Tipps für die Spielleitung (II)

Das Büchlein enthält laut Aufdruck auf dem Einband „gesammelte Weisheiten zum Leiten einer CTHULHU-Spielrunde“. Auf alle Fälle sind eine ganze Menge Tipps enthalten, und es richtet sich an Anfänger*innen und Fortgeschrittene. Ein gelungener Ratgeber sollte vor allem nützlich sein. Wie sehr wird es dieser Zielsetzung gerecht?

von Markus Kolbeck

Der etwa in DIN A5 gehaltene Band ist als Hardcover bei Pegasus Press 2023 als Übersetzung veröffentlicht worden. Er umfasst 123 Seiten und kleine (sich zum Teil wiederholende) Schwarz-Weiß-Illustrationen. Die englische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel „Keeper’s Tips“ bei Chaosium.

Inhalt

Der Band enthält eine Fülle an Spielleiten-Tipps von verschiedenen Autor*innen, 17 an der Zahl, die alle erfahrene „Cthulhu“-Spielleiter*innen sind, wie etwa Scott David Aniolowski, Mike Mason, Lynne Hardy und Mark Morrison, um die bekannteren zu nennen. Die Namen der Autor*innen werden bei den Tipps nicht genannt. Es werden in 17 Kapiteln (plus „Einführung“ und „Biografien“) Ratschläge zu praktisch allen relevanten Spielleiten-Themen aufgeführt.

Um einen Überblick über die Vielfalt der Themen zu geben, liste ich im Folgenden die Kapitelüberschriften der Reihe nach auf: Einführung, Grundregeln, Inklusion, Vorbereitung, Die Spieler, Einfühlungsvermögen, Ein Szenario gestalten, Spielmechanik, Spielleiten, Horror, Geistige Stabilität, Der Cthulhu-Mythos, Personen (Nichtspielercharaktere), Monster, Online spielen, Requisiten und Handouts, Verschiedenes, Ressourcen und Biografien.

Um es nicht nur bei einer allgemeinen Betrachtungsweise zu belassen, zitiere ich hier konkret einen der Tipps aus dem Kapitel „Der Cthulhu-Mythos“, S. 86: „Mythos-Folianten sollten sich seltsam und unnatürlich anfühlen. Verleihe jedem einzelnen eine sonderbare und einzigartige Eigenschaft. Vielleicht bewegen sie sich, wenn der Investigator nicht hinsieht, öffnen sich immer an der gleichen Stelle, duften nach frischen Blumen und feuchter Erde oder flüstern unverständliche Geheimnisse oder rekapitulieren Gespräche aus der Vergangenheit. Die merkwürdige Eigenschaft muss nicht von vornherein bemerkbar sein.“

Kritik

Der Band enthält erfreulicherweise wirklich eine Fülle an Tipps zu den verschiedenen Facetten des „Cthulhu“-Spielleitens in unterschiedlicher Qualität, die von passabel bis gut reicht. Er stellt aber keine Verfahrensvorschrift dar, nach der man unbedingt vorgehen muss, und kein Patentrezept, das bei Befolgung Spielerfolg (im Sinne von gelungenem Grusel, Atmosphäre, Spaß, Spannung etc.) garantiert. Vielmehr stellt es einen vielfältigen Baukasten für den*die Spielleiter*in dar, aus dem er*sie auswählen kann, was Verwendung finden soll. Der*die Spielleiter*in hat auch hier – wie in vielen anderen Dingen des Spiels – die Wahl unter Optionen.

Die Tipps sind aufgrund ihrer Fülle, der Auswahlmöglichkeiten und vor allem der Einsteiger*innenfreundlichkeit insbesondere für Einsteiger*innen in das „Cthulhu“-Rollenspiel geeignet, jedoch ersetzen sie keine Vorerfahrungen für Komplettneueinsteiger*innen in das Hobby Rollenspiel. Allerdings gibt es hier eine Einschränkung: Nicht alle Tipps erschließen sich Anfänger*innen. Manchmal setzen sie spezifisches Vorwissen voraus. Der beste Tipp, den man Neulingen geben kann, ist, dass Horror-Rollenspiel vorher öfters als Spieler*in bei einem*einer erfahrenen Spielleiter*in gespielt zu haben, um sich mit den grundlegenden Spielmechaniken und den Aufgaben eines*einer Spielleiter*in vertraut zu machen und zu sehen, wie man Spannung und Gruselatmosphäre aufbaut beziehungsweise wie man ein für alle spaßiges Ereignis leitet.

Für viele Fortgeschrittene dürfte der Band allerdings nicht immer Neues bereithalten. Es kann zwar sinnvoll sein, sich das ein oder andere schon Bekannte und in den Hintergrund Geratene wieder ins Gedächtnis zu rufen, aber eine gewisse Enttäuschung dürften manche Veteranen beim Lesen schon haben. Insofern richtet sich das Büchlein insbesondere an Anfänger*innen und weniger an Fortgeschrittene.

Man kann also für erfahrene „Cthulhu“-Spielleiter*innen die Originalität des Bandes bezweifeln. Zudem sind einige – wenn auch wenige – Tipps widersprüchlich zueinander. Dies betont aber eigentlich nur nochmal den optionalen Charakter. Man kann sich auch fragen, ob die Ratschläge im Grundregelwerk zum Thema Spielleiten nicht erst mal für Anfänger*innen ausreichen. Die Verwendung von neun Seiten für die Biografien u. a. der Autor*innen halte ich für Platzverschwendung.

Die Kritik abschließend noch ein paar Worte zur Aufmachung des Bandes: Das Hardcover ist begrüßenswert, jedoch muss man sich fragen, ob es wirklich notwendig ist. Denn wird man das Buch so oft lesen, dass es einen festen Einband braucht? Wohl kaum! Der Preis von knapp 15,- Euro bei gegebenem Umfang ist in Ordnung, als Softcover hätte man es aber auch für rund 10,- Euro herausbringen können. Die Illustrationen hätte ich mir nicht nur bezogen auf Horror gewünscht, sondern spezifisch zu den jeweiligen Kapiteln, gerne auch etwas Humoriges. Denn eine Spielleiten-Tippssammlung zu einem Horror-Rollenspiel muss nicht selbst ernst sein. Das Layout ist solide, Rechtschreibfehler sind mir keine aufgefallen.

Fazit: Das Büchlein „Tipps für die Spielleitung“ bekommt im Internet von Verrissen bis durchwachsenen Rezensionen die unterschiedlichsten Bewertungen. Ich finde, es stellt ein nützliches Sekundärwerk dar, insbesondere für Einsteiger*innen bei „Cthulhu“ mit der kleinen Einschränkung, dass einzelne Tipps Vorwissen voraussetzen! Fortgeschrittene sollten sich eine Anschaffung nochmal überlegen, aber auch für sie könnte es eine Inspirationsquelle darstellen. Man kann es als ambivalent mit Vor- und Nachteilen ansehen und es ist in der Gesamtwertung bezüglich der Qualität „nur“ leicht überdurchschnittlich!

Tipps für die Spielleitung
Essayband
Mike Mason, Paul Fricker u. a.
Pegasus Press 2023
ISBN: 978-3-96928-107-9
128 S., Hardcover, deutsch
Preis: 14,95 EUR

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