Berlin, Berlin, wie fahren nach Berlin (Brettspiel Con)

Vom 1. bis zum 3. August hat die „Berlin Brettspiel Con“ zum zehnten Mal stattgefunden. Seinen Independent-Wurzeln ist die Brettspiel-Convention längst entwachsen. Ich habe mich ins Estrel Convention Center aufgemacht und für euch Berliner Spieleluft geatmet.

von LarsB

Für Badge-Besitzer startete die Berlin Con bereits am Freitag um 16:30 Uhr mit der ersten Gaming Night. In einer wahrlich großen Spielehalle im Estrel Komplex mit rund 2500 Plätzen konnten die Spieler selbst mitgebrachte Titel zocken oder aus einem Fundus von über 900 Brettspielen wählen. Organisiert wurde die Ausleihe wieder über „Blick auf’s Brett e.V.“. Erneut konnte man über die in die Berlin Con App integrierte digitale Spieleausleihe freie Spiele für 30 Minuten reservieren, um sich so stressfrei ins nächste Spieleglück zu stürzen. Am Freitag gab es dann auch die Gelegenheit, seine vorher zum Verkauf angemeldeten Brettspiele am Brettspiel-Flohmarkt abzugeben. Aber auch am Samstag konnten Spiele noch abgegeben werden. Das Spieleabgabe ist sehr gut organisiert und verläuft sehr unkompliziert. Stichprobenartige Kontrollen sollen die Qualität der Spiele sicherstellen. Der Flohmarkt war in diesem Jahr mit 10.000 Spielen, die zur Auswahl standen, nochmal größer.

Samstag und Sonntag ist für den Besucher mit Standardticket um 10 Uhr Einlass und um 19 Uhr Schluss. Badge-Besitzer dürfen bereits 30 Minuten eher in die heiligen Hallen – und auch zur Gaming Night am Samstag bis Mitternacht bleiben. In diesem Jahr wurden erstmals besondere Badges vergeben, die einen Premium-Zutritt zum Flohmarkt gewährten. Die ersten drei Stunden am Samstag wurden dazu in drei Slots unterteilt, in die man sich für zehn weitere Euro einkaufen konnte. Ziel war es, die klassisch superlange Flohmarktschlange etwas zu verkleinern und den FOMO-gefährdeten Besuchern die Möglichkeit zu geben, den Rest der Berlin Con zu genießen.

Über 80 Aussteller von Abacus bis Zoch haben auf der Berlin Con ihr aktuelles Portfolio präsentiert und konnten mit einigen Neuheiten aufwarten. An vielen Stellen gab es die Möglichkeit, schon einen Blick auf die Neuheiten für die Spiel 2025 in Essen zu werfen, sich erklären zu lassen und oft auch probezuspielen. Die Ausstellerfläche hat sich auf zwei Hallen verteilt. Das Hausnummer-System war bei der Orientierung nicht hilfreich, aber in der App hat der Lageplan bei der Orientierung gut weiterhelfen können. Man konnte sich im Vorfeld und auf der Veranstaltung für zahlreiche Turniere und Events eintragen. 

Auf einer gesonderten Fläche wurden 25 Prototypen präsentiert und es wurde auch dort zum Spielen und Testen eingeladen. Veranstaltungen auf der Bühne, von Vorträgen bis hin zum kultigen Kneipenquiz, haben das Event abgerundet. In der Artist Alley konnte man alles erwerben, vom Brettspielschmuck über das Hundehalstuch mit Meeple-Aufdruck bis hin zum Brettspiel-Tatoo. Um sich zu entspannen, gab es auch die Möglichkeit, sich eine Massage zu buchen – ganz ohne Meeple. Das Catering wurde vom Estrel selbst gestellt und was in diesem Jahr besser auch die Bedürfnisse des Brettspielers angepasst. Die Preise sind allerdings eben Messepreise. Mitgebrachte Speisen und Getränke wurden aber geduldet. Gegenüber vom Estrelhauptgebäude gab es den „Waterfront“-Bereich, in dem man sich ebenso stärken konnte, aber unter Bäumen und mit Blick auf den Kanal.

Für Besucher, für die Neuheiten nicht im absoluten Mittelpunkt stehen und für die das Spielen in toller Atmosphäre wichtig ist, ist die Berlin Brettspiel Con ein hervorragendes Spieleereignis. Wir jedenfalls, werden auch im nächsten Jahr unsere Koffer packen. Das Datum ist auch schon klar: vom 10.07. bis 12.07.2026.

Meine spielerischen Erfahrungen 

Gestartet sind wir mit einer Partie „Die Wölfe“ (Skellig Games, 2023). In einem Areas-Control-basierten Spiel vergrößern und verbessern wir unser Wolfsrudel und konkurrieren mit anderen Wolfsrudeln um Mehrheiten in wechselnden Landstrichen. Unsere Bewegungen und Aktionen haben etwas puzzleartiges, weil wir unsere 5 zur Verfügung stehenden Plättchen für die Spielzüge gern auf den passenden Landschaftsseiten liegen haben wollen. Blöd nur, dass wir 1 bis 3 dieser Plättchen für das Auslösen einer Aktion auf die andere Seite drehen müssen. Das Spiel fühlte sich schon innovativ an, hat sich aber mit fünf Spielern mehr in die Länge gezogen, als mir lieb war.

In der darauffolgenden Partie „MLEM: Die Astrokatzen“ (Asmodee, 2024) sind wir mit einem Haufen Katzen ins Weltall geflogen. Dabei haben wir unser Glück auf die Probe gestellt. Bleibt man zu lange im Raumschiff, scheitert die Mission und wir stürzen ab. Gut, dass die Katzen bekannterweise sieben oder gar neun Leben haben. Spannung kommt bei der Würfelei auch durch die Entscheidungen der Mitspieler auf, die mit Ihren Spezialfähigkeiten an Bord manchmal arg fehlen, wenn sie unterwegs aussteigen, um sich Punkte zu sichern. „MLEM“ war kurzweilig und spaßig, aber es ist in der Hauptsache ein Glücksspiel. Zu viel Spieltiefe sollte man hier nicht erwarten. Die großen Emotionen werden durch Würfelwürfe erzeugt.

„Mille Fiori“ (Schmidt Spiele, 2021) von Dr. Reiner Knizia stand als Absacker auf dem Programm. Das kartengetriebene Plättchenlegespiel entführt uns nicht wirklich in eine andere Welt, bietet aber eingängiges Spielevergnügen mit durchaus interessanten Entscheidungen. Beim Siegpunktesammeln kommt es stark darauf an, die Mitspieler in den fünf Stadtgebieten nicht allzu lange allein vor sich hin werkeln zu lassen, weil sonst die Punktewertungen durch die Decke gehen. Hier gilt es, die Karten balanciert zu draften. Ein rundes Spieleerlebnis, dem aber aus meiner Sicht das Besondere fehlt.

„Der Herr der Ringe: Das Schicksal der Gemeinschaft“ (Z-Man Games, 2025) konnten wir am Stand von Asmodee probespielen. Die Mechanik von „Pandemie“ zieht in Mittelerde ein. Hier darf die Hoffnung nicht verloren werden und der Ring muss ins runde Rote in Mordor. Nazgûle, feindliche Truppen und Saurons Auge stellen sich der Heldencrew in den Weg. Neu ist, dass jeder Spieler zwei Helden steuert, welche mit deutlich mehr Spezialfähigkeiten ausgestattet sind, als man das vom Krankheiten bekämpfen her kennt. Die Zusammenhänge im Spiel liegen zunächst nicht so klar auf der Hand. Wenn man erstmal verstanden hat, was zu tun und was zu verhindern ist, ist das Spiel sehr spannend – und schnell vorbei. Hier muss man von Anfang an wissen, was zu tun ist. Aus meiner Sicht ein potenzielles Highlight der SPIEL 2025.

„Marajoara“ (Giant Roc, 2025) hätte einen eingängigeren Namen verdient gehabt. Wie auch immer, wir graben hier Keramiken aus und stellen diese im Museum aus. Die Mechanik ist hier der Star: „Solitär“-artig überspringen wir mit Würfeln andere Würfel und drehen diese dabei im Wert hoch. Den Würfel, mit dem wir den anderen Würfel übersprungen haben, steht uns nun für eine Aktion zur Verfügung. Höhere Augenwerte ermöglichen uns mächtigere Aktionen. Dabei bestimmt die Würfelfarbe die Art der Aktion. Durchaus ein interessanter Kniff für alle Spieler, die mal etwas Frisches suchen.

„Severton“ (Huch, 2025) ist das neue Spiel von – Tusch – Vlaada Chvátil, dem Schöpfer von „Mage Knight“, „Codenames“, „Galaxy Trucker“, „Im Wandel der Zeitalter“ usw., also einem der größten Spieleautoren aller Zeiten. Ich dachte, der Herr hätte sich als Autor in den Ruhestand begeben. Das Spiel spielt im Prag der 30er Jahre, in dem Jugendbanden in der Welt des Comics „Rapid Arrow“ miteinander konkurrieren. Keilereien, Gesprächsgeschick oder auch geschicktes Wegducken helfen beim gemeinsamen Erreichen von Kampagnenzielen, die sich in eine Geschichte einbetten. Die Mechanismen sind in der Probepartie simpel gewesen, sollen sich aber noch im Laufe der Kampagne entwickeln. Durch die unterschiedlichen Spielziele und den Kampagnenfortschritt sollte hier genug Abwechslung in der Spieleschachtel sein. Das gilt es aber noch herauszufinden. „Severton“ ist ein Titel, auf den ich für die SPIEL besonders gespannt bin.

„Spektakulär“ (Strohmann, 2025) ist ein Würfeldrafting- und Würfeleinsetzspiel. Hier gilt es, Hexagonplättchen mit Landschaften und Tieren sowie Würfel so auf dem eigenen Spielerbord zu arrangieren, dass am Ende viele Punkte erreicht werden. Der Puzzlefaktor kommt über die vielschichtige Wertungslogik. Das Weiterschieben der Würfel und Plättchen zum Nachbarn lässt den Spieler auch schon mal auf die Tableaus der anderen schauen. Der Ursprung des Spielenamens ist mir aber nicht klar geworden. Auch wenn es ein solides Spiel ist, konnte ich in der Probepartie nichts Spektakuläres ausmachen. 

„Menara“ (Zoch Verlag, 2018) war für mich als kooperatives Geschicklichkeitsspiel noch ein blinder Fleck. Hier muss ein Gebäude in mehreren Ebenen gebaut werden. Verdeckte Karten sagen uns (nach dem Aufdecken), was zu tun ist. Dabei gibt es drei verschiedenen Kartenkategorien. Hier muss man schon mal taktisch entscheiden, von welchem Kartenstapel man zieht, wie man das Gebäude weiterbaut und ob vielleicht die Erweiterung des Fundaments notwendig wäre. Doch dann muss das Gebäude für den Spielsieg eine Ebene höher gebaut werden. Viel Abwechselung kommt über die abgedrehten Formen der Gebäudeebenen ins Spiel. Ja, „Menara“ ist so gut, wie viele sagen. Geschicklichkeitsspiele und kooperative Spiele sollte man aber mögen, um auch „Menara“ zu mögen.

Eine Überraschung war für mich „Spots“ (Pegasus, 2024). Das Würfelspiel für Hunde-Menschen lässt uns Hunden Tricks beibringen. Jeder Trick steht dabei für eine andere Art und Weise, wie die Würfel zu werfen sind. Passen die Augenzahlen zu unseren ausliegenden Hundekarten, können sie auf diesen platziert werden. Sonst müssen die Würfel im Garten vergraben werden. Liegen da aber zu viele Würfelaugen, bricht das Chaos aus und aller Trainingsfortschritt ist dahin. Wie gut, dass Leckerlis das Neuwürfeln erlauben. Durch die neue Zusammenstellung der Tricks in jeder Partie ist viel Abwechslung geboten. Ein toller Absacker für Hunde- und Push-your-luck-Fans. Katzenliebhaber werden es schwer haben, mit dem Spiel warm zu werden.

„Fate: Die Verteidiger von Grimheim“ (Elznir Games, 2025) war auf der Berlin Con bereits verfügbar – und hat uns überrascht und begeistert. In einem vor Humor nur so strotzenden Tower Defence Spiel müssen wir unsere Helden (wir sind nur die zweite Garde) aufleveln und uns den anstürmenden Monsterhorden entgegenwerfen, bis die erste Garde vom Feiern wiederkommt. Die Mechanismen sind nicht kompliziert. Es entstehen viele lustige Situationen aus dem Dilemma heraus, sich entweder über Quests aufzurüsten oder sich aber den Horden entgegen zu werfen. Da biegt die Halbheldin schonmal kurz vor Erreichen der Monsterhorde rechts ab. Sie möchte schließlich ihr Schwert verzieren. „Der Kampfkraftgewinn ist es echt wert, liebe Freunde. Ehrlich jetzt!“ Zum Glück bringt das Niedermetzeln der Monster Erfahrung, die den Helden dann das Aufleveln erlaubt. Kooperation und Risikoabwägung sind hier großgeschrieben. Das vielschichtige Verbessern des Charakters ist unglaublich befriedigend. Das Spiel hat einfach ein tolles Tempo.

„Hollow Pact“ (Studio Midhall, 2026) ist ein Kickstarter-gefördertes Spiel, dass im Moment noch per Late-Pledge unterstützt werden kann. In einem Horror-Setting spielen wir Katz und Maus – oder Spinnenmonster und, naja, wer auch immer die Eierdiebe genau sind. Dem armen Spinnenmonster wurde nämlich ihr Ei gestohlen. Ihrem großherzigen Mutterinstinkt folgend jagt sie nun die Eindringlinge und will nur ihr Ei zurück. Und Spinnenmonster regeln das nun mal so, dass sie Argumentationen in tödliche Verletzungen einkleiden oder die Eierdiebe in den Wahnsinn treiben – also nicht nur mit Argumenten. Das Besondere an „Hollow Pact“ ist, dass die Eierdiebe zunächst gar nicht wissen, ob sie das entzückende Spinnenbaby überhaupt bei sich führen – oder einen nutzlosen Stein. Nur einer der Eierdiebe hat nämlich das Ei. Gewonnen hat der nur Spieler, der den Dungeon mit Ei verlässt. Kurz vor dem Ausgang ist es also an der Zeit, dem Teamkollegen mit Ei liebevoll das sprichwörtliche Messer in den Rücken zu stecken … Die Spieler können sich in „Hollow Pact“ sowohl als Eierdieb wie auch als Spinnenmonster ausleben. Zwei bis drei Spieler scheint die Idealbesetzung vor „Hollow Pact“ darzustellen.