Corrosion

Eine laute Geräuschkulisse zeichnet deine Fabrik aus. Man hört Zahnräder sich klickend drehen, Kolben an Maschinen auf und ab bewegen und beobachtet ein rasches Kommen und Gehen von Ingenieurinnen. Während deine ersten Maschinen dem Rost verfallen sind, strahlt deine Chrommaschine im Glanze. Bringe deine unternehmerische Ära zum Leuchten. Ros(t)ige Zeiten sind angebrochen!

von Daniel Pabst

„Corrosion“ ist das Neulingswerk des Münchner Mathematikers und Risikomodellierers Stefan Bauer. Vertrieben wird das Brettspiel durch Deep Print Games. Der Inhalt besteht aus: 4 Maschinenraum-Ablagen, 4 Werkhallen-Ablagen, 48 Ingenieurinnen-Karten, 72 Maschinen-Plättchen, 16 Auszeichnungs-Plättchen, 8 Taschenuhren-Plättchen, 96 Punktemarker, 20 Wassermarker aus Holz, 72 Zahnräder, 1 Schraubenschlüssel-Plättchen, 1 Wertungsblock, 1 Auslagestreifen und einer 1 Spielanleitung.

Die Illustrationen hat Dennis Lohausen beigesteuert. Die Grafiken des vielseitigen Illustrators zieren bereits mehrere Dutzend Spiele, darunter zum Beispiel die Hochkaräter „Terra Mystica“ oder „Gaia Project“. Hier merkt man direkt seinen Stil bei den Zeichnungen der Ingenieurinnen. Das Spiel erhält so ein Design im Sinne des „Steampunk“. Komplettiert werden die Illustrationen durch Pappzahnräder (Maschinen-Plättchen), von denen eine Sorte mit silberner Glanzfolie überzogen ist.

Stefan Bauer hat mit „Corrosion“ sein erstes Spiel veröffentlicht. Er präsentiert uns in diesem Jahr ein „temporary engine-builder“-Spiel. Das Thema lautet: Rost. Kann das überzeugen? Was kann das Spiel? Die Bezeichnung „temporary engine-builder“-Spiel lässt die Grundidee des Spiels erahnen: Das einzig Konstante ist die Veränderung. Der gebaute „Engine“ (dt. Motor) aus Dreh- und Einmalmaschinen ist temporär. Und auch die beständigen Chrommaschinen werden mehr oder weniger freiwillig ausrangiert und durch neue ersetzt.

Wie verläuft das Spielprinzip von „Corrosion“? Das Spielziel ist es, die meisten Siegpunkte zu generieren. Jede und jeder hat ein eigenes Tableau (Maschinenraum) vor sich liegen, das darauf wartet, mit Maschinen ausgestattet zu werden. Zudem wird an alle ein Set aus Ingenieurinnenkarten ausgegeben. Weiter hat man eine eigene Werkhalle, dessen Herz ein Rostrad bildet. Dieses verfügt über eine entscheidende Rolle: Es zeigt den Fortschritt und den Verfall an und aktiviert Maschinen. Zusätzlich liegt eine für alle zugängliche Auslage (Zahnräder, Siegpunkte, Wassermarker) auf dem Tisch. Letztere Marker stehen für den Wasserdampf, der für die Erhitzung der Maschinen gebraucht wird. Aufgebaut ist das Spiel in eine Hauptphase, die zwischen zwei sogenannten Wartungsphasen getätigt wird. In der Hauptphase darf entweder eine Ingenieurinnenkarte von der eigenen Hand ausgespielt werden oder das eigene Rostrad um 90 Grad im Uhrzeigersinn gedreht werden.



Entscheidet man sich für die erste Aktion und aktiviert eine Arbeiterin, so besteht die Möglichkeit, dass rivalisierende Fabrikanten die Aktion der ausgespielten Ingenieurin kopieren, indem eine höherrangige Ingenieurin der gleichen Farbe ausgespielt wird. So soll die rapide Imitation innerhalb der Entwicklungs-Branche spielerisch dargestellt werden. Jedoch ist dieses Kopieren keine Option, die man immer in Anspruch nehmen sollte, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet, da man die eigene Fertigkeit der stärkeren Ingenieurin temporär aufgeben muss. Durch das Ausspielen von Ingenieurinnen darf man sich häufig Elemente aus der Auslage (zum Beispiel Zahnräder, weitere Ingenieurinnen oder Maschinen) nehmen. So baut man sich langsam seine eigene Werkhalle mit Maschinen auf, die von den Ingenieurinnen entworfen, betreut und gewartet werden, auf. Als Fabrikherrin oder Fabrikherr leistet ihr hier ganz nebenbei einen Beitrag zur Frauenquote im MINT-Sektor, da bei „Corrosion“ allein Ingenieurinnen einstellt werden.

Die wahren Helden in „Corrosion“ sind jedoch die Maschinen. Insgesamt gibt es in „Corrosion“ drei Arten von Maschinen: Chrommaschinen, Einmalmaschinen und Drehmaschinen. Chrommaschinen sind besonders aufwändig instandzusetzen, dann aber sehr beständig. Einmalmaschinen werden nur einmal aktiviert, vorausgesetzt dass ihr sie rechtzeitig instandgesetzt habt. Drehmaschinen aktivieren sich jedes Mal, wenn ihr euer Rostrad im Zentrum der Werkhalle dreht. Doch auch ihre Zeit ist gezählt. Nur die Maschinen aus Chrom sind (wie für dieses Element typisch) „rostfrei“ und fallen dadurch der Korrosion im Gegensatz zu allen anderen Maschinen nicht zum Opfer. Die mächtigen Chrommaschinen können starke Synergien erzeugen, die man erst im Spielverlauf entdeckt. Bis man die gesamten Synergien und Eigenschaften durchdrungen hat, bedarf es – soviel sie an dieser Stelle vorweggenommen – mehr als eine Spielpartie. Sodass in diesem Punkt die Wiederspielbarkeit klar geboten ist.



Die zweite Hauptaktion „Rostrad drehen“ ist selbsterklärend. Sie löst alle Maschinen aus, auf die das aufgemalte X des Rostrads zeigt, sowie alle Drehmaschinen und instandgesetzten Chrommaschinen, die durch das Drehen aktiviert werden. In der anschließenden Wartungsphase müssen aber auch alle noch nicht genutzten Zahnräder und Maschinen ohne Nutzen abgelegt werden. Hier ist, so einfach es aussieht, viel strategisches Geschick und Planen angesagt. Das Spiel gilt nicht ohne Grund als „Expertenspiel“.

Besonders charmant ist, unabhängig vom Spielprinzip, ein großer Papp-Schraubenschlüssel, welcher als Marker für den aktiven Spieler oder die aktive Spielerin dient. Dort stehen zudem die vier Phasen des eigenen Spielzugs (Wartungsphase, Hauptphase, Wartungsphase und Zugende) drauf. Mit seinem Weiterreichen endet der eigene Zug. Das Spielende wird eingeläutet, sobald entweder drei oder weniger Zusatzsiegpunkte oder Auszeichnungen ausliegen. Damit ist aber noch nicht zwangsläufig Feierabend. Wer möchte, kann bis zu drei Überstunden machen, welche – aufgrund ihrer Anstrengung – ein, zwei oder drei Siegpunkte kosten. Die Option, nach Feierabend Überstunden zu machen, sollte gut überlegt sein ... Abschließend werden alle Siegpunkte, die während der Partie gesammelt wurden, übriggebliebene Chromräder, weitere Siegpunkte durch instandgesetzte Chrommaschinen und Bonuspunkte durch erfüllte Auszeichnungen addiert. Wer ist der genialste Fabrikherr oder die genialste Farbrikherrin der modernen Zeit?



Das gemeinsame Werkeln erfordert Kraft und Anstrengung, sodass es sich anbietet, erstmal sein erfinderisches Glück ohne Wettbewerber zu versuchen (oder dann, wenn alle anderen bereits Schichtende haben und nicht zur Verfügung stehen). Die Fabrik von „Corrosion“ steht sehr praktisch auch Solisten zur Verfügung. Eine Solopartie im Vorfeld hilft sehr, die Grundlagen des Spiels kennenzulernen und zu meistern, bevor man einer Gruppe das Spiel erklärt. Beim Solomodus kommt es zu einem Spiel gegen einen Mechanismus, der nur Elemente aus der Auslage entfernt, wodurch langfristiges Planen erschwert wird. Stetiges Adjustieren der eigenen Fabrik ist ja gerade das Kernelement des „temporary engine-builder“. Das Spiel endet, inklusive der potenziellen Überstunden, im Solomodus automatisch nach vier Runden, beziehungsweise 36 Zügen. Um die eigene Leistung zu bewerten, vergleicht man den eigenen Score mit einer Liste aus der Spielanleitung. Bist du etwas eingerostet oder kannst du als Legende das Fabrikgelände verlassen?

„Corrosion“ schafft es die Organisation und Anstrengungen einer Fabrik bildlich und spielerisch darzustellen. Die hier beiliegenden Pappmarker für die Chromzahnräder können bei Pegasus Spiele im Online-Shop übrigens durch ein Set von 24 Metallzahnrädern käuflich aufgewertet werden, um das Maschinen-Feeling zu intensivieren.

Fazit: Das Thema des stetigen Wandels muss einem gefallen. Denn „Corrosion“ braucht einige Partien, bis man die eigenen Maschinen im Kopf geölt hat und der Motor läuft. Die ständige Veränderung der Auslage und der eigenen Kapazitäten, sowie der durch den Rost gezwungene Abbau eigener guter Mechaniken, muss wie Zahnräder ineinander greifen. Ansonsten ist großer Frust vorprogrammiert. Für „Corrosion“ bedarf es daher ein Publikum, das rechnerisch begabt ist und viel Spaß am Koordinieren hat.

Corrosion
Spiel für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Stefan Bauer
Deep Print Games/Pegasus Spiele 2021
EAN: 4250231730269
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,99

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