von LarsB
Noch mehr Plättchen? Noch mehr Spielpläne? Ja! Wir legen mit der Erweiterung nochmal einen drauf! Aber was soll’s? „Tiletum“ sollte eh entweder vor Beginn des Spieleabends bereits aufgebaut sein oder in einem gemeinsamen Kraftakt von allen Spielenden, die ja erst Spielende sind, wenn sie spielen, und nicht wenn sie noch aufbauen, also von allen Aufbauenden … Ich hab’ den Anfang des Satzes vergessen. Botschaft: Mit Erweiterung eskaliert die Aufbauzeit nochmal. Aber „Tiletum“ ist eben nicht die schnelle Portion belgischer Pommes, wie man sie im heutigen Tielt zum Beispiel im „De Frietpost” genießen kann. „Tiletum“ wird nun mit Silberbesteck genossen. Da gibt man sich eben mehr Mühe beim Tischeindecken.
Das Spielmaterial
Es gibt für den „Tiletum“-erprobten Spieler (fast) keine Überraschungen hinsichtlich des Spielmaterials. Alle Plättchen sind qualitativ so wie die Plättchen im Grundspiel, alle Holzfiguren so wie die Holzfiguren im Grundspiel, die Spielpläne entsprechen auch der Qualität der Spielpläne im Grundspiel. Moment. Nein. Es gibt ein schönes Upgrade. Der linke Teil des Hauptspielplans wird nun von einem Aktionsrad mit richtiger Drehmechanik statt schnödem Plättchen überdeckt! Gut, es ist nur ein Plastiknupsi, der nun drei übereinanderliegende, gelochte Scheiben zentriert. Er tut seinen Zentrier-Job gut, aber Scheibe zwei und Scheibe drei müssen nach jeder Runde in unterschiedliche Richtungen gedreht werden. Da muss man schon aufpassen, dass alles seine Richtigkeit hat. Dass der neue Spielplanteil über den Hauptplan gelegt wird, ist nachvollziehbar, wirkt aber nicht sonderlich elegant auf dem Tisch. Durch den Parallaxen-Fehler, und man guckt als Spieler nun mal schräg auf das Spielbrett, wirkt das Brett eben nicht mehr wie aus einem Silberguss.
Die namensgebenden Silberstücke sind deutlich schöner als die Rohstoffpappplättchen aus dem Grundspiel. Richtig kleine Silber-Nuggets funkeln uns entgegen. Auch die silberminen-spezifischen Holzfiguren sind sehr ansprechend gestaltet: Hammer-und-Pickel-Figuren machen einen auf Schürfer und auch die sechs Minen pro Spielerfarbe sind gelungen. Farblich passen die Holzteile der Erweiterung wunderbar zu denen des Grundspieles, sodass hier alles schlüssig aussieht, wenn es angerichtet ist.
„Tiletum“ war auf dem Spieletisch nie ein ganz kleiner Vertreter. Aber für die drei zusätzlichen Untergrundpläne und den Buchplan muss der ein oder andere Aufbauende gerade in Vollbesetzung noch etwas an seinen Tisch anbauen. Es muss ja nicht gleich aus Silber sein.
Hervorragend ist, dass es nun endlich Übersichtskarten für jeden Spieler gibt! Dort findet man den (nun nochmal etwas längeren) Rundenablauf mit Erweiterung, genauso wie eine Übersicht der Nebenaktionen oder „Aufgaben“, wie es bei „Tiletum“ heißt. Darüber hinaus werden alle Aktionen auf den Übersichtskarten zusammengefasst. Es ist auch eine Karte für den Solomodus beigefügt. Die müssen sich die Spieler dann allerdings teilen … Ist der angekommen?
Das Spielschachtel-Cover hat mich irgendwie total gecatcht. Viiieeel hübscher als das Cover des Grundspiels. „Leider” passen alle Materialien auf Knautsch in die Grundschachtel. Und der Deckel der Erweiterung hat nicht die notwendige Saug-Schmatz-Höhe für die Schachtel des Grundspiels. Er wird also in der Versenkung verschwinden. Schade. Bei kaum einem Spiel ist ein gutes Inlay so sinnvoll wie bei „Tiletum“. Das gilt noch mehr mit der Erweiterung. Vielleicht wird sowas mal mit einem Partner in der Spieleschmiede zusammengeschmiedet?
Auf den Plättchen werden eine neue Schürfer-Familie sowie ein neues Wappen eingeführt. Drei neue Messeplättchen, neue Verträge und die neue Wertungsauflage adressieren ebenso das Thema und die Spielelemente der Erweiterung. Doch was ist mit den Steintafeln aus der Anleitung?! Die sind im Anhang aufgeführt, sonst fehlt aber jede Spur von ihnen. Mysteriös …
Welche Spielelemente kommen neu dazu?
Ganz heruntergebrochen tummeln wir uns mit weiteren Spielfiguren nicht nur auf dem Hauptspielplan, sondern nun auch noch in gleich mehreren Silberminen. Und wir klettern auf Buchleisten nach oben. Ersteres bringt uns Boni, Silbereinkommen über gebaute Minen und neue Bauplätze für Kathedralen. Die Bücher bringen uns themenbezogene Fähigkeiten. Der Bildungszugang funktioniert nur über Silber. Da haben wir aber Glück, dass wir die Silberminen nun mit im Zugriff haben.
Wie oben schon im Kapitel „Spielmaterial“ angedeutet, haben wir nun eine zusätzliche Aktionsradebene bekommen. Wir haben nun eine siebte Aktion „Ab in den Untergrund zum Schürfen” – wie es sich gehört – inklusive Bonusplättchen. Diese Aktion kann anstelle der sonst üblichen Aktionen gleich bei zwei Würfelwerten ausgelöst werden. Genau gegenüber auf dem Rondell gibt es für zwei Würfelwerte die Bonusaktion, den Schürfer a.k.a. Händler-Architekt-Minenbauer-Multitalent der Unterwelt ein Feld weit unter Tage bewegen zu können.
Auf den Untergrundtableaus sind Bewegungen schon ein bisschen anders als an der frischen Luft des Hauptspielplans. Irgendwie ist es dort so viel belohnender, aber auch so viel fragiler. Durch das reine Fortbewegen erhalten wir nämlich an der ein oder anderen Stelle Boni, die dann aber abgedeckt werden (mit Einsturzplättchen) und somit niemandem mehr in dieser Partie zur Verfügung stehen. Es gibt zum Glück gleich drei Untergrundtableaus. Auf Tableau eins starten wir alle zusammen. Tableaus zwei und drei kosten Eintritt, den wir in Form von Silber abdrücken müssen. Dafür ist es dort toller und auch nicht so überfüllt. Hoffentlich kommen die Mitspieler nicht auf die Idee, dass es hier was zu holen gibt … Auch im Untergrund können Handelshäuser und sogenannte Untergrundkathedralen gebaut werden. Letztere kosten jedoch Edelmetall und nicht Stein. Übrigens: Es gibt 27 exklusive Untergrundbonusplättchen. Hier wird die neue Ressource Silber überproportional thematisiert. Jaaa! Noch mehr Plättchen!
Das Buchtableau bietet Platz für drei Bücher. Gleich neun Bücher sind in der Erweiterung beigelegt. Jedes Buch widmet sich thematisch einer der Hauptaktionen, also etwa „Gast“, „König“ oder „Schürfen“. Hier werden Fähigkeiten oder Rahmenbedingungen rund um die betreffende Aktion durch Voranschreiten auf der Leiste verbessert. Darüber hinaus gibt es noch die Bücher „Ressourcen“ und „Würfel“. Letztere Buchreihe flexibilisiert zum Beispiel die Würfelwerte oder auch die Ressourcen, die man durch die Wahl eines Würfels erhält. Voranschreiten auf den Buchleisten kostet Silber. Der erste Schritt ist mit nur einem Silber noch günstig. EIN SILBER?! Pssst. Ja, genau … Die Kosten steigen für jeden weiteren Schritt. Neben zusätzlicher Ausbildung – und Bildung ist auch in Tielt der Schlüssel zum Erfolg – gibt es für jeder Stufe auf den Buchtracks immerhin noch einen Siegpunkt am Ende des Spiels.
Das Spielgefühl
„Tiletum“ wird in „Die Suche nach Silber“ um zwei Spielkonzepte bereichert. Nicht, dass „Tiletum“ das dringend gebraucht hätte, um ein gutes Spiel zu werden. Nein. Aber mit Erweiterung ist es vielschichtiger, noch interessanter, noch abwechslungsreicher. Der Entscheidungsraum für die Spieler hat sich nochmals vergrößert. Das ist für einen „Tiletum“-Spieler mit ein paar Partien auf dem Buckel nicht tragisch komplex. Für einen „Tiletum“-Neuling stellen die Regeln der Erweiterung auf der einen Seite eine Herausforderung dar. Auf der anderen Seite bleiben nun länger Möglichkeiten, Ziele auf nochmal anderen Wegen (hier: im Untergrund) zu erreichen. Ziele wie „Kathedralen bauen“: kein Stein am Start, aber Silber? Go underground! In need of zwei Handelshäuser? Underground is a way to go! Wer braucht da noch unbedingt den Händler?! Zwei zusätzliche Gast-Aktionen benötigt? In Untergrundanschnitt IIB sammelt der Schürfer diese im Vorbeigehen sein.
Es erweitert sich also nicht nur der Entscheidungsraum, es erweitert sich auch der Lösungsraum. „Die Suche nach Silber“ macht „Tiletum“ weniger kompetitiv. Manchmal und gerade mit höheren Spielerzahlen hielt das Grundspiel hier Möglichkeiten für Gemeinheit durch Wegnehmen vor. Dank „Auf der Suche nach Silber“ finden nun mehr Spieler ihr Glück in einer Partie. Im Ergebnis sind unsere Punktzahlen höher als im Grundspiel. Glücklicherweise ist der „+300/+400 Punkte“-Chip mit beigelegt worden.
Eine zusätzliche Familie und ein weiteres Wappen entschärfen die Engpässe auf dem Spielertableau beim Belegen der Häuser. Mehr Möglichkeiten und die Frage, welche Familie soll ich außen vor lassen? Mehr Häuser sind es nämlich nicht geworden. Eine Aktion kann ich in der Folge nicht über Bonusaktionspunkte verbessern.
Die Buchtracks fühlen sich engine-building-mäßig gut an. Ich kann mich verbessern und habe von Partie zu Partie andere Buchkombinationen vor mir. Die Bücher sind von Belang, insbesondere wenn man eine Strategie um sie herum baut. Ja, „Tiletum“ wird durch die Bücher in der Regel strategischer. Ihre Permutationen lassen die Spieler immer neue Taktiken und Strategien entdecken. Sie sind damit eine langanhaltende Frischzellenkur für das Grundspiel.
Fazit: Was macht das Silber mit „Tiletum“? In der Hauptsache zwei Dinge: Erstens gewinnt die Abwechslung von Partie zu Partie. Das liegt nicht allein am Plus an Messeplättchen oder zwei neuen Endwertungsregeln. Insbesondere die Bücher und ihre Kombination zahlen hier kräftig ein. Zweitens schafft jeder Spieler im Durchschnitt mehr, findet mehr Wege – sprichwörtlich im Untergrund. Dadurch wird „Tiletum“ ein Stück planbarer, strategischer, befriedigender und auch netter. Den Aufbau beiseitegelassen, würde ich nicht nur mit einer erfahrenen „Tiletum“-Spielerunde nur noch mit „Die Suche nach Silber“ spielen. Und, ja, ich würde mich jederzeit durch weitere fünf Minuten Aufbauzeit für das Spiel mit dem Silber wühlen, weil es sich lohnt. Auch wenn ich immer noch vom idealen „Tiletum“-Inlay träume. Das Spiel hat es nun mit Erweiterung nötiger, aber auch verdienter denn je.
Tiletum – Die Suche nach Silber
Brettspiel-Erweiterung für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Daniele Tascini, Simone Luciani
Giant Roc 2025
EAN: 4255682705941
Sprache: Deutsch
Preis 40,000 EUR
bei giant-roc.com bestellen