Almanach der Artefakte

Artefakte. Das sind nicht nur einfach magische Gegenstände, die ein wenig stärker und ein wenig seltener als das typische „Schwert +1“ sind. Artefakte sind mächtige Werkzeuge, so mächtig, dass ihnen nun ein eigener „Almanach“ gewidmet wurde. Aber bringt das Buch tatsächlich spielerischen Mehrwert, oder werden sich die Artefakte als zu unausgewogen erweisen? Riskieren wir einen Blick.

von André Frenzer

Eröffnet wird dieser „Almanach“ mit einem höchst amüsant zu lesenden Brief eines Kurators, der tief in die Lagerkammern seines Museums hinabsteigt, um die dort lagernden Artefakte zu klassifizieren. Dabei kommt er einigen Fehldeutungen seiner Vorgänger auf die Schliche und leitet so gleich in das erste Kapitel des „Almanachs“ über. Dieses widmet sich der Verwendung der schier übermächtigen Artefakte in einer „Pathfinder“-Kampagne. Dabei wird unmissverständlich klargestellt, dass die meisten der hier vorgestellten Artefakte der Spielbalance eher abträglich sein werden. Ihr Daseinszweck ist es, Kern einer epischen Kampagne zu sein, Schicksale zu entscheiden und die Geschicke der Welt zu verändern und nicht als einfache magische Waffe in den Händen einer Heldengruppe überproportionalen Schaden anzurichten.

Weitere Aspekte der Einleitung beschäftigen sich mit der Identifizierung der Möglichkeiten eines Artefakts, denn diese mächtigen Gegenstände geben ihre Geheimnisse oft nicht ohne weiteres preis. So kann bereits die Informationsbeschaffung, welcher Art das Artefakt ist, das die Gruppe geborgen hat, spielabendfüllende Abenteuer bereithalten. Außerdem werden in diesem Kapitel noch einige Artefakte vorgestellt, die eher eine Auswirkung abseits des Spielgeschehens haben, sondern sich auf der Metaebene auswirken: Hat ein Mitspieler mal keine Zeit, um am Spieleabend teilzunehmen, so wird sein Charakter nicht zum gesichtslosen NSC, sondern wird aufgrund seiner „Schicksalsnarbe“ kurzzeitig auf eine andere Ebene teleportiert. Und ein „Telepathiesplitter“ mag eine gute Begründung für Gespräche am Spieltisch sein, die aufgrund des Charakterwissens eigentlich nicht stattfinden dürften.

Die nächsten beiden Kapitel aber gehen dann in die Vollen und stellen Artefakt um Artefakt vor. Sei es der „Apollyonring“, der alle mit einer Krankheit infiziert, die den Ringträger berühren. Gleichzeitig stellt er die einzige Heilmöglichkeit dar und bindet so alle Infizierten als Gefolgsleute an den Ringträger. Oder die „Flasche der Gebundenen“, die 666 gebundene Scheusale enthält, die sofort über alles und jeden herfallen, wenn man nicht die richtigen Worte beim Öffnen spricht. Oder auch die „Kakischon-Schriftrolle“, die eine ganze Welt in einer Taschendimension enthält, in der ein Krieg tobt, der von ihrem ersten Besitzer entfacht wurde.

Man merkt es meinen knappen Beschreibungen vielleicht an: Der „Almanach der Artefakte“ hat mich restlos begeistert. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es „Pathfinder“ nach gefühlten 100.000 Seiten voller Regeln und Hintergrundbeschreibungen gelingt, noch einmal so zu faszinieren. Jedes vorgestellte Artefakt strotzt nur so vor eingeflossener Kreativität. Jedes der hier versammelten Artefakte ist eine eigene Kampagne wert und mir sind selten beim Lesen eines Quellenbandes so viele Abenteuerideen entgegengesprudelt. Da ist es zu vernachlässigen, dass einige dieser Artefakte bereits bekannt sind und ihren Auftritt in dem einen oder anderen Abenteuerpfad bereits hatten; tatsächlich ist es vielmehr richtig, hier alle wichtigen Artefakte versammelt zu finden. Auch, dass die Regeln der Artefakte streckenweise geradezu hanebüchen sind, stört nicht weiter: Wie mehrfach gesagt dienen sie kaum als Werkzeug für die Spielgruppe, sondern als entscheidendes Spielelement. Anders ausgedrückt: Diese Artefakte helfen nicht beim Lösen eines Abenteuers, sie sind das Abenteuer.

Die Aufmachung folgt dem „Pathfinder“-üblichen Standard. Der „Almanach der Artefakte“ ist 64 Seiten stark, vollfarbig und reichhaltig bebildert. Nahezu jedem Artefakt wird eine Abbildung im typischen Stil spendiert. Regel- und Hintergrundelemente sind optisch klar voneinander getrennt und sorgen dafür, dass man sich rasch zurechtfindet. Auch Korrektorat und Lektorat sind gelungen. Auch technisch habe ich damit nichts zu meckern.

Fazit: Wer auf der Suche nach ungewöhnlichen Kampagnenideen rund um mächtige Artefakte ist, der wird hier unbedingt fündig. Damit ist dieser „Almanach“ auch für Spielleiter anderer Systeme auf jeden Fall einen Blick wert. Optisch hervorragend aufbereitet, hat mir dieser „Almanach“ viel Freude bereitet. Empfehlenswert für alle, die nicht einfach auf der Suche nach neuen magischen Werkzeugen sind.

Almanach der Artefakte
Quellenband
F. Wesley Schneider
Ulisses Spiele 2018
ISBN: 978-3957529657
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 19,95

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