von Lars Jeske

So dann, dies ist der letzte Teil der Waisen, welcher den gemeinsamen Lebensweg der Jugendlichen unter militärischer Indoktrination nachvollzieht. Die Zeitspanne, die das Team zusammenschweißt und aus den fünf einander fremden Kindern Jonas, Sam, Ringo, Juno und Raul die eingeschworenen Waisen macht: Boyscout, Pistolero, Eremit, Rotznase und Engel. – Nun gut, seit dem letzten Band ist das mit dem Team nun auch Geschichte. Da es erneut einen Cliffhanger gab, wartet man als Leser nun gespannt auf die Lösung des Konfliktes.

Jedoch beginnt „Zurück zur Erde“ mit einem mehrseitigen Vorspiel in Form des bekannten Rückblicks. Dieser Einblick in die erste Zeitlinie verdeutlicht einem zuerst, wie man es als humanoide Lebensform schafft, lange Entfernungen im All auf einem Raumschiff zu überbrücken. Dafür, dass wir uns eben noch inmitten von Schicksalsentscheidungen befanden, ist dieser Einschub beinahe störend. Später wird diese Szene aus der späten Jugend vermutlich kurz einmal interessant, aber jetzt will man das gar nicht wissen. Jetzt steht gerade das Leben so vieler auf des Messers Schneide.

Im Anschluss präsentieren die Autoren wiederum nach altem Muster eine Mission des Teams aus der Vergangenheit, die noch einmal das Konfliktpotenzial und die zwischenzeitlichen zwischenmenschlichen Spannungen im Team, vor allem zwischen Ringo und Jonas, thematisieren. Erst dann geht es mit Karacho zurück auf die Erde und der erste Teil dieses Bandes auch schon vorbei. Allerdings auch mit einem Leckerbissen, der sowohl optisch herausstechenden als auch inhaltlich verstörenden Traumsequenz am Galgenbaum. Wie immer ist diese Sequenz ganz anders gezeichnet als die übrigen Seiten, was eben auch das künstlerische Talent der Zeichner und Tuscher zur Schau stellt. Zurück auf der Erde kommt es zur finalen Entscheidung, die, wenngleich nur zwischen zwei Personen ausgefochten, über das Schicksal der gesamten Welt entscheiden kann: Frieden oder Wahrheit.

Auch für die letzte Runde haben sich alle Beteiligten rund um Roberto Recchioni noch einmal richtig ins Zeug gelegt sowie alle Register gezogen. Man kann an fast jedem Gesicht durch alle Zeitepochen hinweg die Gefühle sehen und wie intensiv in all der Zeit gelebt und gerungen wurde. Durch die Vielzahl an beteiligten Künstlern umso verwunderlicher und beeindruckender. Die coole Story kippt erst auf den letzten Seiten und es wurde leider nicht ganz das Ende, welches ich mir erhofft hatte. Aber stimmig ist es dennoch, schmälert die Gesamthandlung in keiner Weise und ist selbstverständlich das beste Ende, welches sich die Künstler ausdenken konnten.

Was bleibt: Die sechs Bände der „Waisen“ ist eine tolle Science-Fiction-Geschichte auf 1200 actiongeladenen Seiten mit individuell designten Charakteren und einer bis ins Details durchdachten inhaltlichen wie optischen Inszenierung. Vor allem die unterschiedlichen Zeitlinien, welche umso mehr Tiefe für die Charaktere und deren Entwicklung bieten, sind geschickt eingesetzt und helfen dem Leser, eine emotionale Bindung zu den Protagonisten aufzubauen. Für uns Außenstehende des Entwicklungsprozesses wurden jeweils als Anhang Skizzen und Kommentare zusammengestellt, die noch einmal gesondert auf die verschiedenen Aspekte des Comics eingehen. Das Artwork ist trotz der großen Gruppe an Zeichnern und den unterschiedlichen Epochen überzeugend und überaus stimmig. Alles in allem eine runde Sache und eine spannungsvolle Geschichte mit einigen überraschenden Wendungen und Szenen, welche einem noch nach der Lektüre anregen, sich über diese Welt Gedanken zu machen.

Fazit: Mit „Zurück zur Erde“ findet die rasante Geschichte der Waisen ihren fulminanten Abschluss. Wie immer ist optisch nichts auszusetzen, unerwartet, da ungewöhnlich, sind jedoch der verhältnismäßig lange Vorspann und das für den Verlauf der Handlung doch eher einfache Ende. Dennoch ist es ein gelungener letzter Band eines außergewöhnlichen Werkes. Man kann es nicht oft genug wiederholen: ein unbedingter Lesetipp.

Waisen 6: Zurück zur Erde
Comic
Roberto Recchioni, Luigi Cavenago, Werther Dell’Edera, u.a.
Cross Cult 2015
ISBN: 978-3-86425-395-9
207 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 16,80

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