Carnival of Monsters

„Tut mir leid mein verehrter König. Da sind mir der Große Alte und die giftige Riesenschleimspinne leider ausgebüchst. Es sind doch nicht allzu viel Stadtbewohner gefressen worden, oder?“

von Kai Melhorn

Richard Garfield ist wohl einer der bekanntesten Spieleautoren der heutigen Zeit. Mit „Magic the Gathering“ und „Robo Ralley“ ist ihm wohl etwas gelungen, wovon jeder Autor von analogen Spielen träumt. Diese Spiele waren zur ihrer Zeit dermaßen innovativ, dass sie die Herzen unzähliger Brett- und Kartenspieler erobert haben. Selbst nach 20 Jahren werden diese Spiele immer noch gespielt und haben einen über die Maßen großen Bekanntheitsgrad.

Seitdem gibt es immer wieder Spiele von ihm, die wieder und wieder einen durchaus bemerkenswerten Innovationsgrad haben. Natürlich kann nicht jede Innovation so einen Erfolg verbuchen wie die beiden Vorgenannten. Aber man kann sagen, dass immer wieder interessante Spiele dabei herauskommen. Dieses Jahr gibt es ein Familienspiel über Monster, fahrende Schausteller und einen König, der für die Unterhaltung seines Volkes sogar riskiert, dass einige Bürger gefressen werden.

Das Material


Hauptsächlich wird dieses Spiel durch Karten gesteuert. Sage und schreibe 240 Stück sind im Spiel enthalten und allesamt von beeindruckender Qualität. Auch nach einigen Runden zeigen die Karten keine wesentlichen Abnutzungserscheinungen, wie ich sie insbesondere bei Kickstartern in letzter Zeit leider immer wieder zu Gesicht bekommen habe, die ja leider dazu neigen, ansonsten eher überproduziert zu werden. Leider scheint das Augenmerk der Macher an diesen Stellen mehr auf den Miniaturen zu liegen, als auf der Qualität des Materials, welches die größte Belastung aushalten muss. Nun soll dieser Text nicht dazu dienen, das Für und Wider von Kickstartern zu diskutieren, aber ich persönlich finde es beruhigend zu erleben, dass die herkömmlichen Spieleverlage weiterhin Spiele von guter Qualität auf den Markt bringen, die das kleine Einmaleins für Produktion und Redaktion noch nicht zu Gunsten von (unangemalt eigentlich unattraktivem) Plastik vernachlässigen.



Die Gestaltung der Karten lässt ebenfalls keine Wünsche offen, denn neben den wesentlichen Spielelementen sind natürlich die Darstellungen der Kreaturen ein extrem wichtiger Teil des Spielgefühls. Das muss auch Amigo klar gewesen sein, denn vor der Realisierung des Projektes wurde gar eine Kickstarterkampagne gestartet, um die großen Namen der Illustratoren von "Magic: The Gathering" zu verpflichten. Die Kampagne wurde zwar eingestellt, aber das tut der Qualität des finalen Produkts meiner Meinung nach keinen Abbruch. Nicht zuletzt, weil mit Illustratoren wie Michael Menzel wirklich gute und renommierte Partner gefunden werden konnten. Je einer Gattung von Kreaturen wurde hierbei von einem individuellem Künstler stimmungsvoll Leben eingehaucht, wodurch sich jeweils ein eigener Stil etabliert. Eine gute Entscheidung wie ich finde, denn so wird der Eindruck erweckt, die Kreaturen würden jeweils wirklich einer eigenen Linie entspringen.

Die einzige kritische Frage, die ich den Designern stellen würde, ist die nach der überwältigenden Menge an Pappmünzen, die dem Spiel beiliegen. Ich habe bisher kein Spiel erlebt, wo auch nur Bruchteil davon an die Spieler ausgegeben wurde.

Das Spiel



Der Spielablauf erinnert sofort an „7 Wonders“ oder „Sushi Go“. Jeder Spieler bekommt sieben Karten. Die Karten zeigen Ländereien, fiese Kreaturen, potenzielle Angestellte, Neuigkeiten aus der Presse oder Verträge, die bei Erfüllung Siegpunkte versprechen. Von diesen Karten sucht man sich eine aus. Die restlichen Karten gibt man an den benachbarten Spieler weiter und erhält so ebenfalls einen neuen Stapel von dem anderen Nachbarn. Die Karten gehen so lange im Kreis, bis alle verteilt sind. Bei jeder einzelnen kann man sich dafür entscheiden, sie sofort auszuspielen oder verdeckt aufzubewahren, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Dieses Zwischenspeichern kostet Geld, was normalerweise nie in besonders großen Mengen vorhanden ist. Nach vier Runden, also insgesamt 28 gesammelten Karten, ist das Spiel vorbei, es werden Siegpunkte gezählt und natürlich gewinnt derjenige, der die meisten davon zusammenbringen konnte.

Inhaltlich klingt das dann so: Als Betreiber eines Wanderzirkus ziehen die Spieler los, um besonders gefährliche Monster einzufangen, damit sie dem begeisterten Publikum gezeigt werden können. Dafür sammelt man Wissen über die fernen Länder, in denen die Monster zu finden sind und natürlich fängt man sie dort auch ein. Außerdem kann man sich Helfer holen, die auf vielfältige Art und Weise ihre Unterstützung anbieten, dafür aber auch entlohnt werden wollen. Gute Nachrichten aus der Presse geben Sofortboni, die nie besonders stark sind, im richtigen Moment aber genau das richtige sein können, um dem Spieler aus der Patsche zu helfen.



Am Ende der Saison kommt es dann zu der großen Show. Je größer und gefährlicher die Monster sind, desto mehr Begeisterung lösen sie aus. Insbesondere wenn die Wünsche des Publikums erfüllt werden, die von Saison zu Saison wechseln. Das birgt natürlich auch Gefahren, denn so manches Monster hat sich in der Vergangenheit an den Zuschauern gelabt. Um zu viel Verlusten bei den Fans vorzubeugen, sendet der König immer wieder seine Wachen, die die Situation unter Kontrolle halten. Auf diese Hilfe kann man sich aber nicht wirklich verlassen und somit bleibt es bei einem persönlichen Risiko, wenn man zu viele Menschenfresser in der Ausstellung zeigt. Denn sollte es zu Verlusten kommen, muss man eine saftige Strafe zahlen.

Der Spielablauf geht schnell von der Hand, denn allzu lange braucht man normalerweise nicht, um zu überlegen. Auch wenn es nichts bringt, in Grübeleien zu verfallen, so sind die Entscheidungen dennoch von Bedeutung. Der eigene Vorteil ist manchmal geringer als Schaden, dem man einem Konkurrenten zufügen könnte. Außerdem stellt sich immer wieder die Frage, welche Prioritäten man setzt, und oft will man eigentlich gar keine Karte aus der Hand geben. Aber man muss sich entscheiden und viele der begehrten Objekte wird man gar nicht erst wieder in die Hand bekommen, geschweige denn eine Gelegenheit erhalten sie auszuspielen. Die Möglichkeit, eine Karte zu speichern, ist der besondere Teil des Spiels. Man kann Taktiken verbergen, Monster vorhalten und Karten vorenthalten, die dem Gegner allzu viel helfen würden. Die Waage wird dabei durch den nicht unerheblichen Preis gehalten, den man zahlen muss, und jede Wahl für die eine oder andere Variante ist spannend und interessant.



Natürlich ist eine Menge Glück im Spiel. Die gewählte Taktik kann sich als Sackgasse herausstellen oder der Gegner bekommt immer genau die Karten zur Auswahl, die man selbst so dringend benötigen würde. Am Schluss gibt es auch noch Würfel, die zwar für alle gleichermaßen gelten, aber dennoch einen Einfluss auf den Ausgang der Partie haben können. Ein weiterer Minuspunkt gilt für das Spiel mit fünf Spielern, denn man bekommt kaum Karten wieder auf die Hand, womit ein taktischer Aspekt leider an Bedeutung verliert. Aber diese kleinen Schwächen kann man gut verkraften.

Fazit: „Carnival of Monsters“ ist ein stimmungsvolles Spiel mit gutem Material und insbesondere tollen Grafiken. Der Spielablauf ist flüssig und schnell, da man immer was zu tun hat und es kaum Wartezeiten gibt. Das leicht gehobene Familienspiel bietet ein paar schöne Kniffe und einige taktische Möglichkeiten, funktioniert mit jeder Spielerzahl und durch eine kleine Zusatzregel auch mit zwei Spielern ausgesprochen gut. All das ergibt ein gutes Spiel, was man immer mal wieder auspacken möchte, um eine kleine Runde zu machen. Die kleineren Schwächen kann man gut verzeihen. Auf der anderen Seite könnte eine Erweiterung dem Ganzen sicher nicht schaden, um die Motivation aufrechtzuerhalten.

Carnival of Monsters
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler ab 12 Jahren
Richard Garfield
Amigo Spiel + Freizeit  2019
EAN: 4007396019575
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 34,99

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