Anachrony – Makel der Zukunft

Drei weitere Module sowie ein viertes Mini-Modul erweitern die Zeitreise-Spielewiese von „Anachrony“: In aufsteigender Komplexität sind das die „Neutronid-Gebäude“, „Quantenschleifen“, „Hypersync-Aktionen“ und die „Intrigen des Konzils“. Hier haben die Macher von „Anachrony“ weitere Kniffe realisiert, mit denen man bestehende Aspekte des Spiels weiter auskleidet. Diese Auskleidung ist so zeitreiselastig wie die keines weiteren Erweiterungspakets.

von LarsB

„Makel der Zukunft“ erweitert mit drei seiner Module den Zeitreiseaspekt. Wer sagt denn auch schon, dass man nur Rohstoffe und durstige Mitarbeiter durch die Zeit schicken kann? „Makel der Zukunft“ schickt ganze Hauptstadtaktionen zurück oder Sonderfähigkeiten und Boni dank der Quantenschleifentechnologie. Der Bau von Kraftwerken lohnt sich dank Neutronid nun auch wirtschaftlich. Das größte Modul beschäftigt sich allerdings mit einem vollkommen anderen Aspekt: der Endwertung. Wem die schnöden Endwertungskarten nicht genügen, findet im intriganten Konzil neue Selbstverwirklichungsmöglichkeiten.

Ein Makel dieser Erweiterung ist bereits offenkundig, bevor man die Schachtel überhaupt öffnet. Das Schachtelformat entspricht nicht dem Format der anderen Erweiterungen (die Miniaturen mal ausgenommen). Das ist einfach nicht harmonisch im Spieleregal. Neben zwei Spielbrettern findet man eine plättchenlastige Erweiterung, garniert mit ein paar Karten. Komponentenseitig ist es die kleinste Erweiterungsbox von „Anachrony“. Qualität und Illustrationen sind aber auch hier – wen wundert es – auf sehr gutem Niveau. Alle Module können jeweils in eine separate Plastiktüte einsortiert werden und dann „bei Bedarf“ dem Grundspiel schnell hinzugefügt werden. Zum Preis sei gesagt, dass es sich hier um die günstigste Erweiterung von „Anachrony“ handelt, mit einer UVP von 32 Euro.

Das Modul „Neutronid-Gebäude“

Ein denkbar kleines Modul stellt „Neutronid-Gebäude“ dar. Es besteht aus vier neuen Gebäudeplättchen – einem für jede Art. Allen Neutronid-Gebäuden ist gemein, dass sich die Fähigkeit des Gebäudes mit jedem bereits gebautem Kraftwerk verstärkt: mehr Siegpunkte, mehr Rohstoffe, mehr Wasser, mehr Zusatzaktionen. Diese Erweiterung gibt den Zeitreisekraftwerken nochmal etwas mehr Bedeutung und balanciert das Spiel damit etwas. Diese vier Plättchen verbleiben in meinem Grundspiel. Für mich gibt es keinen Grund, sie wieder auszusortieren.

Das Modul „Quantenschleifen“

Ein neues Superprojekt lacht uns in diesem Modul an. Es macht das Nutzen von Quantenschleifen nochmal besser. Doch was sind denn eigentlich die Quantenschleifen? Quantenschleifen sind zunächst Karten, acht an der Zahl. Drei dieser Karten liegen pro Partie in einer Auslage. Auf die Auslage kann man in der Warp-Phase zugreifen. Dafür wird jedem Pfad das neue und besondere Quantenwarp-Plättchen bereitgestellt, mit dem diese Karten erworben werden können. Die Einmal-Aktionen und -Boni auf den Quantenschleifen-Karten können je nach Spielsituation „meh“ bis „oh Gott, das rettet mir jetzt echt den Hintern“ sein. Warp-Plättchen-untypisch lassen sich diese aber nicht wieder so einfach aus dem Zeitstrahl entfernen. Der Kartenaufdruck zeigt uns den (einzigen) Weg, wie die Plättchen im Rahmen einer Zeitreise wieder den Weg in unseren Vorrat finden. Und das kann aufwendig für uns sein. Entfernt man das Quantenwarp-Plättchen, gibt man auch die Quantenschleifen-Karte wieder zurück. Damit vergrößert man die Auslage (es liegen ja immer mindestens drei Karten aus) und damit die Auswahl auch für die anderen Spieler.

Die Quantenschleifen-Karten sind nicht pauschal hilfreich. Sie müssen zur Spielsituation passen. Das macht den Zugriff auf die Karten zu einer interessanten Entscheidung – auch weil der Spieler durchaus im Blick haben muss, ob und wann eine Quantenschleifen-Karte vielleicht für einen Mitspieler erwarpenswert ist. Zwei Beispiele: (1) Ich zahle zwei Wasser und eine Moral, um drei unterschiedliche Arbeiter erhalten zu dürfen. Ich muss dann auf der Zeitreise einen Gen-Durchbruch abwerfen, um das Quantenwarp-Plättchen wieder loszuwerden. Wenn ich also nicht verdammt dringend Arbeiter brauche, ist die Quantenschleife einfach zu teuer. (2) Ich darf fünf (!) Karten vom Superprojektstapel neben dem Spiel anschauen und mir eine aussuchen. Solange ich die Quantenschleifenkarte besitze, habe ich die Gelegenheit, mit einer Bauaktion dieses Projekt mit etwas Titanrabatt exklusiv zu bauen. Cool, aber am Ende kostet mich dieses Superprojekt ein zusätzliches, passendes Durchbruchplättchen – und womöglich auch Anomalien wegen des ausliegenden Warp-Plättchens. Soll ich diese Mehrkosten eingehen, ohne zu wissen, wie sich die Superprojekt-Auswahl darstellen wird? Ein passendes Superprojekt würde die Mühe absolut wert sein.

Das Modul Quantenschleifen hat jede Partie seine eigene Dynamik. Manchmal sind die Effekte wirklich passend und dann werden die Quantenschleifen rege nachgefragt. Ab und zu bleiben die Qunatenschleifen-Karten aber wie Blei in den Regalen liegen.

Das Modul „Hypersync-Aktionen“

Willkommen beim Aktionen-Warpen. Eine zusätzliche exklusive Bauaktion? Kein Problem. Nochmal rekrutieren oder forschen? Bring it on!

Ein zusätzliches Spielbrett gibt uns schnell Aufschluss, wie wir die in der Aktionsphase in die Zeitleiste platzierten Hypersync-Plättchen wieder loswerden können: Wir verwenden eine Exosuit-Aktion. Und nur so funktioniert es. Wir zahlen die Aktion also wieder mit einer Exosuit-Aktion zurück und bekommen als Sahnehäubchen noch zwei Siegpunkte on top. Nach dem Einschlag lohnt sich der Rücktausch der Hypersync-Plättchen allerdings mehr, weil die Einsetz-Hexagone mit Superladungsplättchen aufgewertet werden. Die Hypersync-Plättchen zählen für das Anomaliengewürfel in Phase 2 nur dann, wenn im Zeitalter auch noch Warp-Plättchen liegen. Das Abwarten bis zum Einschlag wird damit umso interessanter. Gerade mit mehreren Spielern geht diese Last-Minute-Mentalität aber nicht bei allen auf. Schmerzliche vier Punktabzüge ereilen den Spieler für jedes nicht zurückgetauschte Hypersync-Plättchen. Sollte man da nicht doch eher früher als später mit der Pfandrückgabe starten? Damit würde man dann auch den eigenen Handlungsspielraum wieder vergrößern. Die Hypersync-Plättchen sind vortrefflich recyclebar.

Die Hypersync-Plättchen geben uns zusätzliche Flexibilität für die Hauptstadtaktionen. Es kann sehr wertvoll sein, um etwa nochmal eine Bauaktion zu erhalten, auch wenn alle Bauaktionsplätze schon belegt sind. Insofern erweitert das Modul „Hypersync-Aktionen“ die Möglichkeiten. Und es erhöht den Zeitreisebedarf. So müssen nicht nur Warp-Plättchen zurückgebeamt werden, sondern auch die Aktionsplättchen. Damit blühen die Zeitreisekraftwerke weiter auf und das Zeitreisebüro freut sich. Für mich ist das Modul eines der ersten, mit denen ich das Grundspiel erweitern würde, weil es einfach in der Mechanik ist, dem Spieler Möglichkeiten eröffnet und zeitlich den interessanten „viel bessere Rendite bei Rückzahlung nach Einschlag-Aspekt“ hineinbringt.

Das Modul „Intrigen des Konzils“

Gewichtsmäßig liegt hier der Schwerpunkt dieser Erweiterung. Das kann in beide Richtungen verstanden werden: Mit 57 Plättchen, 45 Karten, vier neuen Gebäuden, einem Superprojekt und dem größten Spielplan dieser Erweiterung bringt das Modul mehr auf die Waage als alle anderen Module zusammen. Und auch spielerisch haben wir hier das komplexeste Modul.

Auf dem Konzil-Spielbrett sind drei neue Aktionen für unsere beexosuiteten Arbeiter zu finden. Außerdem sind dort fünf verschiedene Zwillingsfelder für Endwertungs-Plättchen, sogenannte Agenda-Plättchen zu finden. Grundsätzlich werden die Endwertungskarten aus dem Grundspiel mit diesem Modul ersetzt. Stattdessen bauen wir uns die Endwertungsbedingungen gemeinsam zusammen. Auf dem linken Teil eines Zwillingsfeld platzieren wir ein Aufgabenplättchen und auf dem rechten Teil ein Wertplättchen. So kann es etwa zu den Kombinationen „7 Siegpunkte für die meisten Arbeiter“ oder „-2 Siegpunkte für die höchste Moral“ kommen. Hier werden grundsätzlich alle Erweiterungsmodule mit entsprechenden Aufgabenplättchen inklusive „Risse der Zeit“ adressiert.

Der Hauptmechanismus, die Agenda-Plättchen zu platzieren, wird aber über die neuen Missionskarten dargestellt. In jeder Spielrunde sucht sich jeder Spieler aus zwei zufällig gezogenen Karten seines Missionskartendecks eine Karte aus. Diese Karten geben dem Spieler die Aktionen vor, die in dieser Runde belohnt werden. Werden alle drei vorgegebenen Aktionen erfüllt, gibt es gleich zwei Belohnungen, bei zwei immerhin noch eine Belohnung. Bei schlechterer Performance verliert der Spieler einen Siegpunktchip und verbleibt ohne Belohnung. Neben kartenindividuellen Belohnungen darf der Befolger der Missionskarte außerdem Agenda-Plättchen auf den Zwillingsfeldern platzieren. Dabei dürfen Plättchen für einen kleinen Extrapreis auch überschrieben werden, wenn sie noch nicht eingeloggt worden sind. Das ist erst der Fall, wenn das Aufgaben- und das Wert-Plättchen zueinander passende Symbole abgedruckt haben. Grundsätzlich gibt es für das Platzieren von Agenda-Plättchen eine kleine Anerkennungsprämie, etwa in Form von Wasser oder Energiekernen.

Agenda-Plättchen haben neben den Endwertungs-Klimbim noch eine andere Funktion. Dank Aktionsplättchen kann man mittels freier Aktionen auf den Agendabonus-Karten ein Agenda-Plättchen abgeben. Da darf das Superprojekt auch mal neben die Spieltafel und/oder mit Rabatt gebaut werden, Arbeiter werden aufgeweckt oder Missionskartenboni getriggert.

Das Konzil-Spielbrett wird nach dem Einschlag analog zum Hauptspielplan mit Kollaps-Plättchen versehen, die eine letzte und verbesserte Aktion auf jedem Hexfeld erlaubt.

Das Modul „Intrigen des Konzils“ verändert „Anachrony“ von allen Modulen dieser Erweiterung am meisten. Das Zusammenstellen der Endwertungsbedingungen hat Freude bereitet. Insbesondere die Timing-Aspekte sind hier wichtig. Zuerst ein 7-Punkte-Wertplättchen hinzulegen und dann die Mitspieler eine Aufgabe zuordnen lassen, ist sicherlich eine schlechte Idee. Das Einloggen der Wertungskombination zum richtigen Zeitpunkt ist Trumpf. Macht man das zu früh, ergeben sich für die Mitspieler zu viele Möglichkeiten, die Wertung im eigenen Sinne erfolgreich zu gestalten. Andersherum ist es sehr befriedigend, eine nicht eingeloggte Endwertung zu kapern: „Die Mehrheit an Superprojekten ist nun 0 Punkte wert und nicht mehr 7 Punkte, Du Superprojekt-Streber! Ach, und nebenher ist die Bedingung nun auch eingeloggt. Ha!“ Ganz ohne Glück kommt man hier nicht aus. Es kann frustrieren, beim Ziehen nicht die richtigen Wert- oder Aufgaben-Plättchen an Land zu kriegen, um solche „Ha!“-Züge zu machen.

Im 2-Personen-Spiel hat sich die Arbeit an den Endwertungsbedingungen nicht so dynamisch angefühlt. Da bleiben dann wohlmöglich sogar einige Felder ganz frei. Das macht die „Intrigen des Konzils“ zu einer Erweiterung, die ich erst ab drei Spielern wirklich empfehlen würde.

Die Missionskarten fühlen sich manchmal gut an, manchmal passen sie einem wirklich gar nicht in die eigene Agenda. Mit diesem Zufallselement muss der Spieler umgehen. Das kann sich schon mal ungerecht anfühlen, aber am Ende entscheidet das selten alleinig über Sieg und Niederlage.

Die Agendabonus-Karten erweitern den Handlungsspielraum. Das Bauen von Superprojekten wird hierdurch einfacher. Sie nehmen eben keinen Platz neben dem Spielplan weg. Dadurch fühlt sich der Superprojektbau besser an. Man gibt nicht gleich Bauplätze und Möglichkeiten für Gebäude auf.

„Intrigen des Konzils“ erweitert die Interaktivität von „Anachrony“ auf die Schlusswertung. Wer mit dem Zufallsfaktoren Missionskarten und Agenda-Plättchen leben kann, erhält im Spiel mit mindestens drei Spielern eine sehr interessante neue „Anachrony“-Geschmacksrichtung mit Hang zur Superprojekt-Eskalation.  

Fazit: „Anachrony – Makel der Zukunft“ beinhaltet vier Module, die unter den Überschriften „Zeitreisen“ und „Endwertung“ zusammengefasst werden können. Zeitreisen bekommen durch Nutzung dieser Module eine stärkere Gewichtung. Wer auch den Eindruck hat, dass gelbe Gebäude eine höhere Wichtigkeit vertragen können, der ist hier gelbgoldrichtig. Die „Intrigen des Konzils“ darf als ein großes und interaktives Modul gelten, welches seine Stärken mit einer Mindestbesetzung von drei konkurrierenden Pfaden ausspielt. Ein bisschen mehr Glücksfaktor darf den Zeitreisefreund dabei nicht abschrecken. Die Zielgruppe dieser Erweiterung kann sorgenfrei „zuschlagen“. Das Grundspiel wird mit jedem Modul dieser „Budget“-Erweiterung bereichert. Schachtelformat-Harmonie-Fetischisten müssen tief durchatmen.

Anachrony – Makel der Zukunft
Brettspiel-Erweiterung für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
David Turzi, Viktor Peter, Richard Amann
Skellig Games 2024
EAN: 0099451119553
Sprache: Deutsch
Preis: 32,00 EUR

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