von Jens Krohnen
Quellenbände für die wichtigsten Komponenten cthuloiden Grusels gehören eigentlich schon immer zum festen Repertoire des „Cthulhu“-Produktportfolios. Sei es das „De Vermis Mysteriis“ – beziehungsweis sein Vorgängerband „Necronomicon“ –, in dem cthuloide Folianten vorgestellt werden, das „Malleus Monstrorum“, also der cthuloide Kreaturenkatalog, oder das „Grand Grimoire der Mythos Magie“. Eigentlich verwunderlich, dass mit „Artefakte“ jetzt erst eine Sammlung cthuloider Artefakte vorliegt.
„Artefakte“ beginnt – ähnlich wie das „De Vermis Mysteriis“ – mit einem aus mehreren Tabellen bestehenden Generator, mit dessen Hilfe sich der geneigte Spielleiter sein eigenes cthuloides Artefakt bauen kann. Leider ist dieser Generator deutlich weniger gelungen als im Band über Mythos-Bücher. Er besteht nur aus wenigen Tabellen, die eher Schlagworte denn spieltischorientierte Informationen liefern. So erhält der Spielleiter schlussendlich eher eine sehr vage Vorstellung von seinem Artefakt, welches es nun noch auszuarbeiten gilt. Da gibt es durchaus nützlichere Varianten.
Anschließend erfolgt die Vorstellung unterschiedlichster Artefakte. Diese werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt und stammen aus allerlei möglichen Quellen. Natürlich sind Lovecrafts Geschichten sowie jene seiner Mitstreiter, welche wir heutzutage dem „Cthulhu-Mythos“ zusortieren, eine Primärquelle. Doch im Laufe mehrere Jahrzehnte des cthuloiden Rollenspiels haben auch zahlreiche Rollenspielautoren Artefakte erdacht, um welche sich die verschiedensten Abenteuer gedreht haben. Entsprechend groß ist die folgende Auflistung und gleich über 200 Artefakte sind hier versammelt. Dabei wurden außerirdische Artefakte ebenso berücksichtigt wie jene Geräte oder Werkzeuge, welche von Menschenhand stammen.
Die schiere Materialfülle ist tatsächlich überwältigend, und die Fleißarbeit, welche die Autoren in diesen Band haben fließen lassen, ist wirklich beeindruckend. „Artefakte“ dürfte die mit Abstand kompletteste Sammlung cthuloider Apparaturen und Gerätschaften sein, die man als Fan im Moment in die Finger bekommen kann. Die Aufbereitung der einzelnen Einträge – die von wenigen Zeilen bis zu mehreren Seiten sehr unterschiedlich groß ausgefallen sind – ist dabei übersichtlich und so spieltischnah wie möglich gehalten. Wo Spielwerte benötigt werden, werden diese zumeist in Extrakästen dargestellt, etwaige Sonderregeln als einzelner Abschnitt im Fließtext. Damit findet man sich eigentlich recht gut zurecht.
Leider muss ich aber auch hier die Kritik wiederholen, welche ich bereits an „De Vermis Mysteriis“ anbringen musste: Durch die schiere Menge unterschiedlicher Artefakte stellt sich bereits nach wenigen Seiten eine gewisse Beliebigkeit ein. Auch hat die alphabetische Sortierung hier seine Tücken – eine Kategorisierung der Artefakte in beispielsweise „Waffen“, „Zauberzutaten“, „Werkzeuge“ oder ähnliches wäre in meinen Augen zielführender gewesen, um einem Spielleiter auf der Suche nach einem bestimmten Artefakt besser zu unterstützen. Zu guter Letzt ist der großen Masse unterschiedlichster Artefakte der Platz zum Opfer gefallen, der notwendig gewesen wäre, um diese Gegenstände auch inspirierend und möglicherweise gleich mit einer Abenteueridee versehen vorzustellen. So ergeht sich der Band zwar pflichterfüllend vollständig, aber wenig anregend, in einer langatmigen Aufzählung immer wieder ähnlicher Artefakte. Hier wäre weniger in meinen Augen mehr gewesen. So bleibt „Artefakte“ eher eine cthuloide Lesefibel, an deren Ende kaum ein Artefakt sonderlich im Gedächtnis geblieben ist – was wirklich schade ist, da viele der vorgestellten Gegenstände mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.
Optisch ist „Artefakte“ recht gut gelungen. Der Band erscheint als farbiges Hardcover mit Lesebändchen. Der Band ist spärlich, aber auf einem ordentlichen Niveau illustriert. Auch das Korrektorat und Lektorat haben eine ordentliche Arbeit geliefert – technisch ist einmal mehr alles in Ordnung.
Fazit: „Artefakte“ ist wohl die kompletteste Sammlung von Mythos-Gegenständen. Leider mangelt es dem Band an der notwendigen Tiefe, um die unterschiedlichen Artefakte auch als Abenteueraufhänger zu präsentieren. Die schiere Materialfülle macht zudem eine spieltischgerichtete Orientierung schwierig. Es bleibt ein interessantes Thema, in welches der geneigte Spielleiter aber noch reichlich Arbeit stecken müsste.
Artefakte
Quellenband
Julia Erdmann, Heiko Gill u. a.
Pegasus Press 2024
ISBN: 978-3-96928-119-2
156 S., Hardcover, deutsch
Preis: 29,95 EUR
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