Cixin Liu: Yuanyuans Blasen

„Bubbles“ oder „A Child’s World” ist der Titel eines Gemäldes von Sir John Everett Millais (1886), welches ein Kind zeigt, das einer Seifenblase nachschaut, gleichsam staunend wie bewundernd – wir dagegen wissen, dass das nur eine Momentaufnahme sein kann, bevor die Blase zerplatzt. Der Autor Cixin Liu nun imaginiert eine Flüssigkeit, mit der Seifenblasen dauerhaft bestehen. Ein Weckruf für die Fantasie?

von Daniel Pabst

Der Comic „Yuanyuans Blasen“ ist der zweite Comic, der eine Kurzgeschichte des Science-Fiction-Autors Cixin Liu darstellt. Auf Deutsch erschienen ist er im Rahmen der „Cixin Liu Graphic Novel Collection“ 2021 beim Splitter Verlag. Den Text adaptiert hat Valérie Mangin, die Zeichnungen stammen von Steven Dupré, die Farben kommen von Cyril Saint Blancat und für die Illustration des Covers zuständig war Nicolas Vallet. Das Format entspricht dem ersten Comic aus dieser Reihe und beeindruckt entsprechend mit hochwertigem Papier im DIN-A4-Hardcover-Format. Auffallend ist eine aufklappbare Doppelseite im Comic, deren Inhalt zwar vorhersehbar ist, dennoch einen gewissen Überraschungseffekt besitzt und den Bildern noch mehr Fläche bietet.

Was als naives, kindliches Spielen mit Seifenblasen beginnt, entwickelt sich im Laufe des Comics zu einem Unternehmen. „Liquefly“ – ein Kofferwort aus „to liquify“ (sich verflüssigen) und „fly“ (fliegen) –, soll die Blasen mittels „Super-Tensiden“ ganz hoch hinaus bringen. Die Protagonistin namens Yuanyuan hat die Tensid-Mischung durch ihr Wissen, das sie an der führenden chinesischen Hochschule für Naturwissenschaft und Technik angehäuft hat, sowie durch die finanzielle Unterstützung ihres Vaters und Sponsoren selbst zusammengemischt. Damit soll eine Riesen-Blase die gesamte Stadt, einer Glocke ähnlich, umgeben …

Warum sollte man nicht seinen Träumen nacheifern, selbst wenn es sich dabei nur um wirklich große Seifenblasen handelt? Cixin Liu eröffnet den Leserinnen und Lesern diese Frage, spannt diese jedoch weiter, indem er die Protagonistin nicht hedonistisch handeln lässt. Zwar sagt diese mehrfach, dass es „Forschung zum Spaß“ sei und ihr Leben „vielleicht ein Scherz“, doch kann mit ihrer kreativen Forschung möglicherweise die gefährliche Hitzeperiode der dort lebenden Menschen gelöst werden. Was wäre denn, wenn diese gigantische nie-zerplatzende Blase eine neue Luftfeuchtigkeit bilden würde und damit eine neues, lebenswerteres Klima?

Man könnte Cixin Lius Werke schnell als Pseudowissenschaft abtun. Denn obwohl dieser gewisse physikalische Grundlagen und Limitationen kennt, modifiziert er auch hier wieder Teile der Naturgesetze. Während er zuletzt bei „Die Wandernde Erde“ unter anderem fragte, was geschehe, wenn die Erde über ausreichend Energie verfügen würde, um die Wanderung zu einer neuen „Sonne“ durchzuführen, geht es diesmal um den Inbegriff der Vergänglichkeit – in Form von Seifenblasen.

Wir als Leserinnen und Leser folgen hier einer Protagonistin, die „mit dem Kopf in den Wolken“ steckt und deren Vater als macht- und verantwortungsvoller Politiker um ihre Zukunft fürchtet. Ab und zu jedoch kann neben aller Imagination in dem Werk eine politische Botschaft – auch in Bezug auf die Volksrepublik China – gesehen werden. Auch wenn Cixin Liu selbst sagt: „Ich habe nie absichtlich chinesische Eigenheiten in meinen Werken verarbeitet, und noch weniger wollte ich „Chinesische Science-Fiction“ schreiben. Als chinesische Person beinhaltet meine Arbeit natürlich bestimmte Elemente chinesischer Kultur, und westliche Leser werden diese Arbeiten als Fenster nutzen, durch die sie China betrachten.“ Als Anspielung auf die reale Welt sponsort ein chinesisches Onlinebezahlsystem die Heißluftballons und auch auf die Chinesische Mauer wird Bezug genommen, indem eine „Chinesische Blasenmauer“ zwischen der toten Wüste und dem fruchtbaren Land separieren soll.

Wer sich auf insgesamt 72 Seiten mit „Superblasen“ und einer Heldengeschichte beschäftigen und die gewohnten Fragen des Alltags hinter sich lassen möchte, der erhält mit diesem Comic die passende Gelegenheit dazu. Gut, dass diesmal auch die technischen Erklärungen direkt auf der jeweiligen Seite als Fußnote abgedruckt wurden, da man beim vorigen Werk noch bis zum Schluss in den Anhang blättern musste. Die Zeichnungen von Steven Dupré sind eher kantig und rau. Die Farbgebung setzt den Fokus auf Ocker. Im Kontrast dazu stehen die blau-violetten Seifenblasen. Eine Deutung dieser Gestaltung wäre, es als Wechselspiel der ausgetrockneten Erde und der Kapitulation der Politik und Wissenschaft vor dem Klimawandel mit der Träumerei einer kreativen Forscherin, die den Kopf nicht in den Sand gesteckt hat, anzusehen.

Leseprobe

Fazit: Träume zerplatzen wie Seifenblasen? Nicht bei Cixin Liu. Mit „Yuanyuans Blasen“ schauen wir – wie durch eine gigantische Glaskugel – in eine Zukunft, in der die Menschheit das Klima beeinflussen kann, geschaffen durch den Mut einer einzelnen Frau und durch die finanzielle Hingabe reicher Sponsoren. „A Child’s World“ erhält in diesem Comic den Einzug in die (chinesische) Welt – kreativ, hoffnungsvoll und erfrischend.

Cixin Liu: Yuanyuans Blasen
Comic
Cixin Liu
Splitter Verlag 2021
ISBN: 978-3-96792-068-0
72 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 17,00

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