Munchkin Dungeon

Wer Lust auf ein Spiel hat, bei dem man sich so richtig gegenseitig in die Pfanne hauen kann UND das noch eine Menge Miniaturen bietet UND außerdem noch hinreißend illustriert UND herrlich chaotisch ist, der kann sich JETZT freuen. Das Brettspiel „Munchkin Dungeon“ bietet alles zuvor Genannte in einem Spielkarton.

von Oliver Clemens

Karten, noch mehr Karten, scheinbar unzählbar viele Karten – das zeichnet das „Munchkin“-Universum aus. Dabei schafft es die Reihe unproblematisch, die entferntesten Winkel der Galaxis und blutrünstige Zombies thematisch zu vereinen. Bei „Munchkin Dungeon“ kehren wir zu den Ursprüngen zurück: Fantasy und monsterverseuchte Kellergewölbe. Dieses Mal gehen wir aber wirklich rein in den Dungeon, um alles umzuhauen, was sich uns auf dem Weg zum Endboss in den Weg stellt. Traditionell werden bei „Munchkin“ Karten aus der Hand auf den Tisch gespielt, nun warten drei Ebenen voller Gefahren auf einem Spielbrett auf uns, die erforscht und gesäubert werden wollen. Dabei dringen die Spieler mit ihren Miniaturen auf der Suche nach Ruhm und Schätzen Zug um Zug immer tiefer und tiefer in das unterirdische Reich ein.

Der Spielaufbau für eine Runde „Munchkin Dungeon“ nimmt etwa 5 Minuten Zeit in Anspruch. In der Mitte der 2 bis 5 Spieler liegt der großformatige quadratische Spielplan. Jeder Abenteurer wählt einen der fünf Heldenbögen. Dadurch werden sie zur Priesterin, Dieb, Kriegerin, Zauberer oder Zwerg– alle auf Stufe 1 natürlich, jedoch auch alle mit unterschiedlichen Spezialfähigkeiten im Kampf gegen die Gefahren des Gewölbes. So macht der Dieb seinem Namen alle Ehre und kann sich während Monsterbegegnungen an Goldmünzen bereichern, wogegen die Kriegerin gleich doppelt so hart zuhauen und die Priesterin wertvolle Herzen wieder herstellen kann. Im Verlauf des subterranen Abenteuers besteht sogar die bekannte Möglichkeit, zum Super-Munchkin zu werden und die Vorteile von zwei Klassen miteinander zu vereinen. Aber aufgepasst: Jeder Held spielt ausschließlich für sich! Abenteurerromantik und Harmonie sucht man im Dungeon vergeblich, typisch „Munchkin“.

Der Heldenbogen bietet Platz für alle Infos, die der ambitionierte Abenteurer braucht. Er zeigt die aktuelle Stufe und die Anzahl der Kampfwürfel und Lebenspunkte an. Außerdem geben Münzsymbole an, wie viel Geld benötigt wird, um im Verlauf des Spiels eine oder gleich mehrere Stufen aufzusteigen. Neue Stufen wirken sich positiv auf die Lebenspunkte und Schadenswürfel aus. Je erfolgreicher ein Held im Verlauf des Spiels wird, desto mehr Ruhmpunkte warten am Ende zusätzlich. Zwei Bereiche des Heldenbogens sind für jeweils eine Waffen und eine Rüstung reserviert. Zum Start liegt da natürlich noch nichts. Schätze müssen ja erst einmal im Dungeon gefunden oder erkämpft werden. Im Verlauf des Spiels hortet ein Held dann unterschiedlich viele Ausrüstungsgegenstände an. Besitzen kann er zwar uneingeschränkt viele Waffen und Rüstungen, aktiv kann jedoch jeweils immer eine davon auf dem Heldenbogen platziert sein. Restliche Ausrüstung verbleibt einfach auf der Hand und wird nach Bedarf und Situation ausgetauscht. Außerdem zeigt der Heldenbogen noch die Helden-Spezialfähigkeiten. Diese können im Kampf aktiviert werden, wenn die Würfel gnädig sind, und bieten individuelle klassenspezifische Vorteile.



Jetzt schnappt sich jeder Spieler seine Heldenminiatur mit farbiger Basis und stellt sie in den Eingangsbereich des Verlieses, einem Schädel mit aufgerissenem Maul und leuchtenden Augen auf Ebene 1. Dort ist die Welt noch in Ordnung. Als Startbonus erhält jeder eine Goldmünze und einen Trank. Dieser kann dazu verwendet werden, um zusätzliche Kampfwürfel einzusetzen. Und zu guter Letzt werden an jeden noch vier Bedrohungskarten ausgeteilt. Diese bleiben versteckt auf der Hand sorgen für die Extra-Portion Interaktion, denn sie stellen aktive Helden vor manch unlösbare Aufgabe bei dem Versuch, tiefer und weiter in das Verlies vorzudringen. Werden sie gespielt, aktivieren sich Effekte auf den Karten sofort. Jetzt müssen sich die Helden mit unangenehmen Ereignisse oder noch unangenehmeren Monster herumschlagen.

Zusammen entscheiden sich die Abenteurer für einen der beiden Bosse, der an der tiefsten Stelle des Dungeons warten wird. Zur Wahl stehen dabei zwei „Munchkin“-Allstars, nämlich der Bullrog oder der Plutoniumdrache. Deren Monsterkarten werden auf das Boss-Versteck auf dem Spielplan gelegt, oben drauf kommt dann die entsprechende Miniatur aus Kunststoff in Maxi-Format. Der Drache misst stattliche 12 Zentimeter, der Bullrog ist nur unwesentlich kleiner, und auch die anderen Monsterminiaturen überzeugen durch heftige Brettpräsenz. Und obwohl sie den Abenteurern fürchterliche Qualen bereiten werden, sehen sie so vertraut und liebevoll aus, wie man es von Illustrator John Kovalik gewohnt ist, der natürlich auch bei „Munchkin Dungeon“ mit seinem unverkennbaren Stil das Material illustriert hat.

Sind Abenteurer und Endboss bereit, füllt sich der Dungon mit Leben. Dazu werden auf die Monsterräume der verschiedenen Ebenen des Spielplans zufällig Karten gelegt und wieder die entsprechenden Miniaturen platziert. Dies sind nun die Wächter, an denen die Spieler auf dem Weg zum Endboss erst mal vorbeikommen müssen. Höflich Fragen geht nicht, Vorbeischleichen ist fast unmöglich, eine Begegnung läuft immer auf Prügel hinaus. Hat man Pech, wandern Harfie, Werschildkröte und Co sogar zielsicher auf die eigene Heldenfigur los, weil ein anderer Spieler sie heimtückisch mit seinen Bedrohungskarten aktiviert. Kommt es zur Begegnung auf demselben Feld, startet ein Kampf, der über Würfel abgewickelt wird.



Zwischen all den Gefahren warten aber auch leere Räume darauf, betreten werden zu können. Dort findet sich meist eine Belohnung in Form von Münzen und einem hilfreichen Effekt. Ein Dungeon wäre natürlich nichts ohne Schätze. Davon gibt es 60 in Kartenform. Diese werden gemischt und vier davon offen auf dem Spielbrett ausgelegt. Abenteurer entdecken etwa wertvolle Rüstungen oder Waffen, die für den weiteren Erfolg unverzichtbar sind. Bis an die Zähne bewaffnet mit einem Bogen mit bunten Bändern und mit einem Hühnerbrustpanzer oder dem Schild der Minderwertigkeitskomplexe geschützt, steigen natürlich die Chancen, dem Boss-Monster zu zeigen, wer hier das Sagen hat. Und auch die Dungeonmeister-Card kann nicht schaden, wenn im Kampf Grütze gewürfelt wurde.

Abseits des Spielbretts liegen noch Angriffswürfel und Marker für Münzen, Schaden, Tränke, Bedrohung und Schande. Schande? Ja genau, denn wenn ein Held alle seine Herzen im Kampf mit einem Monster verlieren sollte, bedeutet das zwar nicht das Ende, aber Gesichtsverlust. Der Held kehrt zum Dungeon-Eingang zurück und erhält einen der sechseckigen Schande-Marker mit Papiertüte und Augenlöchern. Jeder Marker subtrahiert zum Spielende einen Punkt vom Ruhm-O-Meter, der Siegpunktleiste mit ihren goldgelben Sternen. Das schreit nach Rache!

Eine Runde „Munchkin“ wird im Uhrzeigersinn gespielt. Der aktive Spieler bewegt sich vom Dungeon-Eingang aus durch die verschiedenen Räume und bleibt erst stehen, wenn er sich entweder dazu entscheidet oder auf einen anderen Helden oder ein Wächtermonster stößt. Jeder betretene Raum besitzt einen Effekt, der abgehandelt werden muss. Das kann vielleicht ein Trank als Belohnung sein, eine oder mehrere Goldmünzen, jedoch müssen für jeden Raum auch Bedrohungsmarker in einen Pool hinzugefügt werden, immer so viele, wie auf der Raumkarte angegeben ist. Je mehr Räume im Zug betreten werden, desto mehr Marker häufen sich also an. Das freut die anderen Mitspieler.



Bleibt der aktive Spieler nämlich stehen, geht der Ärger für ihn erst richtig los. Gegenspieler dürfen jetzt nacheinander jeweils eine Bedrohungskarte aus ihrer Hand ausspielen. Die Kosten der Karten werden aus dem Pool der eingezahlten Marker genommen. Jetzt hagelt in der Regel ein Mix aus negativen Effekten und zusätzlichen Monstern auf den aktiven Spieler nieder. Mehr Angriffswürfel für das Monster, Extra-Schande-Marker beim Verlieren, wandernde Monster aus den Nachbarräumen – der fiesen und kaltherzigen Kreativität der Gegner sind keine Grenzen gesetzt.

Wenn der Pool an Markern aufgebraucht ist oder die Mitspieler karten- oder ideenlos sind, muss der Kampf mit all seinen Details mit den sechsseitigen Würfeln abgehandelt werden. Der Held würfelt mit so vielen Angriffswürfeln, wie seine aktuelle Stufe und Ausrüstung erlaubt. Die Symbole sind eindeutig: Ein Schwert verursacht einen Schaden, ein Doppelschwert entsprechend zwei. Ein Schild blockt ein Schwertsymbol eines Monsters und verhindert somit den Verlust von Lebenspunkten. Mit Blitzen werden Spezialfähigkeiten der Klasse oder der Ausrüstungsgegenständen aktiviert. Besonderes Pech hat man, wenn eine Leerseite gewürfelt wird. Dann passiert einfach gar nichts. Wie gut, dass auch neu gewürfelt werden darf. Seinen Schaden verteilt der Held beliebig auf die Monster. Dumm nur: Alle Monster müssen in nur einer Würfelrunde besiegt werden.

Ein Mitspieler würfelt den Würfelpool aller Monster, die jetzt dem Helden an den Kragen wollen. Für sie gelten die gleichen Regeln und Symbole, inklusive Spezialfähigkeiten, wenn vorhanden. Für jeden Schaden, der jetzt nicht durch Schild abgewehrt werden kann, legt der Spieler einen Schadensmarker auf die Herzsymbole seines Heldenbogens. Sollten alle Herzen aufgebraucht sein, ist der Held besiegt und findet sich inklusive zusätzlichem Schande-Marker am Eingang zum Verlies wieder. Alle Ausrüstung bleibt jedoch erhalten, das Gold auch. Gelingt es dem Abenteurer jedoch, alle Feinde in einer einzigen Kampfrunde zu besiegen und den Raum zu sichern, warten auf ihn Schätze, Gold und Ruhm-Punkte. Jetzt können auch erbeutete Münzen in den Stufenaufstieg investiert werden.



Der Held, der als erstes die 20 Sterne auf dem Ruhm-O-Meter erreicht, läutet das Spielende ein. Jetzt werden zur aktuellen Position noch Ruhm durch Erfahrungsaufstieg und durch Schätze addiert und Schande-Marker wieder abgezogen. Wer jetzt den meisten Ruhm geerntet hat, ist Sieger. Alternativ endet das Spiel auch, wenn das Boss-Monster zum dritten Mal besiegt sein sollte. Das ganze dauert etwa 60 bis 90 Minuten, abhängig von der Spieleranzahl. Mehr Spieler bedeuten längere Spielzeit, dafür wird es natürlich enger und interaktiver im Verlies.

Die Schachtel ist randvoll mit hochwertigen Komponenten: fünf Heldenbögen, Spielplan, ausreichend bunte Marker aus dickem Karton für alle Zwecke, 148 Karten und eine geheime Extraschachtel. Dort drin stecken in einem Kunststoff-Inlay die 19 Miniaturen. Alle sind unbemalt und laden Hobby-Bemaler geradezu zum fröhlichen Pinselschwingen ein. Gehofft hätte ich auf mehr Kampfwürfel, damit die Monsterbegegnungen besser umgesetzt werden können. So muss man die Ergebnisse im Kopf behalten oder aufschreiben, bevor die Monster attackieren. Das ist ein bisschen umständlich, fast sogar nervig. Die doppelte Anzahl an Würfeln hätte das sicher entspannt. Die Spielanleitung besteht aus 12 Hochglanzseiten im DIN-A4-Format und erklärt im gewohnt humorvollen „Munchkin“-Stil die Regeln und Phasen des Spiels, inklusive bebilderten Beispielen zur Abhandlung der Kämpfe und Belohnungen. Eine kleine Errata-Karte komplettiert sie. Für meinen persönlichen Geschmack hätte es der Anleitung gut getan, auf ein wenig Humor zu verzichten, dafür mehr auf Klarheit zu setzen, sodass während des Spiels keine offenen Fragen bleiben.

Fazit: Wie aus „Munchkin“ gewohnt, zieht auch „Munchkin Dungeon“ alle bekannten Stereotypen des Fantasy-Genres durch den Kakao und sorgt mit seinen ironischen und sarkastischen Pointierungen für gute Laune – jetzt aber auf einem Spielbrett mit einer Menge an hochwertigen Komponenten. Das gab es schon mal mit „Munchkin Quest“, konnte aber damals nicht überzeugen. „Munchkin Dungeon“ macht da einiges besser, schlanker und übersichtlicher. Dient das Spiel zum Entspannen nach einem anstrengenden Tag? Sicher nicht. Dafür ist es erste Wahl, wenn man viel direkte Spielerinteraktion in einem einfachen Dungeon-Crawler-Ambiente mag.

Munchkin Dungeon
Brettspiel für 2 bis 5 Spieler ab 12 Jahren
Andrea Chiarvesio, Eric M. Lang
CMON/Asmodee 2020
EAN: 4015566601444
Sprache: deutsch
Preis: EUR 57,99

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