Cthulhu-Vademecum

Nachdem nun nahezu alle aventurischen Götter und Halbgötter ihr eigenes „Vademecum“ erhalten haben, schickt sich Ulisses an, neue Hintergründe zu erforschen. Im Rahmen des „Mythos“-Crowdfundings wurde auch flugs ein „Vademecum“ für einen der bekanntesten Großen Alten finanziert. Wie schlägt sich das „Cthulhu-Vademecum“?

von André Frenzer

Das „Vademecum“ trägt den schönen Untertitel „Brevier des allwissenden Kultisten“. Verfasst wurde es von einem einzelnen Gelehrten, der für sich in Anspruch nimmt, die „Wahrheit“ entdeckt zu haben. Da es in Aventurien natürlich keine Cthulhu-Kirche im Sinne der Zwölfgötter oder ihrer halbgöttlichen Kinder gibt, unterscheidet sich das „Cthulhu-Vademecum“ inhaltlich von den eher „offiziellen“ Büchern, die den großen Kirchen gewidmet waren.

Nach dem obligatorischen Vorwort schickt sich das Buch dann auch ausführlich an, den Cthulhu-Mythos in die Welt des „Schwarzen Auges“ zu transportieren. Dabei wird mit der Schöpfungsgeschichte Deres nicht gerade zimperlich umgegangen. So werden einige der als Setzung bekannten Ereignisse munter uminterpretiert, um dem Mythos einen gewissen Stellenwert im aventurischen Kosmos einzuräumen. Das kann man mögen, doch ich verstehe auch jene Puristen, die damit wenig anzufangen wissen. Wer allerdings ohnehin eine Verquickung von Mythos und „Das Schwarze Auge“ plant, findet hier eine gute Grundlage, um beide Welten miteinander zu verbinden.

Die nächsten Kapitel widmen sich einer innerweltlichen Vorstellung des Mythos, wie wir ihn als Rollenspieler bereits aus diversen Quellenbänden gewohnt sind. Immerhin gibt es bestimmte Elemente, in denen der Mythos wirksam und lebendig ist, auch in unserer Welt. So werden kurzerhand einige „verbotene Quellen des Wissens“ – also Mythosbücher – mit aventurischem Hintergrund geschaffen. Außerdem werden Spuren der Existenz Cthulhus in verschiedenen anderen, inneraventurischen Schriften gesehen und verfolgt.

Ebenso gibt es eine knappe Beschreibung einiger Kreaturen des Mythos-Pantheons. Und ein besonderer Fokus liegt auf den Traumlanden, die schlussendlich auch eine der schlüssigsten Möglichkeiten darstellen, Mythos und Aventurien miteinander zu verbinden. Die Beschreibungen der Traumlande bleiben dabei aber rudimentär und erklären oft nur, dass die Traumlande nun einmal ein gefährlicher Ort sind. Ein kurzer Brückenschlag zu den aktuellen Ereignissen rund um den Sternenfall schließt das eigentliche Vademecum.

Die Beschreibung eines kleinen Cthulhu-Kultes, dessen Oberhaupt gleichzeitig der Autor des Vademecums ist, schließt den Band ab und bietet dem Spielleiter einen kleinen Anhaltspunkt, um ein erstes Abenteuer aufzusetzen.

Während all dieser Beschreibungen gibt sich der inneraventurische Autor unheilschwanger und geheimnisvoll. Nur der wahre Wissende vermag die Wahrheit zu erfassen, nur der Mächtige die Traumlande zu bereisen, nur der wirklich Suchende nicht von IHM verschlungen werden. Gegen Ende der Lektüre kam ich nicht umhin, mich von dem Stil ein wenig genervt zu fühlen, auch wenn das ganze Buch damit natürlich an einen Mythos-Folianten erinnert.

Doch auch über den Schreibstil hinaus bin ich nicht wirklich zufrieden mit dem Band. Er bleibt an den meisten Stellen nebulös, wenig konkret und ohne echten Mehrwert für das Spiel. Selbst die Beschreibung von Zaubern und Ritualen bleibt oberflächlich und die Anbindung an Schauplätze in Aventurien so unkonkret, dass man als Spielleiter schlussendlich doch alle Arbeit selbst erledigen darf. Dabei stellt sich mir die Frage, ob damit bewusst die Natur des Mythos und die Unbegreifbarkeit seiner Schöpfungen in den Fokus gerückt werden sollten oder ob es einen weiteren Beweis dafür darstellt, dass die Anbindung des Mythos an Aventurien dann eben doch nicht funktioniert, ohne dass man beide Augen zudrückt. Der Fakt, dass diese Frage nach abschließender Lektüre offenbleibt, lässt mich als Leser unbefriedigt zurück.

Fazit: Das „Cthulhu-Vademecum“ ist ein aus inneraventurischer Sicht recht stimmiger Mythostext. Dabei streift es die wichtigsten Themen, die man als Mythos-Unkundiger kennenlernen sollte. Als Spielhilfe oder gar Hintergrundmaterial für den Spielleiter ist es allerdings kaum zu gebrauchen.

Cthulhu-Vademecum
Quellenbuch
David Lukaßen
Ulisses Spiele 2020
ISBN: 978- 963313981
160 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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