Zombicide – Green Horde

Zombies sind im Genre beliebte Gegner, wenn es darum geht, vom Überlebenskampf einer kleinen Gruppe Helden zu erzählen. Die schlurfenden Untoten mit dem Hunger auf Menschenfleisch befriedigen das Bedürfnis nach Hack&Slay, lassen sie sich doch meist recht einfach (und auch moralisch weitgehend problemlos) niedermetzeln. Gleichzeitig werden sie in der großen Masse zur existenziellen Bedrohung, die auch den besten Kämpfer überwältigen kann. Das gilt insbesondere, wenn die Zombies früher Orks waren! Willkommen bei „Zombicide – Green Horde“.

von Frank Stein

„Green Horde“ ist ein Fantasy-Ableger der erfolgreichen Brettspielreihe „Zombicide“, die – entwickelt von Guillotine Games und herausgebracht von CoolMiniOrNot – 2012 während eines Kickstarter-Crowdfundings das Licht der Welt erblickte. „Zombicide“ war so erfolgreich, dass es gleich zwei Nachfolge-Grundspiele „Zombicide 2: Toxic Mall“ und „Zombicide 3: Rue Morgue“ plus einiger Erweiterungen nach sich zog. Als das moderne Setting ausgereizt war, wechselte man 2015 mit „Zombicide: Black Plague“ in eine fiktionale Mittelalterwelt. „Green Horde“ ist praktisch die „zweite Season“ dieses Spin-Off-Produkts. Dabei ist die Grundbox prinzipiell völlig eigenständig spielbar, aber eben auch vollständig mit „Black Plague“ und sogar den Jetztzeit-Versionen kompatibel.

Das Spiel, das im Mai/Juni 2017 ebenfalls bei Kickstarter vorgestellt wurde und mit mehr als 27.000 Backern und 5 Millionen Dollar Einnahmen ein riesiger Erfolg wurde, kommt im typischen „Zombicide“-Kleid daher, das heißt im grafisch übertriebenen Comic-Gewand, das die Gewalt und den Horror, die sich im Grunde durch das ganze Spiel ziehen, deutlich abmildern. Ein Film wäre vermutlich mindestens FSK16, das Spiel wird immerhin Spielern ab 14 empfohlen, wobei das nicht an den Zombies oder dem Gemetzel liegt, sondern am durchaus anspruchsvollen Spielgeschehen, das einiges an planerischem Geschick erfordert, wenn man nicht von der grünen Untotenhorde überrannt werden will.

Das Spielmaterial ist – wie man es von CMON erwarten darf – überwiegend hochwertig. Praktische Plastiktableaus unterstützen das Charakermanagement, Ausrüstungskarten mit schönen Illustrationen werten die Helden – hier „Überlebende“ genannt – auf und die Spielmarken bestehen aus fester Pappe. Die 9 doppelseiten Kartenteile, die ein mittelalterliches Landleben mit Hecken, Flüsschen und kleinen Häusern zeigen, sind hübsch anzusehen, neigen jedoch ganz leicht zum Verziehen und außerdem muss man manchmal genau hinschauen, um sicher zu sein, wo genau die Grenzen einer Zone liegen (denn nicht jeder Spielplan besteht schachbrettartig aus 9 Zonen, manche weisen größere auf).



Der größte Kaufanreiz bei CMON-Spielen liegt für viele natürlich in den Miniaturen, und hier bekommt man ganze 72 davon. Neben den 6 Helden und einer Tribok-Artillerie sind das vor allem Zombie-Orks – viele Zombie-Orks. Schlurfer, Fettbrocken, Läufer sehen dabei angemessen morbide und schön detailverliebt aus, allerdings sind Läufer und Schlurfer mit etwas Abstand mitunter nicht gut zu unterscheiden. Ein Rennpose für die Läufer wäre hier hilfreich gewesen. Der „Zombicide“-Veteran wird bei diesen Figurentypen übrigens aufmerken, denn er kennt sie bereits vom Prinzip her alle.

Kein Wunder! Am Spielkonzept selbst hat sich auch in dieser Inkarnation von „Zombicide“ nicht geändert. Vor dem Spiel wählt man sich eine Queste (von 10) aus, die entweder einzeln oder als Kampagne gespielt werden können, wobei die Kampagne ein rein narratives Element ist. Jede Partie fängt trotzdem immer bei Null an. Die Queste bestimmt den Aufbau des Spielfelds und die Zahl der Helden/Überlebenden. In 9 von 10 Fällen werden alle 6 in der Box enthaltenen Recken zum Einsatz gebracht. Diese besitzen leicht unterschiedliche Fähigkeiten, was sich taktisch durchaus nutzen lässt. So ist die magersüchtige Elfin hoch mobil, der nordische Barbar besonders kampfstark und der orientalische Schurke versteht sich darin, Zombies durch flotte Sprüche so richtig zu reizen (und damit von seinen Kameraden wegzulocken). Jeder Überlebende bekommt noch ein Objekt aus dem Startausrüstungsstapel, dann geht es direkt los.

Gespielt wird – wie seit dem ersten „Zombicide“ – in Runden, die in 3 Phasen aufgeteilt sind: eine Überlebendenphase, eine Zombiephase und eine Endphase. In der Überlebendenphase darf jeder Spieler (im Uhrzeigersinn vom Startspieler ausgehend) all seine Überlebenden (in beliebiger Reihenfolge) 3 Aktionen ausführen lassen. Dazu zählen die typischen Dinge, die es in jedem Dungeon-Crawler gibt: Bewegen, Angreifen, Raum durchsuchen, Ausrüstung tauschen usw. Die Angriffswerte werden dabei durch die getragenen Waffen bestimmt. Mit einer vorgegebenen Anzahl Würfel muss man einen festgelegten Zielwert erreichen; jeder Erfolg ist ein Treffer, der (meist) einen Zombie tötet. Also auch wenn im Spielverlauf eine Zombiewelle über einen hinwegschwappt: Mit etwas Glück und einer fetten Axt kann man durchaus 3 bis 4 der fahlgrünen Kameraden mit einer Aktion (!) fällen.



Eine Eigenheit von „Zombicide“ ist das Einschlagen von Türen (denn irgendwie sind alle Türen prinzipiell verschlossen, auch die kleinste Hütte auf dem Land – oder vielleicht lieben die Überlebenden auch einfach einen starken Auftritt; und Anklopfen zählt nicht dazu). Das kostet immer eine Aktion, die meist Lärm verursacht und damit Zombies anlockt, die nicht eh schon in Sichtlinie zu den Helden stehen. Lärm ist übrigens auch ein taktisches Element, um Zombies in eine falsche Richtung zu locken. Gerade wenn so ein schweres Monstrum (der dickste Brocken des Spiels) durchs Gemüse stapft, ist man froh, wenn man mal in der falschen Richtung ein Glöckchen läuten kann (Lärmplättchen haben kleine Gockensymbole).

Apropos herumstapfen: In der Zombiephase steuert das Spiel die Zombieplage. Jeder Zombie auf dem Spielplan wird einmal aktiviert und darf entweder angreifen, wenn er sich in einer Zone mit einem Überlebenden befindet, oder er bewegt sich eine Zone auf die nächstbesten Überlebenden zu. Am Anfang sieht das alles noch ganz gemütlich aus, aber spätestens nach 5 bis 6 Runden wird es plötzlich ziemlich eng. Denn nach der Aktivierung erfolgt die Brut, d.h. auf jedem (der meist 3) auf dem Spielplan verteilten Brutplättchen tauchen Zombies auf. Was genau erscheint, entscheidet eine gezogene Zombiekarte und dann noch das Level der Überlebenden. Denn diese erhalten Erfahrungspunkte für jeden Kill und steigen damit bis zu dreimal auf (von Stufe blau über gelb und orange bis rot). So erhalten die Überlebenden zwar neue Fähigkeiten, aber gleichzeitig werden auch die Gegner immer zahlreicher und lästiger.

In der Endphase werden alle Lärmplättchen entfernt und der Startspielermarker wandert einen Spieler nach links. Das wird so lang fortgesetzt, bis entweder die Siegbedinungen für die Queste erfüllt sind – oder die für eine Niederlage eintreten (meist der Tod der Helden).



Alles bis hierher Beschriebene gilt übrigens für alle „Zombicide“-Spiele. Doch wie jede neue Inkarnation bietet auch „Green Horde“ ein paar spielerische Eigenheiten. Zum einen sind Orks stärkere Gegner. Bislang haben Zombies immer nur 1 Schaden pro Zombie im Angriff verursacht. Ork-Fettbrocken und das Ork-Monstrum verursachen 3! (Sie sind also veritable Heldenkiller.) Selbst der Totenbeschwörer verursacht 2 Schadenspunkte. Hier muss man deutlich besser aufpassen. Dann wäre da die Horde. Bei jeder Brut von Zombies wird auch immer ein Zombie der auftauchenden Art seitlich am Spielplanrand platziert. So sammelt sich im Laufe der Zeit eine veritable Streitmacht. Wenn dann die Zombiekarte „Die Horde erscheint“ gezogen wird, wird der ganze Haufen auf die Zielzone gesetzt – gut und gern mal 10 Zombies auf einmal. Ein echter Albtraum, vor allem, wenn man gerade eine Tür geöffnet hat und im Raum dahinter einen plötzlich so eine Masse angrinst.

Gekontert wird das durch die Tribok, eine Artilleriewaffe, die von Überlebenden bedient werden kann und ohne Sichtlinienbeschränkung quer über den ganzen Spielplan feuern kann (sogar in die Horde außerhalb des Spielplans). Dabei wird in der Zielzone ziemlich ordentlich Schaden angerichtet. Die Tribok funktioniert super, um Überlebenden auf einer Mission Unterstützungsfeuer zu liefern, indem man nahende Zombietrupps auslöscht. Der Nachteil ist, dass ein Held oder mehrere statisch an die Waffe gebunden ist/sind.

Taktisch wird es auch durch das Vorhandensein von Gelände, hier Wasserzonen, Hecken und Barrikaden. Wasserzonen erschweren die Bewegung (natürlich nur der Überlebenden), Hecken sind Sichthindernisse, die man aber durchqueren kann (auf die Gefahr hin, dass sich dahinter ein bislang nicht bemerkter Schlurfer befindet), und Barrikaden sind Bewegungshindernisse, durch die man aber schießen kann. Diese Elemente muss man im Blick behalten, denn gerade Wasserfelder behindern die Überlebenden doch enorm.



Eine Anmerkung noch zur Spielerzahl: „Zombicide – Green Horde“ ist für 1 bis 6 Spieler gedacht, wobei das Spiel nach oben offen skalierbar ist. Es werden optionale Regeln für bis zu 12 Spieler geboten. Wenn das kein Partyspiel ist! (Dazu braucht man allerdings Erweiterungssets.) Allerdings muss man je nach Spielerzahl ein paar taktische Nachteile in Kauf nehmen. Wie oben geschrieben aktiviert jeder Spieler erstmal all seine Überlebenden in beliebiger Reihenfolge, bevor der Spieler zu seiner Linken dran ist. Das heißt, wenn man allein spielt, kann man all seine 6 Überlebenden völlig frei agieren lassen (was manchmal, gerade in brenzligen Lagen, extrem wichtig ist). Wenn man zu zweit spielt, muss zunächst einer 3 Überlebende, dann der nächste 3 Überlebende aktivieren. Noch schlimmer wird es zu dritt. Da existieren 3 Aktivierungsblöcke zu je 2 Überlebenden. Bei 6+ Spielern wird es dann maximal unflexibel, weil die Aktivierungsreihenfolge der Überlebenden von der Sitzreihenfolge am Tisch festgelegt wird. Das erhöht den Schwierigkeitsgrad mitunter merklich! (Um hier für Spielfairness zu sorgen, empfehle ich die grundsätzliche Hausregel, dass Überlebende immer in beliebiger Reihenfolge aktiviert werden dürfen, egal wie viele Spieler am Tisch sitzen.)

Fazit: „Zombicide – Green Horde“ ist ein taktisches Hack&Slay-Spiel mit hochwertigem Spielmaterial, das Laune macht, aber auch Frustrationstoleranz erfordert. Die Orkzombies sind knackige Gegner, und am Ende kann eine Mission an einer falschen Entscheidung (oder einem miesen Würfelwurf) scheitern. „Zomibicide“-Veteranen müssen sich zudem fragen, ob sie ein weiteres Spiel gleicher Machart brauchen. Denn die grundsätzlichen Änderungen am Mechanismus sind doch überschaubar. Allerdings ist „Green Horde“ eine sehr schicke und taktisch interessante Variante des Spielprinzips. Also wer Spaß an der Thematik hat, dem ist diese Version des Erfolgsspiels absolut zu empfehlen.

Zombicide – Green Horde

Brettspiel für 1-6 Spieler ab 14 Jahren
Raphaël Guiton, Jean-Baptiste Lullien, Nicolas Raoult
CMON/Asmodee 2018
EAN: 4015566600379
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 89,95

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