Unter der Erde

„Cthulhu“ ist nun wirklich nicht gerade als System für gediegene Dungeon-Crawls bekannt. Dennoch verschlägt uns der neueste Abenteuerband „Unter der Erde“ eben dorthin. Wie gelungen sind die Ausflüge ins Tiefenreich?

von Jens Krohnen

Im neuesten Abenteuerband sind wieder zwei Szenarien versammelt. Beide führen – dieses Mal ist der Bezug zum Titel nicht konstruiert, sondern sehr exakt – die waghalsigen Investigatoren unter die Erde. Dabei lauern einige Gefahren, die wir nun etwas genauer unter die Lupe nehmen wollen. Und Achtung, es wird nicht spoilerfrei bleiben!

Den Anfang macht Alexander Schiffkes „Unter den Ruinen“. Die Investigatoren nehmen an einer Ausgrabung im alten Troja teil. Doktor Darius Jansen, Leiter der Ausgrabung, ist zunächst verzweifelt, scheint es doch seit Schliemann keine interessanten Entdeckungen mehr in der Ausgrabungsstätte zu geben. Umso mehr freut es ihn, als Arbeiter einen Tunnel freilegen, der in eine bislang unentdeckte unterirdische Kaverne führt. Die Expedition – selbstverständlich inklusive Investigatoren – macht sich auf den Weg. Nur ärgerlich, dass dort unten vor Jahrtausenden ein Portal in die Traumlande existierte, durch das einige Gugs – vierarmige, reißzahnbewehrte, übellaunige und stark behaarte Riesen – in unsere Welt gelangt sind. Diese wiederum freut die willkommene Abwechslung vom tristen Wände anstarren, und die Monstren blasen kurzerhand zur Jagd. Was sich anschließt, ist ein erbarmungsloser Kampf ums Überleben, aus dem es nur wenige Auswege gibt. 

„Unter den Ruinen“ konnte mich mehrfach nicht überzeugen. Zum einen sind die Gugs spieltechnisch sehr starke Gegner, was ein Überleben der Gruppe nahezu unmöglich macht. Dazu ist das Szenario erschreckend eindimensional, denn außer dem ständigen Davonrennen gibt es für die Gruppe wenig zu tun. Zu guter Letzt hätte ich mir gerade für diese besondere Konstellation – Ausgrabungsteilnehmer, welche das Abenteuer voraussichtlich nicht überleben werden – vorgefertigte Investigatoren gewünscht, welche allerdings fehlen. Ob es sich für diesen geradlinigen Ausflug in die Unterwelt lohnt, eigene Charaktere zu erstellen, muss dann wohl die geneigte Spielleitung entscheiden.

Das zweite Abenteuer aus der Feder von Dominic Hladek trägt den Titel „Der Sandmann“. Das Abenteuer greift die bislang eher selten genutzten Sandmenschen auf. Diese haben einen Abkömmling des in der Tiefe hausenden Mythos-Gottes Ubbo-Sathla zu ihrem Gott erkoren und füttern die amorphe, hirnlose Masse mit frischem Menschenfleisch. Dazu entführen sie in der Wüste rund um das verschlafene Nest Las Vegas Einwohner und Reisende. Die Investigatoren werden durch einen durch die Sandmenschen verursachten Zugunfall in die Vorkommnisse verstrickt und müssen über kurz oder lang in „das Nest“, die unterirdische Heimat der Sandmenschen, um der Bedrohung Herr werden zu können. 

„Der Sandmann“ hat mir besser gefallen als das erste Szenario. Insbesondere die erste Hälfte, in welcher die Bedrohung noch nicht enthüllt wurde und die von den Recherchen der Charaktere lebt, ist sehr stimmungsvoll gestaltet. Zum einen dürfte der Gegner nur schwer zu erkennen sein, zum anderen wurde mit vielen Spielleitungs-Tipps gearbeitet, um die angepeilte Atmosphäre zu verdeutlichen. Das gefällt mir gut. Der zweite Teil ist leider wieder eine eher uninspirierte Flucht durch die Tunnel der Sandmenschen, welche spieltechnisch etwas interessanter gestaltet ist – sie nutzt die Verfolgungsjagdregeln –, aber ein wenig eintönig daherkommt und auch wenig Spielraum für die Investigatoren bietet. Der zweite Teil krankt damit an den gleichen Schwierigkeiten wie „Unter den Ruinen“ und zeigt, warum Dungeons und „Cthulhu“ eher selten kombiniert werden.

Wie für die cthuloiden Softcoverbände üblich, erscheint „Unter der Erde“ im Schwarz-Weiß-Druck. Etwas ratlos zurückgelassen hat mich dieses Mal die einfallslose Bebilderung: Wer ganzseitige Schwarz-Weiß-Fotografien von einer vom Sand verschütteten Brille, einer Felsenwand oder einem Streichholz sucht, der wird hier fündig. Ein wenig hat man den Eindruck, dass Seiten geschunden werden mussten. Auch die eher wenigen Handouts sind dieses Mal eher unspektakulär. Immerhin textuell wurde saubere Arbeit geleistet, sodass kaum störende Rechtschreibfehler das Lesevergnügen schmälern.

Fazit: Es gibt stärkere Abenteuerbände für „Cthulhu“. „Unter der Erde“ ist – trotz des starken Einstiegs in „Der Sandmann“ – zu eindimensional geraten.

Unter der Erde
Abenteuerband
Dominic Hladek, Alexander Schiffke
Pegasus Press 2025
ISBN: 978-3-9692-8151-2
60 S., Softcover, deutsch
Preis: 14,95 EUR

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