Wonder Woman 1 – Die Rebellin (Dawn of DC)

Nur ein Wunder kann die USA noch retten. Die Frau, die selbstbewusst in die Öffentlichkeit getreten ist und nun die Hoffnung verkörpern soll, hat große Verantwortung zu tragen und einem noch größeren Druck standzuhalten. Die politischen Gegner schrecken vor keinem Mittel zurück, sie zu besiegen und schnellstmöglich wieder in Vergessenheit geraten zu lassen. In dem Comic: „Wonder Woman 1 – Die Rebellin“ schickt Tom King keine andere als Wonder Woman in einen Kampf, der größer scheint, als je zuvor: Es geht um die Zukunft der Demokratie! Wie gut ist dieser Auftakt?

von Daniel Pabst

„Wonder Woman 1 – Die Rebellin“ bildet den Comic-Auftakt einer neuen „Wonder Woman“-Ära. Der Untertitel des ersten Bandes lautet „Die Rebellin“ und gibt damit bereits eine grobe Zielrichtung vor, wohin diese Reise gehen wird. Auf insgesamt 172 Seiten – aufgeteilt in ein Intro, sechs Kapitel und eine Covergalerie – wird die Geschichte erzählt, wie in den Vereinigten Staaten von Amerika ein Unrechtsregime damit beginnt, die Amazonen zu diskriminieren und systematisch des Landes zu verweisen. Als Anlass hierfür wird ein Ereignis in einer Billard-Bar genommen, bei dem eine Amazone sechzehn Männer ermordet haben soll. Sofort stürzen sich alle Medien auf diesen Vorfall. Wer war die Mörderin? Warum hat sie so gehandelt, wie ihr vorgeworfen wird? Aus welchem Grund hat sie die zwei einzig anwesenden Frauen „verschont“? Für die Politiker jedenfalls gilt es schnell die Deutungshoheit über den Fall zu gewinnen. Und so lesen wir, wie die ersten Maßnahmenpakete geschnürt werden, um Schuldige zu finden und zu bestrafen …

Daniel Sampere, der für die graphische Umsetzung der Gedanken von Tom King zuständig gewesen ist, zeigt realistische Charaktere. Besonders gelungen sind die Emotionen der Charaktere – allen voran natürlich die von Wonder Woman. Ebenfalls eindrucksvoll sind die (vielen) Actionszenen. Hier kommen nicht nur eine Peitsche, sondern auch Schwerter, Fäuste, Pfeil und Bogen und Panzer, Kampfjets, jede Menge Artillerie und Gewehre zum Einsatz. Das Cover von Daniel Sampere verspricht also nicht zu viel. Wonder Woman zeigt im Comic vollen Einsatz. Die Farbgebung von Tomeu Morey passt hervorragend zu den Zeichnungen. Diese sind nicht allzu knallig und geben dem Ganzen so einen realistischeren Ton. Doch was sind schon gute Zeichnungen und schöne Farben, wenn die Rahmenhandlung nicht überzeugen kann? Wie also ist die Handlung dieses Auftaktbandes zu bewerten?

Wie schon zu Beginn mitgeteilt, fährt Tom King hier große Geschütze aus. Er zeigt in diesem Comic nämlich nicht nur den Kampf von Wonder Woman gegen „das Böse“, sondern stellt ihr die Zukunft der USA gegenüber, die sie zu retten hat. Was könnte es Bedeutenderes geben? Da Wonder Woman selbst eine Amazone ist (und eine persönliche Verbindung zu der Mörderin in der Billard-Bar zu haben scheint), gerät sie schnell selbst in die Zielscheibe der amerikanischen Regierung. Schockierend ist es dabei vor allem mitanzusehen, wie die Regierung in immer schnelleren Schritten die Amazonen ausweisen will und auch nicht davor zurückschreckt, Waffen einzusetzen. Was aber können die vielen bereits in den Vereinigten Staaten lebenden Amazonen für das begangene Unrecht einer einzigen Amazone?

Neben dieser Ausgangsfrage, bespielt Tom King in „Wonder Woman 1 – Die Rebellin“ weitere Themenfelder. So erfahren wir beispielsweise in dem Intro, dass Wonder Womans Tochter mit Batmans und Supermans Sohn eine Mission unternimmt. In einem Kerker finden sie einen „König“, der dann die in den sechs Kapiteln folgende Geschichte über Wonder Woman erzählt. Das ist eine sehr kreative Art der Erzählung, da die Geschichte den Leserinnen und Lesern so durch eine andere Perspektive vermittelt wird. Vor allem, da der Erzähler auf der Seite der Regierung und damit auf der Seite steht, die die Amazonen einst verfolgten und auch den Tod von Wonder Woman planten (oder immer noch planen?).

Die Geschichte liest sich flüssig und hat eine ausgewogene Mischung an Action und Storybuilding. Auch nimmt sich King ausreichend Zeit für die Charakterstudie von Wonder Woman, ihrer Schwester und ihren Freundinnen. So wird beispielsweise an einer Stelle bewusst das Tempo rausgenommen, als Wonder Woman einem schwerkranken Jungen den Traum erfüllt, einen Tag gemeinsam mit ihr im „Paradies“ zu verbringen. Das ist berührend. Und als dann im späteren Verlauf der Geschichte noch Silver Swan, Angle Man, Giganta, Dr. Psycho, Circe, und Grail – die Tochter von  Darkseid höchstpersönlich – auftreten, wird die Action um ein weiteres Mal auf Hochtouren getrieben.  

Anders als andere Actionhelden-Geschichten, ist dieser Comic-Band auffallend textreich. Gerade hierin finden sich immer wieder starke Sätze („So sind die Männer. So bleiben sie. Sie müssen erst an Felsen brechen, um zu begreifen, dass sie selbst aus Wasser sind.“). Auch dringt man durch die vielen Dialoge und Zeilen von Wonder Woman noch tiefer in die jeweiligen Konflikte und die Gedankenwelt der Charaktere ein. Natürlich spart auch dieser Auftaktband nicht damit, zu zeigen, welche unerschöpflichen Superkräfte Wonder Woman zu besitzen scheint. Ihr muskulöser und makelloser Körper wirkt übermächtig und selbst blutüberströmt mag er die Gegner noch beeindrucken. Was diese Frau zu Genüge hat, ist die Hoffnung – Hoffnung auf ein gutes Ende! Wie diese Geschichte enden wird, das erfahren wir in diesem Band übrigens noch nicht. Wie gesagt, handelt es sich hier ja um den ersten Band einer neuen „Wonder Woman“-Ära. Spannung hinterlässt der Comic auf alle Fälle. Das liegt zum einen an der starken Charakterisierung von Wonder Woman, die Einblicke in ihre Gefühlswelt gibt sowie ihren Freundinnen, die sie unterstützen. Zum anderen liegt es an der krassen Rahmenhandlung, die verstörende Einblicke in die (fiktive) Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika gibt, in der ein Präsident (und ein „König“) mit seinem Regierungsteam herrschen, die eine Streitmacht hinter sich haben, die verheerende Folgen herbeiführt.

Fazit: Ungeahnt politisch und gleichzeitig actionreich ist „Wonder Woman 1 – Die Rebellin“ von Tom King (Autor) und Daniel Sampere (Zeichnungen) geworden. Dieser Auftakt macht Lust auf mehr und regt beim Lesen die Gedanken an. Wer keine Lust und Zeit auf längere Dialoge und verschiedene Handlungsbögen hat, der kann selbstredend einen Bogen um diesen Comic machen. Wer dagegen Interesse an einer Frau hat, die auch im Angesicht des Untergangs nicht aufgibt und die die Hoffnung wie kaum eine andere Superheldin symbolisiert, der wird mit diesem Comic eine geistreiche Zeit erleben. Vielleicht kommt dieser Comic ja gerade zur richtigen Zeit?

Wonder Woman 1 – Die Rebellin
Comic
Tom King, Daniel Sampere
Panini Comics 2024
ISBN: 978-3-7416-3769-8
172 S., Softcover, deutsch
Preis: 23,00 EUR

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