Arcadia Quest Inferno

Die Stadt Arcadia (wir kennen sie bereits aus dem Brettspiel „Arcadia Quest“) ist in Gefahr! Der Unterfürst – der früher mal Oberfürst war, bevor er von den Göttern in die Hölle verband wurde – droht sich von seinem Thron zu erheben, denn er ist schlichtweg schockiert darüber, welchen Schindluder die Menschen mit seiner einst schönen, von Regeln geordneten Welt treiben. Schluss mit Tanzen, Marodieren, Paraden und dem ganzen Unfug! Seine Rache (oder Standpauke) wird fürchterlich sein – wenn ihn nicht tapfere Helden aufhalten.

von Frank Stein

Ähnlich flapsig wie der obige Eingangstext liest sich auch die Einführung in das Brettspiel „Arcadia Quest Inferno“. Der nicht-so-wirklich kooperative Dungeon-Crawler ist in der Welt des Brettspiels „Arcadia Quest“ (CMON/Asmodee 2014) angesiedelt, funktioniert aber als völlig eigenständiges Spiel für 2 bis 4 Spieler ab 14 Jahren. Wie schon erwähnt, geht es im Wesentlichen darum, einen unleidigen Höllenfürsten davon abzuhalten, hinauf in die Welt der Menschen zu steigen. Dazu müssen die Spieler in einer Kampagne, die sich über 6 Szenarien zieht, bis in den untersten Höllenkreis hinabsteigen und dem Fiesling dort ein Ende bereiten. Dabei steuert jeder Spieler eine eigene, aus 3 Helden bestehende Gilde, die sich mit den Gilden der Mitspieler kurioserweise keineswegs grün ist, sondern diese auch bekämpft, während sich alle durch Horden aus Monstern mähen. Es kann schließlich nur einen Retter von Arcadia geben – oder so.

Die Höllenfahrt der Helden – was erstmal nach einem satten Horrorstoff klingt, einem „Doom“ ähnlich, ist in Wahrheit eine quietschbunte und fröhliche Chibi-Orgie. Helden und Schurken kommen als keine, knuddelige Plastikkerlchen daher, mit übergroßen Köpfen und übergroßer Pose. Zwar grinsen die Monster fies und auf dem modularen Spielplan findet man neben reichlich Lava und Kerkergewölben auch dämonische Fratzen im Boden und vereinzelte Gerippe. Aber das wirkt alles so heiter überdreht wie ein „Army of Darkness“-Cartoon. Beunruhigen dürfte das nur ganz junge Spieler, und die werden hiermit ja ohnehin nicht angesprochen.



Die Kampagne unterteilt sich, wie gesagt, in 6 Szenarien, wobei man als Spieler durchaus ein bisschen Auswahl hat. Im Ersten Kreis der Hölle kann man eine aus 2 Missionen wählen, danach geht es entweder in den westlichen oder östlichen Zweiten Kreis, wo jeweils 3 Szenarien zur Wahl stehen und 2 bewältigt werden wollen. Im Dritten Kreis müssen ebenfalls 2 von 3 Missionen gespielt werden und schließlich kommt es zum Showdown, der immer gleich aussieht. Mindestens 2 Kampagnendurchläufe sind also drin, bevor man fast alle Missionen einmal gespielt hat. Die vom ausliegenden Spielplan erzeugte Atmosphäre ist dabei zwar praktisch immer identisch – unterirdische Lava-Korridore halt – und auch die Aufgaben ähneln sich in den meisten Szenarien – töte Bossgegner beziehungsweise finde ein Questplättchen, das mal einen gefangenen Mitheld, mal ein Ticket für die Fähre über den Fluss der Toten darstellt –,  dennoch ist der Spielverlauf spannend, was vor allem dem Wettlauf und Wettstreit unter den Gilden geschuldet ist.

Aber einen Schritt zurück: Zu Beginn einer Kampagne wählt sich jeder Spieler eine Gilde aus und dann 3 Helden aus einem Pool von 12. Wow, 12 Helden, mag mancher denken. Das ist aber eine gute Auswahl. Nur bedingt. Bei 4 Spielern braucht man bereits jeden einzelnen Helden, und Backer des ursprünglichen Crowdfundings bei Kickstarter freuen sich obendrein über 27 exklusive Helden und einen ganzen Sack voll weiterer Bonusmaterialien, die Otto-Normalkäufer nicht zur Verfügung stehen (eine bekannte Unart von CMON bei seinen Crowdfunding-Kampagnen). Das braucht man natürlich nicht zwingend zum Spielen, aber für mehr Auswahl am Spieltisch sorgt es auf jeden Fall. Einen Schwung Startausrüstungskarten bekommen die Helden auch noch, dann wird Szenario 1 gemäß dem extra beiliegenden Kampagnenbuch aufgebaut.



In jedem Szenario gilt es, aus einer Auswahl an Questen 2 bis 3 (je nach Spielerzahl) zu bewältigen. Die Gilde, der das zuerst gelingt, geht als Sieger aus dem jeweiligen Szenario hervor und darf die Folgemission auswählen. Gespielt wird in Runden, die ziemlich  flott über die Bühne gehen. Jeder Spieler, der am Zug ist, hat die Wahl, entweder einen Helden zu aktivieren oder seine Gilde ruhen zu lassen. Aktiviert er einen Helden, kann sich dieser bewegen und angreifen. Zur Bewegung stehen 3 Bewegungspunkte zur Verfügung, für die man sich etwa 1 Feld weit bewegen, ein Teleportportal benutzen oder eine Tür öffnen kann. Will man dagegen angreifen, muss man eine Waffe deklarieren (und per Gildenplättchen „aufbrauchen“), deren Angriffswürfel man dann wirft. Monster können sich nur selten verteidigen, daher ist jeder Treffer meist direkt eine Wunde. Greift ein Held einen Helden an (Helden der Mitspieler umzubringen, gehört stets zu den ausliegenden Questen), darf dieser natürlich Verteidigungswürfel werfen. Helden sind also nicht ganz so leicht auszuschalten.

Die Bewohner der Hölle dagegen agieren in der Regel ziemlich dumm. So greifen sie von sich aus keine Helden an. Sie schlagen nur zurück beziehungsweise hauen in einer Wächter-Reaktion auf Helden, die arglos an ihnen vorbeispazieren.  Das mag zunächst wenig gefährlich klingen, aber zum einen sind die Höllenkorridore so eng, dass man kaum um Gegner herumschleichen kann. Außerdem treten die Fieslinge in ausreichend großer Zahl auf, um durchaus den ein oder anderen Helden ums Leben zu bringen. Was allerdings nicht sonderlich tragisch ist. In der Hölle wird man wiederbelebt, wenn man sich nur ordentlich ausruht (sprich: die Gilde ruhen lässt). Allerdings bringen einem Tode fürs jeweilige Folgeszenario hässliche Todesflüche ein, die einen Nachteil im Spiel bedeuten. Ganz sorglos sollten Helden daher nicht durch die Unterwelt spazieren.

Zwischen zwei Szenarien kommt es zur Entwicklungsphase, in der neben Todesflüchen vor allem neue Ausrüstung erworben werden kann. Das nötige Geld hat man sich zuvor durch Monster- und Heldenschnetzeln verdient. Stärkere Waffen sind wichtig, weil die Missionen von Höllenkreis zu Höllenkreis knackiger werden. Am Ende artet das Ganze in eine regelrechte Würfelorgie aus, wenn man mit „Engelring III“ und „Überklinge“ 9 Angriffswürfel hat und dann vielleicht noch 4 Re-Rolls.



Für zusätzliche Würze in den Szenarien sorgen Höllensteine, Engel und Verdammnis. Höllensteinkarten – oder auch: Ereigniskarten – werden überall auf dem Spielplan verteilt und können aufgenommen werden, um der eigenen Gilde einen Vorteil zu verschaffen oder dem Gegner eins reinzuwürgen. Engel, die in der Hölle gefangen, sind, wollen dagegen sozusagen als Nebenquest gerettet werden. Gelingt einem dies, schließt sich der Engel der eigenen Gilde an und ist als starker Partner fortan mit auf Mission. Engel, die nicht gerettet wurden, werden dagegen vom Unterfürsten korrumpiert und treten einem am Ende im Finalkampf entgegen. Das sollte unbedingt vermieden werden! Verdammnis schließlich ist eine Art Währung, um Vorteile im Spiel zu erkaufen, etwa einen Re-Roll oder den besonders starken Effekt einer Waffe. Der Nachteil von Verdammnis ist, dass Monster dadurch manchmal stärker werden und man sich dadurch in der Entwicklungsphase mehr Todesflüche einhandelt. (Also de facto nimmt jeder Held nur einen Todesfluch mit ins Folgeszenario, aber es gibt Flüche in verschiedener Stärke und aus allen erzwungenermaßen gezogenen Fluchkarten muss man jeweils den stärksten behalten.)

„Arcadia Quest Inferno“ spielt sich relativ flott und belastet sich nicht unnötig mit Story-Aspekten. Wer gern tief in eine Welt eintaucht, ist hier definitiv falsch. Dafür nimmt sich das ganze Spiel auch nicht ernst genug. Es geht vor allem um einen schnellen Dungeon-Crawl, bei dem man sowohl den Monstern als auch den Helden seiner Mitspieler möglichst viel auf die Mütze gibt. Ich will nicht so weit gehen, es Partyspiel zu nennen, denn ganz ohne Taktieren und Planen kommt man auch nicht siegreich ans Ziel, aber man fährt auf jeden Fall besser, wenn man das Geschehen auf dem Spielbrett locker nimmt. Humor und Optik muss man natürlich auch mögen. Das hier ist nicht „Doom – Das Brettspiel“ und auch nicht „Descent“. Aber eigentlich muss man nur auf die Spielbox schauen, um zu sehen, welche Art von Atmosphäre hier angestrebt ist.



Zum Abschluss noch ein Wort zum Spielmaterial: Das ist tip-top, wie man es von CMON erwartet. Die Chibi-Miniaturen aus Plastik sind fein gegossen und sehen witzig auf dem Spieltisch aus. Der modulare Spielplan kommt infernalisch bunt daher. Alle Spielmarker bestehen aus robuster Pappe und die Spielkarten sind farbenfroh im Cartoon-Stil illustriert. Keine Klagen hier von meiner Seite. Das Regelwerk ist mit 40 Seiten nicht ganz dünn, aber der Text wird auch durch Hintergrundmaterial und viele Beispiele aufgebläht. Außerdem sind viele Mechanismen grundlegend bekannt, wenn man bereits ähnliche Dungeon-Crawler gespielt hat. Kompliziert ist das Ganze jedenfalls nicht. Und auch wenn vereinzelte Situationen im Verlauf einer Partie für Fragen sorgen können, löst doch meist der gesunde Menschenverstand (oder die wortgetreue Auslegung der Regeln) solche Situationen auf.

Fazit: „Arcadia Quest Inferno“ ist ein Dungeon-Crawler der etwas anderen Art: frech im Tonfall, fröhlich-bunt in der Aufmachung und bestenfalls semi-kooperativ. Nicht nur den Monstern der Unterwelt, sondern auch sich gegenseitig einen einzuschenken, macht dabei einen Heidenspaß – wenn man die richtige Spielgruppe dafür hat, die den Höllentrip nicht allzu ernst nimmt und obendrein Spaß an Würfelorgien hat. Wer allerdings auf eine starke Handlung aus ist, sollte besser zu einem anderen Spiel greifen, denn die Story hat so sehr Cartoon-Niveau, wie die Optik auch.

Arcadia Quest Inferno
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Eric M. Lang, Fred Perret, Guilherme Goulart, Thiago Aranha
CMON/Asmodee 2018
EAN: 4015566600485
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 89,99

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