Anachrony – Zeitlose Erweiterungen

Drei Module bringen frischen Wind in das „Anachrony“-Universum: „Zeitenwende“, „Pioniere der neuen Erde“ und „Wächter des Konzils“ sind Module, die die Spielerfahrung von „Anachrony“ auffrischen sollen. Wir haben keine Zeitreise gescheut, um zu schauen, für wen diese Erweiterung das Richtige ist.

von LarsB

Eigentlich ist „Zeitlose Erweiterungen“ keine nachträglich an das Spiel angeflanschte Erweiterung. Das Modul „Zeitenwende“ war schon in der Grundbox der Kickstarter-Kampagne von „Anachrony“ enthalten. Mit dem nächsthöheren Pledge-Level waren dann neben den Miniaturen auch die Module „Pioniere der neuen Erde“ und „Wächter des Konzils“ inkludiert.

Das Wesen von Modulen ist, dass man sie einzeln oder auch zu mehreren zum Grundspiel hinzufügen kann. Mit unterschiedlichen Modulen und deren Kombinationen kann man folglich immer wieder ein neuen Spielgefühl erzeugen. Das „Zeitenwende“-Modul und die „Pioniere der neuen Erde“ sollte man allerdings nicht kombinieren. So steht es schon in der Anleitung geschrieben. Diese ist übrigens wieder sehr gut gegliedert und übersetzt. Im Anhang findet man sehr übersichtlich Erläuterungen zu allen Karten.

Das Modul „Zeitenwende“

Hier wird ein Haufen Verantwortung zusätzlich übertragen. Wir können als Pfad den Zeitpunkt des Meteoriteneinschlags beeinflussen. Das mit dem „An einem Strang ziehen“ klappt aber auch hier wieder nicht. Zwei Pfade wirken auf ein Vorziehen des Einschlags hin, zwei Pfade möchten den Einschlag verzögern oder vielleicht sogar verhindern.

Auf dem Untergangsspielbrett findet man die neue Aktion „Experimentieren“ vor. Experimente werden den einzelnen Zeitlinienfeldern zugeordnet, genauso wie die Superprojekte. Jedes Experiment (die Box beinhaltet eine 10-Karten-Mini-Erweiterung für mehr Experimentier-Abwechslung) hat Bedingungen, die erfüllt sein müssen (etwa bestimmte Durchbruchplättchen) und Kosten, die für eine Durchführung des Experiments zu entrichten sind. Endlich bekommen die sonst blassen Durchbruchplättchen eine neue Funktion! Für ein durchgeführtes Experiment erhält der Spieler Siegpunkte und darf auf dem Untergangspielbrett an die Turn Tables: Die Eintrittswahrscheinlichkeit für das Verschieben des Einschlagszeitpunkts kann auf zwei entgegengesetzten Leisten verändert werden. Der „Erde retten“-Marker und der „Schicksal besiegeln“-Maker werden von jeweils zwei Pfaden vorangesetzt. In der abschließenden Rundenphase 6 werden dann zwei Flugbahnwürfel geworfen. Die Anzahl an erwürfelten Pluszeichen und Minuszeichen sowie der erreichten Plus- und Minuszeichen auf den oben beschriebenen Leisten sorgt für ein Vorziehen oder ein Nachhintenschieben des Einschlagfeldes. Je nach Pfad gibt es beim Verschieben mal für die ersten, mal für die letzten Felder der Leisten Punkte.

Die Experimentkarten selbst haben in unseren Runden keinen großen Aufforderungscharakter verströmt. Die Belohnung sind am Ende die Siegpunkte des Experiments (zwei oder drei) sowie eventuelle Siegpunkte beim Verschieben des „Erde retten“- oder des „Schicksal besiegeln“-Markers. Manchmal bieten die Experimente ein gutes Preis-Siegpunkte-Verhältnis. Aber deswegen in ein anderes Zeitalter zu reisen? Hmmm. Eher nicht. Die Weltuntergangszeitpunkt lässt sich zwar schon statistisch durch den Stand der Marker beeinflussen. Da die Würfel aber einen immer noch großen Einfluss haben, wäre es eine sehr riskante Strategie, auf einen frühen oder späten Meteoriteneinschlag zu spielen. Extrem-Strategien, in denen man das Erreichen des Pfadendes anstrebt, sind nur abgestimmt mit dem Partnerpfad sinnvoll – und damit nicht im Zweispieler Spiel. Zu dritt ist die Balance auf den Tracks schlecht: Zwei Pfade wollen den frühen Zeitpunkt und nur ein Pfad den späten Zeitpunkt – oder vice versa.

Aus meiner Sicht ist „Zeitenwende“ das schwächste Modul aus der Erweiterung. Die Abenteuerkarten werden schnell mal links liegen gelassen. Der Einfluss auf die Verschiebung des Einschlagzeitpunkts ist zu sehr dem Zufall überlassen.

Das Modul „Pioniere der neuen Erde“

Es ist doch noch mehr da draußen! Während wir vorher dachten, dass wir nur in den Überresten der Hauptstadt per Exosuits nach allerlei Hilfreichem suchen könnten, haben wir nun die Erkenntnis, dass Unterstützung an Orten wie dem Geheimtunnel, den Stämmen des Hinterlands oder dem verwüsteten Trägerschiff förmlich auf uns wartet. Die Standardversion unserer Exosuits ist dafür aber nicht geeignet. In der eigenen Exosuit-Werkstatt kann man fortan daran arbeiten, die Suits robuster zu machen. Das kostet zwar die Arbeitskraft eines Ingenieurs und einen Rohstoff, schafft aber die Voraussetzung für die Abenteuer. Und die sind ungewiss. Man kann sich zwar entscheiden, ob man draußen eine kleine oder eine große Runde drehen möchte. Wie anspruchsvoll das Abenteuer aber genau sein wird, weiß man erst, wenn man auf dem Weg ist. Der frühe Abenteurer erhält einen Stärkebonus, der späte Abenteurer einen Malus. Das macht im Delta bis zu 5 Stärkepunkte aus. Willkommen neues Timing Dilemma!

Die Stärke des Exosuits ergibt sich dann aus einem Würfelwurf. Das ist ein echter Spannungsmoment. Je nachdem, ob das Abenteuer geschafft worden ist oder nicht, bekommt man eine andere Belohnung. Man geht also auch bei Misserfolg nicht ganz leer aus, aber es fühlt sich bestenfalls nach einem Trostpreis an.

Das Risiko kann der Spieler durch den Einsatz von Forschungsdurchbrüchen verkleinern. Je mehr Durchbruchplättchen unterschiedlicher Form in der Werkstatt platziert wurden, desto mehr Abenteuerkarten dürfen gezogen werden. Der Einsatz der Durchbruchplättchen an dieser Stelle wertet diese sehr auf. Dazu gibt es für das Ausgeben dieser Plättchen in der Werkstatt entweder weitere Siegpunkte oder einen weiteren Stärkeboost. Jetzt haben die Durchbruchplättchen neben dem Bau von Superprojekten einen coolen Sinn.

Auf einer Karte ist die Grundgesamtheit der erforderlichen Stärke aller Abenteuerkarten aufgeführt. Das ist sinnvoll und macht die Entscheidungen rund um die Abenteuerei taktischer. Natürlich kann hier Würfelpech frustrieren. Aber man muss dem Spiel zu gute halten, dass der Würfelwurf an dieser Stelle thematisch einfach passt.

Das Modul „Pioniere der neuen Erde“ ist aus meiner Sicht ein echter Mehrwert. Die Durchbruchplättchen erhalten hier einen richtigen Sinn. Das Ausbauen des Exosuits ist cool. Das Timing der Abenteuerreisen ist ebenso spannend wie die Frage „Mach ich eine kleine Runde oder stürze ich mich in ein anspruchsvolles Abenteuer?“ Es ist nicht gut zu steuern, was man bekommt. Aber die Belohnung eines erfolgreichen Abenteuers ist oft sehr befriedigend.

Das Modul „Wächter des Konzils“

Per Zeitspalt hat man uns aus der kaputten Zukunft netterweise ferngesteuerte Mechs, sogenannte Wächter, in unsere Zeit geschickt. Die sehen cool aus und haben aus unerklärlichen Gründen einen Fahrerschlitz. Ein Designfehler der Ingenieure aus der Zukunft? Macht nichts. Bleibt er eben leer, der Fahrerschlitz.

Auf dem Hauptspielplan werden die beiden „Notfelder“ Weltkonzil aufgewertet. Nutzt man diese, darf man zusätzlich einen der neuen Mechs erwerben. Die Kosten dafür sind sehr unterschiedlich. Mal Neutronium, mal Wasser, mal muss ein Mensch geopfert werden. Wer viele Menschen und wenig Wasser hat, hat also eine faire Entscheidungsoption. Die Mechs sind genauso zu behandeln wie die Exosuits – mit einem Genie bestückt. Der Spieler hat nun also potenziell mehr Aktionsmöglichkeiten auf den Spielbrettern, die die Welt bedeuten. Und er hat mehr Flexibilität erhalten. Jedem Wächter steht ein exklusives Einsetzfeld bereit, das für geringe Wasserkosten eine der drei Haupthauptstadtaktionen (was für ein schönes Wort) durchführen lässt.

„Wächter des Konzils“ wertet die Weltkonzil-Aktionen auf und stellt den Spieler, der in Mechs investiert, etwas krisensicherer und flexibler auf und erweitert den taktischen Spielraum etwas. Dieses Erweiterungsmodul hat trotz der Wächtermechs den geringsten Impact auf das eigentliche Grundspiel. Es stört nicht und es macht nichts falsch. Es sorgt aber eben auch nicht für große Emotionen. Wenn die passende Wächter-Miniaturen Endwertungskarte ins Spiel kommt, werden die Wächter-Mechs noch ein kleines Stück interessanter.

Fazit: „Anachrony – Zeitlose Erweiterungen“ gibt uns drei Module an die Hand, die wir aber nicht ganz frei kombinieren sollten. Allein für das wirklich starke Modul „Pioniere der neuen Erde“ lohnt sich die Erweiterung. „Wächter des Konzils“ kann man eigentlich immer hinzufügen – ohne dass es stört. „Zeitenwende“ hat trotz der 10-Karten-Minierweiterung keinen richtig überzeugenden Eindruck hinterlassen. In vollbesetzter Spielerrunde kann das Modul aber durchaus mal eine Abwechslung darstellen. Das Grundspiel wird mit jedem dieser Module interessanter und vielschichtiger. Die relativ blassen Durchbruchplättchen erfahren mit „Pioniere der neuen Erde“ eine sehr interessante neue Funktion. Auch „Zeitenwende“ vermag das ein Stück weit zu tun. Das Grundspiel würde ich nur noch in Anfängerrunden ohne ein Modul auf den Tisch bringen.

Anachrony – Zeitlose Erweiterungen
Brettspiel-Erweiterung für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
David Turzi
Skellig Games 2024
EAN: 0099451119492
Sprache: Deutsch
Preis: 49,00 EUR

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