Undo – Blut im Rinnstein

Dem Tod noch einmal von der Schippe springen: Wer würde das nicht gern tun? Als Normalsterblicher fehlt es einem an der Macht, die Unwägbarkeiten des Lebens zu den eigenen Gunsten auszutarieren. Als Schicksalsweber in der Spielereihe „Undo“ besitzen die Spieler diese Möglichkeit aber sehr wohl.

von Bastian Ludwig

Disclaimer: „Undo“ ist ein storygetriebenes Detektivspiel. Aber keine Angst, diese Rezension ist spoilerfrei.

Regeln

In „Undo“ übernehmen die Spieler die Rolle von Schicksalswebern. Sie besitzen die Fähigkeit, an verschiedenen Stationen im Leben einer Person einzugreifen, so deren Zukunft zu verändern und hoffentlich ihren grausamen Tod abzuwenden. Die Lebensgeschichte des Protagonisten wird auf dreizehn Karten erzählt, wobei die Spieler am Ende der meisten Karten aus drei Möglichkeiten wählen können, in welcher Weise sie das Schicksal verändern möchten. Welche Entscheidung sie treffen, entscheidet darüber, inwieweit das Los des Protagonisten verändert werden konnte.

„Undo“ gehört zum Kreis der Spiele, die man nur einmal spielen kann. Es gibt inzwischen mehrere einzelne Episoden, die sich vollkommen unabhängig voneinander spielen lassen und verschiedene Genres bedienen.

Bewertung

„Undo“ ist ein kommunikatives Detektivspiel, bei dem es nicht um harte Regeln geht, sondern darum, gemeinsam mit Freunden ins Gespräch zu kommen und die Geschichte des Protagonisten zu entwirren. Mehr als bei anderen Spielen hängt das Gelingen deswegen von der Spielgruppe ab, das Spiel selbst kann nur den Rahmen liefern.


    Moneten, Jazz und Blaue Bohnen: Es geht ins Chicago der 20er-Jahre.

Die Fähigkeit, die Reihenfolge der Handlungsschnipsel frei zu wählen, und die Möglichkeit, immer wieder Entscheidungen über das Schicksal des Protagonisten zu treffen, verleihen dem Handeln der Spieler Fokus und Kontur. Klar, dass man dabei noch immer oft genug ins Blaue schießt, auch weil die Karten nicht immer so eindeutig formuliert sind, dass man die Konsequenzen einer Entscheidung absehen kann, aber wenn man zuvor eingehend darüber diskutiert hat und Spaß dabei hatte, hat das Spiel sein Ziel erreicht.

Ein Wermutstropfen: Da die Geschichte nun einmal fest ausformuliert ist, erfährt man erst ganz zum Schluss, welchen Einfluss man auf das Schicksal des Protagonisten hatte. Das eigene Wirken als eigentlich ja sehr mächtiger Schicksalsweber bleibt damit die ganze Zeit enttäuschend ungreifbar.


    Hinweiskarten geben vertiefende Informationen.

Schade ist auch, dass man auf den Lösungskarten nur eine Variante der Geschehnisse aufgelöst bekommt. Welche Konsequenzen andere Entscheidungen gehabt hätten und warum eine Option besser ist als die andere ist, bleibt damit offen.

Szenario: Blut im Rinnstein

Jede Episode von „Undo“ bedient andere Orte, Zeiten und Genres. „Blut im Rinnstein“ führt die Spieler ins Chicago der späten 1920er-Jahre. Angesichts dieses Handlungsortes und der Piepen und Schießeisen auf dem Titelbild, ist es wohl kein großer Spoiler, dass man in dieser Episode in die Untiefen des organisierten Verbrechens der Roaring Twenties abtaucht. Die Geschichte bedient sich dann auch bei weidlich bekannten Motiven von Gangstererzählungen und dürfte dadurch für alle Spielertypen zugänglich sein. Auch historische Ereignisse der Handlungsepoche spielen eine Rolle, Vorwissen ist aber nicht unbedingt nötig, um die Geschichte aufzudröseln – und doch ist es für diejenigen, die Bekanntes wiedererkennen, ein schönes Schmankerl. „Blut im Rinnstein“ eignet sich damit gut als Einstieg in die Welt von „Undo“.


    Mit Zeitkarten hüpft man durch die Geschichte, Schicksalskarten verraten, wie erfolgreich man war.

Fazit: „Undo“ ist ein kommunikatives Detektivspiel, das seine Spieler mit wenigen, aber klug gesetzten Mechaniken zum Diskutieren motiviert. Die Episode „Blut im Rinnstein“ gefällt durch eine spannende, klar zu entschlüsselnde Handlung, die auch Einsteigern Freude bereiten dürfte.

Zusammenfassendes Fazit für die Episoden „Verbotenes Wissen“, „Fluch aus der Vergangenheit“, „Schatzsuche“ und „Blut im Rinnstein“:

Mit „Undo“ hat die Spielelandschaft eine neue, episodisch erzählte Spielereihe zu bieten, ähnlich wie man das schon seit längerem von Escape-Room-Spielen und Konsorten kennt. Der Vorteil daran: Spielerisch machen die einzelnen Teile keinen Unterschied – kennt man das Prinzip, kann man sofort losspielen. Bei der Wahl einer Episode kann man sich also getrost auf das Szenario und die Titelbildillustration verlassen, um eine Geschichte zu finden, die den eigenen Geschmack trifft.

Okkulthorror, Psychogramm, Abenteuer und Gangsterballade: Die vier Episoden „Verbotenes Wissen“, „Fluch aus der Vergangenheit“, „Schatzsuche“ und „Blut im Rinnstein“ bieten einen schönen Überblick über die Bandbreite an Genres und erzählerischen Ansätzen, die „Undo“ zu bieten hat.

Motivierend sind alle vier Teile, zugänglich auch, wobei es sicherlich nicht verkehrt ist, für „Verbotenes Wissen“ ein Faible für Okkulthorror zu besitzen, um die speziellen Gedankengänge dieses Genres nachvollziehen zu können. „Fluch der Vergangenheit“ ist da schon deutlich gefälliger, wenngleich die, sagen wir mal, fantasievolle Psychologie hinter der Geschichte sicherlich nicht jedem sofort einleuchtet. „Schatzsuche“ bedient sich hingegen an bekannten Mustern von Abenteuergeschichten, die jeder entschlüsseln können sollte, der schon mal einen Film oder Literatur dieser Art  gesichtet hat. Als Einstiegsepisode am besten geeignet ist wohl „Blut im Rinnstein“ mit seiner starken Verankerung in der realen Welt und seinen Anleihen an das beliebte wie bekannte Genre der Gangstererzählungen.

Undo – Blut im Rinnstein
Detektivspiel für 2 bis 6 Spieler ab 10 Jahren
Michael Palm, Lukas Zach, Lea Fröhlich
Pegasus Spiele 2019
Sprache: Deutsch
EAN: 4250231718472
Preis: EUR 9,95

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