehensweise beim Spiel empfiehlt. So setzt Anubis vor allem auf Kampfstärke, was bedeutet, dass dieser Gott sinnvollerweise mobil über das Spielfeld zieht, um möglichst viele Kämpfe zu gewinnen. Re dagegen entsendet „erleuchtete“ Anhänger, die mehr Verehrung erzeugen, wenn sie einen Kampf gewinnen oder allein in einem Gebiet sind. Da die Armeen der Götter eher klein sind und mehrere Kampfgewinne in einer Runde unwahrscheinlich, bietet sich hier an, auf kleinteilige Gebiete zu setzen und sich möglichst weit zu verstreuen (was, zugegeben, einfacher ist, wenn man mir weniger Spielern spielt).



Anschließend wird ein Szenario ausgewählt. Hierzu existiert ein extra Szenariobuch, das vorgibt, wie der Spielplan zu Beginn aussieht. Vor allem werden Gebiete durch Kamelkarawanen (also nachträglich eingezogene Grenzen) unterteilt, es werden Monumente platziert und gegebenenfalls kommen Sonderregeln ins Spiel. Auch werden die Szenarien, je nach Spielerzahl, unterschiedlich aufgebaut. Hier wurde offensichtlich sehr auf ein gutes Balancing geachtet, und tatsächlich gingen unsere Testpartien recht knapp aus. Jede Gottheit erhält ihren farbig passenden Vorrat an Ankh-Plättchen, Kampfkarten, Farbringen (zur Markierung rekrutierter Wächter) und Soldatenfiguren. Zuletzt werden noch je eine Wächterart der Stufe 1, 2 und 3 ausgewählt, die im Spiel zur Verfügung stehen und für taktische Abwechslung sorgen. Im Grundspiel sind jeweils zwei Arten pro Stufe vorhanden: Satis und die Katzenmumie, Apophis und die Mumie sowie der Riesenskorpion und die Androsphinx. (Weitere kommen in der Spiel-Erweiterung „Wächter“ dazu.)

Gespielt wird in Zügen reihum im Uhrzeigersinn. Wer am Zug ist, kann 1 bis 2 Aktionen durchführen. 4 stehen dabei zur Auswahl: Figuren bewegen, Figuren aufstellen, Anhänger gewinnen und Ankh-Kraft freischalten. Das Aufstellen und Bewegen der Figuren (Gottheiten, Wächter und Soldaten) ist insofern wichtig, als dass es in „Ankh“ sehr viele Stellungsvorteile gibt. So bekommt man Anhänger (in der entsprechenden Aktion) in Höhe der neutralen oder von einem selbst kontrollierten Monumente, sofern mindestens eine eigene Figur benachbart steht. Die Kontrolle über ein Monument erhält man auch nur, wenn man benachbart steht. Einige Ankh-Kräfte geben Boni, wenn man benachbart zu einem bestimmten Monument steht. Und im Kampf zählt natürlich, wie viele Figuren in welchen Gebieten stehen, da es keinerlei Würfelwürfe gibt. Sieg oder Niederlage lassen sich exakt vorausberechnen, genügend taktisches Geschick beim Einsatz der Figuren vorausgesetzt.



Jede Aktion rückt ein Plättchen im Bereich Aktionen auf dem Zentralen Tableau weiter. Hat man das Ende einer Zeile erreicht, wird ein Ereignis ausgelöst (und der eigene Zug endet, das kann also schon bei Aktion 1 passieren). Ein Ereignis kann erstens die Kontrolle über ein Monument bedeuten. Dazu legt man einfach eines seiner Ankh-Plättchen an. Eine Monument-Mehrheit wird unter anderem bei einem Kampf mit Verehrung belohnt. Zweitens kann eine Kamel-Karawane aufgestellt werden, was zur günstigen Unterteilung der Gebiete genutzt werden kann, zumal Felder, die durch eine Kamel-Karawane getrennt wurden, genau wie bei einem Fluss, nicht mehr benachbart sind. So lassen sich beispielsweise spontan Monument-Mehrheiten auflösen. Oder man trennt verfeindete Armeen voneinander und gewinnt womöglich die Vorherrschaft als einziger Spieler in einem Gebiet. Schließlich kann es zu einem Konflikt kommen, der viel Verehrung einbringt, egal ob man allein oder mit Gegnern in einem Gebiet steht.

Im Kampf wird pro Gebiet die Stärke der einzelnen Parteien errechnet. Jede Figur bringt 1 Punkt, wobei Gottheiten durch Ankh-Kräfte oder Sonderkräfte stärker werden können. Auch Wächter und die Kampfkarten, die verdeckt gezogen werden, beeinflussen das Kampfgeschick. Sieger ist, wer die höchste Stärke hat. Alle Verlierer müssen ihre Einheiten umbringen (in der Regel, es gibt natürlich Ausnahmen). Ordentlich Verehrung ist bei diesem Ereignis vorprogrammiert, sodass man immer darauf hin planen sollte.



Zwei zusätzliche „Ereignisse“ erschüttern das Spielgleichgewicht im letzten Drittel der Partie. Bei Ereignis 12 (von 18) „verschmelzen“ bei mehr als zwei Spielern die zwei Götter, die auf dem Verehrungstableau am weitesten hinten liegen. Das heißt, der letzte Spieler muss all seine Spielmaterialien vom Brett und Tisch nehmen, um fortan mit der Gottheit des zweitletzten Spielers weiterzuspielen, die nun beide Sonderfertigkeiten der zwei Götter besitzt. Diese beiden Spieler gewinnen oder verlieren nun gemeinsam. Dazu kommt, dass bei Ereignis 16 alle Götter, die es nicht aus dem roten Bereich des Verehrungstableaus geschafft haben, „vergessen“ werden, also ausscheiden. Das passiert zwar eher selten, sorgt aber für ein beschleunigtes Endgame.



Diese zwei Formen der Spielereliminierung sind in modernen Spielern eher untypisch und haben bei einigen Spielern auch für Unmut gesorgt. Kaum jemand gibt gern seine Fraktion auf oder scheidet gern aus. Ich persönlich denke, dass das „Vergessen“ unnötig gewesen wäre, aber kaum Probleme am Spieltisch bereitet, denn selbst wenn da jemand ausscheidet, ist das bloß ein paar Minuten vor Spielende. Die Downtime ist also sehr gering. Das „Verschmelzen“ ist schon ein größerer Eingriff ins Spielerleben, aber wenn man weiß, dass es bei „Ankh“ eben darum geht, dass am Ende ein Gott Ägypten beherrscht, ist das schon ein passender Spieleffekt, zumal Synkretismus in Ägypten offenbar ziemlich häufig vorkam, siehe etwa Amun-Re, Amun-Re-Ptah oder Seraphis (Osiris-Apis). Er mischt auch die Spielbalance gegen Ende nochmal auf, nicht zuletzt die Mehrheiten auf dem Spielplan, was für zusätzliche Dynamik sorgt.

Fazit: „Ankh – Die Götter Ägyptens“ steht deutlich in der Tradition von „Blood Rage“ und „Rising Sun“. In allen Fällen ringen Fraktionen um möglichst großen Einfluss. In allen Fällen geht es um optimale Positionierung von Figuren. In allen Fällen greifen zahlreiche Effekte ineinander, die man im Blick behalten sollte, wenn man gewinnen will. Und doch ist jedes Spiel ganz eigen und betont Aspekte der jeweiligen Kultur (Wikinger, feudales Japan, altes Ägypten). Wie die anderen zwei Spiele macht „Ankh“ optisch echt was her und punktet mit seinen tollen Miniaturen – die allerdings auch Holzmeeple sein könnten, denn mechanisch ist das Spiel durch und durch ein Euro-Game. Es hat keine erzählte Handlung und trotz der Figuren nichts mit einem Dungeon Crawler oder Skirmisher gemein. Das Spielprinzip ist elegant nach dem Motto „einfach zu lernen, schwer zu meistern“ und passt zum Setting, allerdings muss man – bei mehr als 2 Spielern – das Konzept der Verschmelzung mögen. Unterm Strich ein gewichtiges, opulentes (aber auch etwas kostspieligeres) Kennerspiel mit unverbrauchtem Setting und eingängigen Regeln. Für Spieler, die gern knifflige Entscheidungen treffen und verzahnte Effekte im Blick behalten und denen Story nicht so wichtig ist.

Ankh – Die Götter Ägyptens
Brettspiel für 3 bis 5 Spieler ab 14 Jahren
Eric M. Lang, Adrian Smith
Guillotine Games / CMON / Asmodee 2022
EAN: 4015566602571
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 89,99

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