Zombicide – Dark Side

Durch die Straßen und Einkaufszentren moderner Großstädte sowie die Felder und Hütten einer Fantasy-Welt hat uns die Zombie-Plage schon verfolgt. Nun treten die ersten Infektionen im All auf und verwandeln die eigenbrötlerischen Xenos auf dem Bergbauplanet PK-L7 in eine rasende Brut, die alles Leben – vor allem das der menschlichen Minenarbeiter – auslöschen will. Zum Glück gibt es die harten Jungs und Mädels des Green Squads, die mit ihren – natürlich grünen – Power-Rüstungen und dicken Waffen dem Problem entgegentreten, tief in der Dunkelheit unter der Oberfläche des Planeten.

von Frank Stein

„Dark Side“ ist ein Science-Fiction-Ableger der erfolgreichen Brettspielreihe „Zombicide“, die – entwickelt von Guillotine Games und herausgebracht von CoolMiniOrNot – 2012 während eines Kickstarter-Crowdfundings das Licht der Welt erblickte. „Zombicide“ war so erfolgreich, dass es gleich zwei Nachfolge-Grundspiele „Zombicide 2: Toxic Mall“ und „Zombicide 3: Rue Morgue“ plus einiger Erweiterungen nach sich zog. Als das moderne Setting ausgereizt war, wechselte man 2015 mit „Zombicide: Black Plague“ in eine fiktionale Mittelalterwelt. 2017 gab es auch hierzu einen Nachfolger namens „Green Horde“, der dem Horror typische Fantasy-Elemente – vor allem Orks – hinzufügte.

Ein Jahr später, im April 2018, folgte mit „Zombicide: Invader“ dann der nächste Streich, der Wechsel in ein Setting, das optisch schwer an „Warhammer 40.000“ erinnert, geht es doch um harte Marines, die sich mit Kettensägenschwertern und fetten Wummen gegen fiese Aliens zur Wehr setzen. Im Rahmen dieses Crowdfundings, das immerhin knapp 18.500 Backer anlocken und gute 3,3 Millionen Dollar einnehmen konnte, wurde auch „Dark Side“ vorgestellt, ein voll kompatibles, aber eigenständig spielbares Erweiterungs-Set, quasi die „Green Horde“-Box zu „Black Plague“. Nun ist das Spiel übersetzt auch hierzulande als Einzelwerk erschienen.

Das Spielmaterial


Zunächst einmal bemerkt man, dass sich die Optik gewandelt hat. Bislang fiel „Zombicide“ durch seine deutlich übertriebene Comic-Grafik auf, die allem Zombie-Horror ein wenig die Blutrünstigkeit nahm und so für eine Altersempfehlung ab 14 sorgte. „Dark Side“ wird mittlerweile sogar mit dem Label „ab 12“ verkauft, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass der Zombie-Aspekt nur noch ein Feigenblatt ist, der das Alien-Survival-Spiel darunter kaum verbergen kann und will. Ja, die Xenos sind laut Story irgendwie infiziert worden und darum durchgedreht. Visuell bekommt man aber ganz normale und keineswegs untote oder halb verweste Alienmonster geboten. Viecher wie diese kennt man aus jedem Kreaturenbuch eines Science-Fiction-Rollenspiels. Oder aus Spielen wie dem bereits genannten „Warhammer 40.000“. Oder aus den „Alien“-Kinofilmen (die allerdings kein 12-Jähriger schauen darf). Also obwohl die Optik dank Künstlern wie Adrian Smith sichtbar realistischer daherkommt, wirkt die Metzelorgie sehr viel „jugendfreier“ als die Knochen-und-Eingeweide-Schlachtplatte früherer „Zombicide“-Inkarnationen. Anspruchsvoll bleibt das kooperative Spielgeschehen trotzdem, sodass die Altersempfehlung schon deshalb sinnvoll ist.


    Mit einem Tutorial, das noch einfach ist, geht es los.

Beim Unboxing erwarten einen – im durchaus positiven Sinne – keine Überraschungen. Das Spielmaterial wirkt wie immer hochwertig. Praktische Plastiktableaus unterstützen das Charakermanagement, Ausrüstungskarten mit passend militaristischen Illustrationen werten die Helden auf und die Spielmarker bestehen aus fester Pappe. Die 9 doppelseiten Kartenteile sind diesmal ziemlich düster gehalten, zeigen sie doch unterirdische Abbaustollen und industrielle Fertigunterkünfte mit Metallgitterböden und schummriger Beleuchtung (wie es sich halt für ein „Alien“-Setting gehört).   Das bietet jetzt kein optisches Feuerwerk auf dem Spieltisch, sieht aber sehr atmosphärisch aus.

Dazu passen auch die Miniaturen, die das Kernstück des Spiels sind. 6 Helden in Power-Rüstungen, eine mobile Waffenplattform (Verfechter-Bot) und ein Geschütz auf Dreibein wollen für Ordnung sorgen. Ihnen gegenüber stehen blutrote 64 Xenos, die sich – typisch für „Zombicide“ – in Minen-Arbeiter (= Schlurfer), Minen-Jäger (= Läufer), Minen-Berserker (= Fettbrocken) und 1 mächtiges Minen-Monstrum unterteilen. Alle Minis sind schön detailreich und sehen viel besser aus als die Zombies vor Jahren beim ursprünglichen „Zombicide“. Trotzdem sind die Helden nicht ganz leicht auf dem Spieltisch zu unterscheiden: Es sind halt alles Soldaten in Rüstung mit dicker Knarre. Hier hätte man noch ein wenig an den Posen oder Charakereigenheiten schrauben können. So muss man sich primär auf die Farbringe an der Base verlassen, wenn man wissen will, wer wer ist. Diese Farbringe hätten übrigens etwas knalliger ausfallen können. Gerade blassgrün und grau sowie dunkelviolett und schwarz sind bei etwas schlechterer Beleuchtung nur schwer zu unterscheiden.

Das Spiel im Allgemeinen …


    So ein paar Xenos können Marines doch nicht erschüttern!

Am Spielkonzept hat sich auch in dieser neusten Inkarnation von „Zombicide“ nichts geändert. Vor dem Spiel wählt man sich eine Mission (von 10) aus, die entweder einzeln oder als Kampagne gespielt werden können, wobei die Kampagne ein rein narratives Element ist. Jede Partie fängt trotzdem immer bei Null an. Erfahrung und Ausrüstung können nicht mitgenommen werden. Die Mission bestimmt den Aufbau des Spielfelds und legt die Ziele fest. Gespielt wird stets mit dem ganzen Green Squad, egal ob 1 Spieler oder 6 am Tisch sitzen. Die Mühe, verschiedene Spielerzahlen auszugleichen, haben sich die Designer nicht gemacht. Alle Soldaten besitzen leicht unterschiedliche Fähigkeiten, die man sinnvollerweise taktisch nutzt. So kann das einzige nichtmenschliche Mitglied der Truppe besonders gut in den finsteren Stollen sehen, eine Soldatin ist auf das Suchen von Ausrüstung spezialisiert und eine weitere vermag auch in der eigenen Zone Fernkampfangriffe durchzuführen (normalerweise verboten), ohne dabei ihre Kollegen abzuknallen (sehr praktisch). Jedes Mitglied des Teams erhält noch Pistole und Elektroschlagstock (völlig unpassend „Viehtreiber“ genannt), dann kann es losgehen.

Gespielt wird – wie seit dem ersten „Zombicide“ – in Runden, die in 3 Phasen aufgeteilt sind: eine Spielerphase, eine Xeno-Phase und eine Endphase. In der Spielerphase darf jeder Spieler (im Uhrzeigersinn vom Startspieler ausgehend) all seine Überlebenden (in beliebiger Reihenfolge) 3 Aktionen ausführen lassen. Dazu zählen die typischen Dinge, die es in jedem Dungeon-Crawler gibt: Bewegen, Angreifen, Raum durchsuchen, Ausrüstung tauschen usw. Die Angriffswerte werden dabei durch die getragenen Waffen bestimmt. Mit einer vorgegebenen Anzahl Würfel muss man einen festgelegten Zielwert erreichen; jeder Erfolg ist ein Treffer, der (meist) einen Xeno tötet. Also auch wenn im Spielverlauf eine Gegnerwelle über einen hinwegschwappt: Mit Glück und einem gut geölten Schnitter-Schwert kann man bis zu 6 der geifernden Kreaturen mit einer Aktion (!) fällen.


    Ein Veteran mit 20 Kills.

Weitere taktische Elemente sind beispielsweise Türen, die geschlossen werden können und Xenos eine Runde lang aufhalten (während diese das Schott in Metallsplitter zerschreddern). Beliebt sind auch seismische Granaten, die ganze Zonen verheeren, alle Figuren dort töten und die gefürchteten Zugangsschächte der Xenos zum Einsturz bringen. Das macht natürlich einen Heidenlärm, aber auch Lärm ist mitunter ein taktisches Element, etwa um Xenos in eine falsche Richtung zu locken. Gerade wenn so ein schweres Minen-Monstrum (der dickste Brocken des Spiels) durch die Stollen stapft, ist man froh, wenn man mal in der falschen Richtung ein Glöckchen läuten kann (Lärmplättchen haben kleine Glockensymbole).

Apropos herumstapfen: In der Xeno-Phase steuert das Spiel die Gegner. Jeder Xeno auf dem Spielplan wird einmal aktiviert und darf entweder angreifen, wenn er sich in einer Zone mit einem Helden befindet, oder er bewegt sich eine Zone auf die nächstbesten Helden zu. Am Anfang sieht das alles noch ganz beherrschbar aus, aber spätestens nach 5 bis 6 Runden wird es dann eng. Denn nach der Aktivierung erfolgt die Brut, das heißt auf jedem der 3 bis 4 auf dem Spielplan verteilten Brutplättchen tauchen Xenos auf – und das meist nicht zu knapp. Was genau erscheint, entscheidet eine gezogene Xeno-Karte und das Level der Helden. Denn diese erhalten Erfahrungspunkte für jeden Abschuss und steigen damit bis zu dreimal auf (von Stufe blau über gelb und orange bis rot). So erhalten die Soldaten zwar neue Fähigkeiten, aber gleichzeitig werden auch die Gegner immer zahlreicher und lästiger.

In der Endphase werden alle Lärmplättchen entfernt und der Startspielermarker wandert einen Spieler nach links. Das wird so lang fortgesetzt, bis entweder die Siegbedingungen für die Mission erfüllt sind – oder die für eine Niederlage eintreten (meist der Tod der Helden).

… und im Speziellen


    Gruppenbild mit Robo und Kanone.

So weit, so allgemein bekannt – zumindest, wenn man bereits andere „Zombicide“-Spiele gespielt hat. Doch wie jede Inkarnation hat auch „Dark Side“ seine Eigenheiten, die zum Teil schon angedeutet wurden. Zum einen herrscht in allen Stollen auf dem Spielbrett Dunkelheit. In dieser können selbst Soldaten in Power-Rüstungen rein gar nichts sehen (weil die nämlich ihre Helme alle am Gürtel tragen, statt auf dem Kopf, die Seppel). Das macht die Durchquerung der Tunnel ziemlich gefährlich, denn Xenos lassen sich erst bekämpfen, wenn sie mit einem in der gleichen Zone stehen. Ein armer Tropf, wer zu diesem Zeitpunkt noch seinen miesen Startkarten-Viehtreiber als einzige Nahkampfwaffe in der Hand hält. Taschenlampen und Prototypen-Waffen sorgen hier für Abhilfe, weil sie die Sichtlinie wieder auf Normalniveau anheben, aber die muss man erst mal finden beziehungsweise einsammeln.

Unerfreulich sind auch die Schächte, die das Minen-Monstrum überall gräbt. Daraus können nicht nur weitere Xenos auftauchen, diejenigen, die sich in einer Zone mit einem Schachtausgang befinden, sind obendrein um 1 Punkt schwerer zu verletzten. So braucht man plötzlich für einen läppischen Arbeiter eine schwere Waffe, die zwei Schaden anrichtet, und einen Berserker, der plötzlich drei Schadenpunkte aushält, bekommt man nur mit einem gezielten Treffer und etwas Würfelglück in den Griff. An dieser Stelle möchte ich nochmal auf den Wert der seismischen Granate hinweisen. ;-)

Auf der Habenseite stehen der Verfechter-Bot und das Demolier-Geschütz, deren eigenwillige Namen nichts daran ändern, dass sie höchst effektiv gegen Xenos vorgehen und den Helden durchaus den Hintern retten können. Das Demolier-Geschütz steht zwar unbeweglich auf jedem Spielplan und will daher geschickt genutzt werden, aber der Verfechter-Bot ist eine solide Feuerunterstützung, die auch in der Finsternis der Stollen funktioniert. (Gibt ja sowas wie Infrarot-Sensoren, die bestimmt auch in den Helmen der Soldaten drin sind, aber die tragen ihre Helme ja am Gürtel ...)


    Das Green Squad steht (in einer Solo-Partie) kurz vor dem Sieg.

Eine Anmerkung noch zur Spielerzahl: „Zombicide – Dark Side“ ist für 1 bis 6 Spieler gedacht, wobei das Spiel grundsätzlich nach oben offen skalierbar ist. Allerdings muss man je nach Spielerzahl ein paar taktische Nachteile in Kauf nehmen. Wie oben geschrieben, aktiviert jeder Spieler all seine Helden in beliebiger Reihenfolge, bevor der Spieler zu seiner Linken dran ist. Das heißt, wenn man allein spielt, kann man alle 6 Soldaten völlig frei agieren lassen (was gerade in brenzligen Lagen extrem wichtig ist). Spielt man zu zweit, muss zunächst einer 3 Helden, dann der nächste 3 Helden aktivieren. Noch schlimmer wird es zu dritt. Da existieren 3 Aktivierungsblöcke zu je 2 Helden. Bei 6+ Spielern wird es dann maximal unflexibel, weil die Aktivierungsreihenfolge der Figuren von der Sitzreihenfolge am Tisch festgelegt wird. Das erhöht den Schwierigkeitsgrad merklich. (Um hier für Fairness zu sorgen, empfehle ich die Hausregel, dass alle Spieler nach dem Startspieler einer Runde  in beliebiger Reihenfolge dran sind, bis jeder seine Helden aktiviert hat.)

Fazit: „Zombicide – Dark Side“ ist ein missionsbasiertes Miniaturenspiel, das vor allem Hobbytaktiker anspricht. Durch die militaristische Optik hat es weniger vom klassischen Zombie-Überlebenskampf und erinnert mehr an den Konflikt zwischen Colonial Marines und Aliens (siehe der Action-Kracher von James Cameron „Aliens – Die Rückkehr“ aus dem Jahr 1986). Jede Mission ist eine Herausforderung, die kluge Planung, etwas Glück und durchaus auch ein wenig Frustrationstoleranz erfordert. Vom „Zombicide“-Feeling ist zugegeben wenig geblieben. Der Spielmechanismus ist natürlich noch da – und funktioniert hervorragend. Aber ob die Xeno-Brut jetzt infiziert ist oder nicht, ist ziemlich egal. Man sieht es den Figuren jedenfalls nicht an. Was im Umkehrschluss das Spiel für alle attraktiv macht, die mehr Spaß an zünftigem Alien-Geballer haben als an schlurfenden Untoten.

Zombicide – Dark Side
Brettspiel für 1 bis 6 Spieler ab 12 Jahren
Raphaël Guiton, Jean-Baptiste Lullien, Nicolas Raoult
CMON/Asmodee 2020
EAN: 4015566601390
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 89,95

bei amazon.de bestellen