Am Abgrund der Unendlichkeit

Eine fremdartige Bedrohung erscheint aus einem unerforschten Bereich jenseits der Galaxis und verschlingt komplette Sterne und Gasriesen. Dadurch steht die Existenz gleich mehrerer Völker auf dem Spiel. Nur eine schnelle und vor allem effektiven Zusammenarbeit des Weltenbundes birgt Hoffnung.

von Shadow

Jenseits des galaktischen Domenaions gibt es noch unbekannte Bereiche, dazu gehört unter anderem ein Abgrund zwischen den Sternen, der schon seit einiger Zeit erforscht wird. Eines Tages erscheint aus jenem Abgrund eine fremdartige Bedrohung, die ganze Sterne und Gasriesen verschlingt. Glücklicherweise sind die zahlreichen Weltraumbewohner trotz ihrer sehr unterschiedlichen Spezies gut miteinander vernetzt, wodurch eine schnelle Zusammenarbeit zustande kommt. Doch selbst ihr stärkstes Schiff, die „Lichtbringer“, ist solch einer Bedrohung nicht gewachsen. Außergewöhnliche und vor allem gefährliche Pläne nehmen daraufhin Gestalt an. Schon bald ist man bereit, ganze Völker zu opfern, weil diese Option sich immer noch als kleinstes Übel herauszustellen scheint.

In diesem Roman begegnet man zahlreichen, vielfältigen humanoiden Spezies, die eine Möglichkeit gefunden haben, in Harmonie zusammenzuleben – unter anderem als bunt gemischte Besatzung eines Raumschiffes. Bei den Silphi handelt es sich Insektenwesen, die selbst dann im Plural sprechen, wenn sie alleine sind, weil sie als Schwarmwesen denken. Die eN’iX sind Androiden, die allerdings ein organisches Gehirn besitzen, was die spannende Frage aufwirft, wie groß bei ihnen der Anteil der künstlichen Intelligenz ist. Mit den Floryll lernt man eine humanoide Pflanze kennen, die ihren Wein gern auch mal mit den wurzelartigen Händen aufnehmen – dies sorgt für ein interessantes Kopfkino. Für Abwechslung sorgen auch die Orkanoiden, die gigantischen Quallen des Weltraums. Diese Beispiele stellen nur einen Teil der außergewöhnlichen Weltraumbewohner dar und zeigen deutlich, mit welchem Einfallsreichtum man hier rechnen kann.

Durch solche und weitere einfallsreiche Ideen wirkt die Welt erfreulich unverbraucht. Eine derart umfangreiche Welt braucht allerdings ihre Zeit, um sich zu entwickeln, und muss auch vom Leser erst einmal vollständig erfasst werden. Dies ist bei einem Roman von 365 Seiten eine Herausforderung. Bereits in den ersten Kapiteln begegnet man zahlreichen Charakteren verschiedener Spezies, was den Leser etwas überrumpelt. Trotzdem kommt innerhalb kurzer Zeit bereits Spannung auf, da die Handlung zügig und gezielt voranschreitet. Einerseits ist es angenehm, dass auf eine langatmige Beschreibung all der Charaktere und deren Herkunft verzichtet wurde, andererseits fällt dadurch der Einstieg etwas schwer. Die Erläuterung zu den Spezies erfolgt nach und nach und meist nebenbei, was dazu führt, dass man teilweise selbst im letzten Drittel des Romans ein innerlich erschaffenes Bild noch korrigieren muss. Auch mit den zahlreichen, teils außergewöhnlichen Namen hat man es zunächst nicht leicht. Hinzu kommt, dass die Charaktere gelegentlich nur mit dem Nachnamen angesprochen werden und von anderen beim Vornamen genannt werden – was inhaltlich zwar sinnvoll ist, aber für Verwirrung sorgen kann.

Hat man die Startschwierigkeiten überwunden, erhält man allerdings eine packende Handlung mit erfreulich großem Einfallsreichtum und Tiefgang. Mehrere zunächst voneinander getrennte Handlungsstränge werden geschickt miteinander verwoben. Es ist spannend, mehr über diese befremdliche Bedrohung herauszufinden, und es macht Spaß, das Universum immer besser kennenzulernen. Die Charaktere sorgen mit ihren verschiedenen Persönlichkeiten für Abwechslung und die Bedrohung hat so manch eine Überraschung parat. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass das Zusammenleben der unterschiedlichen Spezies nicht immer so harmonisch verläuft, wie es zunächst scheint. Im Hintergrund werden heimlich Intrigen gesponnen. Zwar mag für die Bekämpfung der aktuellen Bedrohung eine Zusammenarbeit aller von Vorteil sein, doch was danach folgt, bleibt eine interessante Frage.

Sobald die Pflanzenwesen, die Floryll, ihren Auftritt haben, trifft man übrigens auf eine sprachliche Besonderheit. Sätze wie „Dier Floryll ließ frustriert seihre Blätter rascheln“ lassen den Leser zunächst einmal etwas verdutzt zurück. Bei den Floryll handelt es sich um Zwitter, was zur außergewöhnlichen Frage führt, welche Personalpronomen in solch einem Fall verwendet werden. In diesem Roman erhält man eine mögliche Antwort. Zunächst sind derartige Formulierungen ungewohnt. Hat man sich daran aber erst einmal gewöhnt, verleiht es den Floryll ihren ganz eigenen Charme.

Bei „Am Abgrund der Unendlichkeit“ handelt es sich um einen Einzel-Roman mit einer abgeschlossenen Handlung. Bei solch einer komplexen Welt ist es schon etwas schade, ist man doch gerade erst richtig mit ihr warm geworden. Falls es doch eine Fortsetzung geben sollte, ist jedenfalls reichlich Potenzial vorhanden.

Fazit: Der Einstieg in die Handlung verläuft zwar zunächst einmal etwas mühsam, doch das Weiterlesen lohnt sich. Eine vielfältige Welt mit einer tiefgehenden und zugleich spannenden Handlung wartet darauf, erkundet zu werden. Ist man erst einmal angekommen, möchte man das Buch am liebsten nicht mehr zur Seite legen.

Am Abgrund der Unendlichkeit
Science-Fiction-Roman
Bernd Perplies
Bastei Lübbe 2019
ISBN: 978-3-404-20875-3
365 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 10,00

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