Zwei Sterne

Seltsame Sternenkonstellationen gehören zu „Cthulhu“, seit H. P. Lovecraft höchstselbst ebenjene für das Erscheinen des Großen Alten persönlich verantwortlich machte. Der Titel des neuesten Abenteuerbandes macht daher zumindest neugierig. Ist das gerechtfertigt?

von Jens Krohnen

Im neuesten Abenteuerband sind zwei Szenarien versammelt, welche das England der 1920er als Schauplatz eint. Außerdem stellen beide – irgendwie – einen Bezug zu den titelgebenden Sternen her. Während das erste Abenteuer das Opfer der Hintergrundgeschichte zum „verglühenden Stern“ erklärt, wird im zweiten Abenteuer ein Diamant mit astralem Titel gestohlen. Der Bezug zum Bandtitel ist also eher konstruiert – wer hier mehr von Lovecrafts „wenn die Sterne richtig stehen“ erwartet hat, wird enttäuscht.

Sehen wir uns die beiden Szenarien genauer an – und Achtung, es wird nicht spoilerfrei bleiben! Eröffnet wird der Band mit „Ein Stern verglüht“ von Nils Gildhoff. Dieses Abenteuer ist für beginnende Spielrunden geeignet und verfolgt dank eines simplen Kniffs einen sehr linearen Plot: Die Investigatoren werden auf die Spur eines reichen Adelssprösslings gesetzt, welcher von seiner letzten Urlaubstour unversehens vergiftet zurückgekehrt ist. Nun gilt es herauszufinden, wer es auf den jungen Mann abgesehen haben könnte. Also schiffen sich die Investigatoren auf einem englischen Kanal ein, denn genau diese Tour hat der junge Adelige zuletzt unternommen. Die Route führt auf einem Kanalboot in Richtung Süden, wo die Gruppe nicht nur auf das Gasthaus trifft, in dem man den jungen Mann gerettet hat, sondern auch auf eine unaussprechliche Bedrohung aus altvorderen Zeiten. „Ein Stern verglüht“ hat eine Menge Vorteile zu bieten: Der gewählte Gegenspieler ist wunderbar lovecraftesk – wenn auch nicht unbedingt cthuloid – und gemahnt an Lovecrafts Geschichte „Das gemiedene Haus“. Der Landkanal versprüht nicht nur eine ganz eigene Atmosphäre, sondern auch jede Menge Lokalkolorit, mit welchem sich das Abenteuer wunderbar einfärben lässt. Und dank des stringenten Verlaufs des Kanals dürfte es auch für einen absoluten Neueinsteiger hinter dem Spielleiterschirm ein Leichtes sein, die Gruppe auf Kurs zu halten. Ein starker Start.

Das zweite Abenteuer heißt „Der weiße Stern“ und stammt aus der Feder von Alexander Schiffke. Hier dreht sich alles um einen Diebstahl, nämlich den eines seltenen Diamanten – der titelspendende „Weiße Stern“. Was zunächst wie ein gewöhnlicher Kriminalfall beginnt, nimmt rasch eine seltsame Wendung – denn warum taucht einer der Diebe unversehens wieder am Tatort auf und kann sich scheinbar an Nichts erinnern? Nur mit einigen vagen Hinweisen ausgestattet machen sich die Investigatoren auf nach Südengland, um in einem verschlafenen Küstennest die Spur des entwendeten Diamanten wieder aufzunehmen. Wer steckt hinter dem Diebstahl und warum häufen sich die seltsamen Vorkommnisse um die Gruppe? Die nicht spoilerfreie Antwort: Der „Weiße Stern“ ist ein mächtiger Magiefokus, welcher von dem finsteren Kultisten des Abenteuers dazu verwendet wurde, das Gedächtnis aller möglichen Opfer zu manipulieren. Der besondere Kniff: Zu diesen Opfern zählen auch die Investigatoren, denn sie vergessen schlicht, dass sie noch eine weitere Begleitung mit vor Ort hatten – die nun natürlich im Kerker des Kultisten auf ihre Rolle im kommenden, finsteren Ritual wartet. Es steht zu hoffen, dass die Investigatoren die Puzzleteile richtig zusammensetzen können. Zugegeben: Auch dieses Abenteuer hat seine Stärken. Der Einstieg ist stark, Blackport – das Küstenstädtchen – ist interessant ausgearbeitet und bietet einige Unterhaltung. Allerdings scheint mir der Bluff mit der vergessenen Begleiterin schwer umsetzbar – wenn es gelingt, ist es aber sicherlich ein spannender Effekt. Weniger gut gelungen finde ich den etwas faden „Kultisten der Woche“ sowie das etwas klischeebeladene Finale. Hier hätte dem Abenteuer ein wenig mehr Würze gutgetan. Generell will ich aber auch diesem Szenario eine gute Note vergeben.

Wie für die cthuloiden Softcoverbände üblich erscheint „Zwei Sterne“ im Schwarz-Weiß-Druck. Bebildert ist der Band „Cthulhu“-typisch mit stimmungsvollen Photographien. Besonders hervorheben möchte ich wieder einmal die sehr gelungenen Handouts, welche beide Abenteuer noch einmal aufwerten. Außerdem wurden dem Band einige hübsch gemachte Karten spendiert, was die Vorbereitung für die Spielleitung erleichtern dürfte. Technisch gibt es damit nichts zu meckern, der Band reiht sich nahtlos in die hohe Qualität der Reihe ein.

Fazit: Zugegeben: Der Bezug zum Titel des Bandes wirkt bei beiden Abenteuern ein wenig konstruiert. Doch das tut ihrer Qualität keinen Abbruch. Für Einsteiger wie Alteingesessene uneingeschränkt empfehlenswert!

Zwei Sterne
Abenteuerband
Nils Gildhoff, Alexander Schiffke
Pegasus 2025
ISBN: 978-3-9692-8147-5
72 S., Softcover, deutsch
Preis: 14,95 EUR

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