Zombicide – Zweite Edition

Alles begann 2012. Da erblickte das von Guillotine Games entwickelte und von CoolMiniOrNot herausgebrachte Fun-Hack-&-Slay-Spiel „Zombicide“ im Rahmen eines Kickstarter-Crowdfundings das Licht der Welt. Seitdem ist der Erfolg ungebrochen. In Einkaufszentren, im Mittelalter, im Fantasy-Setting und auf einem fernen Planeten durften wir in der Zwischenzeit Zombies (respektive zombifizierte Orks und Aliens) jagen. Nun ist die Zeit für die „Zweite Edition“ des Ursprungsspiels gekommen. Was hat sich verändert?

von Frank Stein

Gleich vorweg: nicht viel. Gerade wer neuere „Zombicide“-Inkarnationen, etwa „Green Horde“ oder „Invader“ kennt, dem wird Vieles extrem vertraut vorkommen, wenn er sich durch das Regelwerk arbeitet. Das gilt selbst für Besitzer der ersten Edition aus dem Jahr 2012. Die Spielmechanismen haben sich nur im Detail geändert, etwa bei den Zielprioritäten und beim Eigenbeschuss – dazu später mehr. Dennoch ergibt diese Neuausgabe, die im November 2019 auf Kickstarter finanziert wurde und die seit Kurzem im freien Handel erhältlich ist, Sinn, denn zum einen hat sich die Komponentenqualität, gerade bei den Miniaturen, in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt, zum anderen war es einfach sinnvoll, Regeln, die sich im Laufe der Zeit bei den „Zombicide“-Ablegern etabliert haben, auch auf das Kernspiel anzuwenden. Aber ich greife voraus. Beginnen wir von Anfang an.

„Zombicide – Zweite Edition“ ist ein kooperatives, taktisches Hack-&-Slay-Brettspiel für 1 bis 6 Spieler, das in einem urbanen Setting angesiedelt ist, über das eine Zombie-Apokalypse hinweggegangen ist. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Überlebenden, die in 25 einzelnen Missionen – es gibt keinen Kampagnenmodus – gewisse Aufgaben erledigen müssen und dabei reichlich Zombies bekämpfen dürfen. (10 der Missionen sind an die Missionen der ersten Edition angelehnt, 15 wurden komplett neu erschaffen.) Dabei darf keiner der Überlebenden sterben, denn sonst ist eine Partie in der Regel verloren. Das Spiel dauert zwischen 45 Minuten und 2 Stunden und ist ab 12 Jahren empfohlen. Das geht in Ordnung, denn obwohl das Thema an sich aus der Horrorfilmecke kommt, mildert die übertriebene Comic-Optik das Ganze ab und die Handvoll Zombie-Illustrationen im Regelwerk mögen zwar nicht ganz hübsch anzusehen sein, wirklich verstörend sind sie allerdings nicht.


    Der Spielaufbau geht flott vonstatten.

Damit kommen wir direkt zum Inhalt der Box. Das Spielmaterial ist – wie man es von CMON erwarten darf – überwiegend hochwertig. Praktische Plastiktableaus unterstützen das Charaktermanagement, die 12 Überlebenden-Charakterbögen (es gibt 6 Erwachsene und – neu – 6 Kinder) sowie die Ausrüstungskarten bieten schicke Illustrationen und die Spielmarker bestehen aus fester Pappe. Die 9 doppelseitigen Kartenteile, die eine verfallende Innenstadt mit verwüsteten Häusern, herumliegendem Müll und Blutlachen auf den Gehwegen zeigen, vermitteln eine gelungen endzeitliche Atmosphäre, neigen jedoch etwas dazu, sich zu verziehen. Ein Problem, das „Zombicide“-Spiele schon häufiger hatten, warum auch immer.

Der größte Kaufanreiz bei CMON-Spielen liegt für viele natürlich in den Miniaturen, und hier bekommt man ganze 88 davon, 17 mehr als in der ersten Edition. Neben den 12 Helden sind das vor allem Zombies – viele Zombies. Schlurfer, Fettbrocken, Läufer sehen dabei angemessen morbide und schön detailverliebt aus, besonders fies kommen natürlich die 4 Monstren einher (in der ersten Edition gab es nur 1). Sehr schön: Allen Zombie-Arten wurden mehrere alternative Modelle spendiert, sodass eine erfreuliche Vielfalt an untotem Leben auf dem Spielplan umherwankt. Damit man trotzdem nicht den Überblick verliert, wer nun Schlurfer und wer Läufer ist, haben die Macher letztere in etwas dunklerem Grau gegossen. Eine sehr gute Entscheidung, die Verwechslungen verhindert. Spezielle Zombie-Typen, wie teilweise in den Ablegern enthalten, gibt es hier keine. Das neue Grundspiel bietet genau das: die Basis-Ausstattung.


    Unsere Truppe mutiger Zombie-Jäger: Wanda, Odin, Ned, Doug, Tiger Sam und Elle.

Am Spielkonzept hat sich – wie bereits erwähnt – auch in der zweiten Edition von „Zombicide“ praktisch nichts geändert. Vor einer Partie wählt man sich eine Mission aus. Diese bestimmt den Aufbau des Spielfelds, inklusive verteilter Waffenkisten, Zielplättchen, Brutpunkte und Start-Zombies. Oft bringt eine Mission ein bis zwei kleine Sonderregeln ins Spiel, die aber leicht verinnerlicht sind. Gespielt wird immer mit 6 Überlebenden, egal wie viele Mitspieler am Tisch sitzen. Die Helden werden entsprechend verteilt. Das mag im Solo-Spiel etwas einschüchternd wirken, tatsächlich aber kann man die Überlebenden sehr gut managen, auch wenn es sich um ein halbes Dutzend handelt, was vor allem daran liegt, dass viele Charakter-Fähigkeiten sehr einfach gehalten sind (mehr Schaden, mehr Angriffswürfel, mehr Bewegung, mehr Suchaktionen etc.) und auch die Ausrüstung ohne komplexe Regelkomponenten auskommt. Zur Auswahl stehen 6 Erwachsene und 6 Kinder, wobei die Kinder nur 2 statt 3 Lebenspunkte haben, dafür aber „leichtfüßig“ sind, was bedeutet, dass sie einmal pro Zug aus einem Feld mit Zombies entkommen können, ohne dafür extra Aktionen zahlen zu müssen. (Normalerweise zahlt man für eine Flucht eine Aktion pro Zombie auf dem eigenen Feld.)

Unter den Überlebenden finden sich 5 von 6 Recken aus der ersten Edition: Wanda, Amy, Ned, Doug und Josh sind wieder mit dabei. Nur Cop Phil musste gehen und wurde durch die dunkelhäutige Scharfschützin Elle ersetzt. Zweifellos ein Beitrag, um die Diversität ein wenig zu erhöhen. Dafür sorgen auch die 6 Kinder, die allerdings mit ihren 12 bis 14 Jahren, schwer bewaffnet, wie sie sind, durch die Bank ein wenig psychopathisch wirken. Alle Überlebenden besitzen leicht unterschiedliche Fähigkeiten, was sich taktisch durchaus nutzen lässt. So ist Wanda auf ihren Rollschuhen besonders schnell, Elle bietet sich als Feuerunterstützung an und das Mädchen Ostara gräbt sich mit mehreren Suchaktionen pro Runde nur so durch den Ausrüstungsstapel. Jeder Überlebende bekommt noch eine Waffe aus dem Startausrüstungsstapel, dann geht es los.


    Kleines Bilderrätsel für Kenner: Warum haben wir verloren, obwohl wir am Anfang der Spielerphase stehen?

Gespielt wird – wie seit dem ersten „Zombicide“ – in Runden, die in 3 Phasen aufgeteilt sind: eine Spielerphase, eine Zombiephase und eine Endphase. In der Spielerphase darf jeder Spieler (im Uhrzeigersinn vom Startspieler ausgehend) all seine Überlebenden (in beliebiger Reihenfolge) 3 Aktionen ausführen lassen. Dazu zählen die typischen Dinge, die es in jedem Miniaturenspiel gibt: bewegen, angreifen, Raum durchsuchen, Ausrüstung tauschen usw. Die Angriffswerte im Kampf werden dabei durch die getragenen Waffen bestimmt. Mit einer vorgegebenen Anzahl Würfel muss man einen festgelegten Zielwert erreichen; jeder Erfolg ist ein Treffer, der 1 bis 2 Schadenspunkte anrichtet und (meist) einen Zombie tötet. Also auch wenn im Spielverlauf eine Zombie-Welle über einen hinwegschwappt: Mit etwas Glück und einer Kettensäge kann man durchaus 3 bis 4 der fahlgrauen Kameraden mit einer Aktion (!) fällen.

Eine Eigenheit von „Zombicide“ ist das Einschlagen von Türen (denn irgendwie sind alle Türen ständig verschlossen, selbst nach der Apokalypse). Das kostet immer eine Aktion, die meist Lärm verursacht und damit Zombies anlockt, die nicht eh schon in Sichtlinie zu den Helden stehen. Lärm ist übrigens auch ein taktisches Element, um Zombies von verwundbaren Mitstreitern abzulenken. Überlebende machen Lärm, Schusswaffen machen Lärm, eingeschlagene Türen auch. Und gerade wenn so ein schweres Monstrum über den Asphalt stapft, ist man froh, wenn man mal in der falschen Richtung „ein Glöckchen läuten kann“ (Lärmplättchen haben kleine Glockensymbole).


    Papas Liebling. Der will nur spielen.

Apropos herumstapfen: In der Zombiephase steuert das Spiel die untote Plage. Jeder Zombie auf dem Spielplan wird einmal aktiviert und darf entweder angreifen, wenn er sich in einer Zone mit einem Überlebenden befindet, oder er bewegt sich eine Zone auf die nächstbesten Überlebenden zu. Am Anfang sieht das alles noch ganz gemütlich aus, aber spätestens nach 5 bis 6 Runden wird es plötzlich etwas eng. Denn nach der Aktivierung erfolgt die Brut, das heißt auf jedem (der meist 3) auf dem Spielplan verteilten Brutplättchen tauchen Zombies auf. Was genau erscheint, entscheidet eine gezogene Zombie-Karte und dann noch das farblich codierte Level der Überlebenden. Denn diese erhalten Adrenalinpunkte (früher: Erfahrungspunkte) für jeden Kill und steigen damit bis zu dreimal auf (von Stufe blau über gelb und orange bis rot). So erhalten die Überlebenden zwar neue Fähigkeiten, aber gleichzeitig werden auch die Gegner immer zahlreicher und lästiger.


    Manchmal eskaliert die Situation ein wenig ...

In der Endphase werden alle Lärmplättchen entfernt und der Startspielermarker wandert einen Spieler nach links. Das wird so lang fortgesetzt, bis entweder die Siegbedinungen für die Queste erfüllt sind – oder die für eine Niederlage eintreten (meist der Tod eines Überlebenden).

So weit, so bekannt, mögen nun alle denken, die schon früher „Zombicide“ gespielt haben. Und ich kann mich nur wiederholen: Die Unterschiede liegen vor allem im Detail. So konnte man früher beispielsweise nicht guten Gewissens in Zonen schießen, in denen sich andere Überlebende befanden, denn die wurden immer zuerst, noch vor den Zombies, getroffen. Heute ist Eigenbeschuss nur noch möglich, wenn der Schütze beim Angriffswurf Misserfolge würfelt. Außerdem wurde die Zielpriorität angepasst. Früher starben Schlurfer immer zuerst. Heute werden sie von den stärkeren Fettbrocken geschützt. Früher verloren die Spieler erst, wenn alle Überlebende tot waren. Heute ist bereits nach dem ersten toten Überlebenden Schluss, was deutlich mitspielerfreundlicher ist. Es gibt noch ein paar weitere Kleinigkeiten. Nichts davon ändert das Spiel wesentlich, allerdings verbessern sie alle das Spielerlebnis, denn sie fühlen sich irgendwie „sinnvoller“ an. Insofern ist diese neue Edition der alten eindeutig vorzuziehen – zumal sie obendrein besser aussieht und ein deutliches Plus an Überlebenden, Monstren und Missionen bietet.


    Problem gelöst.

Ein Designmanko wurde allerdings auch in der zweiten Edition von „Zombicide“ leider nicht ausgemerzt: „Zombicide“ ist, wie gesagt, für 1 bis 6 Spieler gedacht. Allerdings muss man je nach Spielerzahl ein paar taktische Nachteile in Kauf nehmen. Wie oben geschrieben, aktiviert jeder Spieler all seine Überlebenden in beliebiger Reihenfolge, bevor der Spieler zu seiner Linken dran ist. Das heißt, wenn man allein spielt, kann man all seine 6 Überlebenden völlig frei agieren lassen (was manchmal, gerade in brenzligen Lagen, extrem wichtig ist). Wenn man zu zweit spielt, muss zunächst einer 3 Überlebende, dann der nächste 3 Überlebende aktivieren. Noch schlimmer wird es zu dritt. Da existieren 3 Aktivierungsblöcke zu je 2 Überlebenden. Bei 6 Spielern wird es dann maximal unflexibel, weil die Aktivierungsreihenfolge der Überlebenden von der Sitzreihenfolge am Tisch festgelegt wird. Das erhöht den Schwierigkeitsgrad merklich! (Um hier für Fairness zu sorgen, empfehle ich die Hausregel, dass alle Spieler nach dem Startspieler einer Runde in beliebiger Reihenfolge dran sind, bis jeder seine Überlebenden aktiviert hat.)

Fazit: „Zombicide – Zweite Edition“ ist ein taktisches Hack&Slay-Spiel mit hochwertigem Spielmaterial, das Laune macht, sofern man auf eine Kampagne und Erzähltexte verzichten kann. Hier geht es wirklich um flotte Action, die in der Regel keinen ganzen Spieleabend einnimmt – wobei „flott“ nicht mit „leichtfertig“ verwechselt werden darf. Wer planlos seine Axt schwingend auf die Zombie-Horden zustürmt, der wird schnell sein Ende finden. Teamwork und kluges Vorgehen sind erfreulich wichtig für den Sieg. Verbesserte Spielmechanismen, deutlich schickere Miniaturen und ein Mehr an Überlebenden, Monstren und Missionen machen diese Edition dabei nicht nur für Neueinsteiger interessant, sondern bringen auch Veteranen schwer in Verführung, ihre alte Ausgabe auszutauschen. Für mich eine klare Empfehlung für alle, die Spaß an urbanen Zombie-Settings haben. Alternativ (und von der Aufmachung her genauso modern) empfehlen sich die SF-Variante „Invader“ oder die Fantasy-Version „Green Horde“.

Zombicide – Zweite Edition
Brettspiel für 1bis 6 Spieler ab 12 Jahren
Raphaël Guiton, Jean-Baptiste Lullien, Nicolas Raoult, David Preti
CMON/Asmodee 2021
EAN:  4015566601857
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 99,95

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