von Alice
Nur wenige Menschen haben die Gabe, die Städte in der Luft zu halten. Außerdem nutzen sie ihre Kräfte, um die Pflanzen nach ihrem Willen zu formen, welche die Grundsubstanz aller Gebäude bilden. Wer sich unzureichende Erholungspausen gönnt, droht die Kontrolle über seine Gabe permanent zu verlieren, somit sind die Ressourcen begrenzt. Iravan hat als leitender Architekt eine der höchsten möglichen Positionen inne, die denjenigen mit der stärksten Gabe verliehen wird. Er versucht herauszufinden, weshalb es immer aufwändiger wird, in der Luft zu bleiben, denn irgendwas scheint den Prozess zu stören.
Seine Frau Ahilya forscht zur gleichen Zeit an Land. Es gibt nur wenige Tage, an denen der Sturm abflaut und man den Erdboden betreten kann. Sie erforscht, woher die Stürme kommen und beobachtet gigantische Tiere, die sich als einzige den Stürmen widersetzen können und die letzten Lebewesen an Land sind. Sie möchte herausfinden, wie ihnen das gelingt, und erwägt die Möglichkeit, dass auch Menschen wieder an Land leben könnten. Sie und ihr Mann arbeiten eigentlich fürs gleiche Ziel – eine bessere Zukunft für alle –, doch ist es gerade ihr Beruf, der ihre Ehe gefährdet. Ahilyas Methode könnte die Architekten überflüssig machen. Diese führen ein privilegiertes Leben, das sie ungern hergeben möchten. Ihr Mann dagegen wünscht sich, dass alles bleibt, wie es ist, was für Konflikte sorgt.
Seit Iravan zu einem leitenden Architekten aufgestiegen ist, haben er und Ahilya sich immer weiter entfremdet. Zwischen Architekten und den Menschen ohne die angeborene Gabe, Pflanzen zu beeinflussen, herrscht eine Kluft, die zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft ausgeartet ist. Iravan liebt seine Frau trotzdem, gleichzeitig stört sein Beruf ihre Beziehung, denn dieser zwingt ihn dazu, zahlreiche Geheimnisse vor ihr zu haben. Ahylias fühlt sich ausgeschlossen und minderwertig, weil sie nicht mit der Gabe geboren wurde. Sie will beweisen, dass auch Nicht-Architekten etwas bewirken können, und untersucht vor allem deshalb die gigantischen Lebewesen an Land. Falls sie mit ihren Forschungen einen Durchbruch erlangt, könnte das für einen Aufstand gegen die privilegierten Architekten sorgen und somit gegen ihren eigenen Mann.
Man liest abwechselnd aus der Sicht von Iravan und Ahylia, was grandios umgesetzt wurde. Dadurch erlebt man hin und wieder dieselbe Szene aus zwei Perspektiven und die jeweilige Sichtweise bezüglich des Konflikts. Schon bald kann man sich sehr gut in beide Charaktere einfühlen. Durch die Krise erfährt man viel über das Ehepaar, aber auch über die Gesellschaft, die von zahlreichen Zwängen geprägt ist. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil dieses Romans ist die Welt an sich. Die kreativ umgesetzte und neuartige Ideen sind faszinierend. Die Stadt ist überraschend naturverbunden, da sie nahezu komplett organischen Ursprungs ist. Ständig ändern sich die Gebäude, da die Pflanzen von den Architekten sehr beschleunigt in Form gebracht werden. Es kommt immer wieder vor, dass ganze Plätze je nach Anlass spontan umgestaltet werden. Ebenfalls beeindruckend sind die gigantischen Tierwesen, die in den Stürmen überleben. Hierbei handelt es sich um Naturgeister, sogenannte Yakshas. Spätestens daran erkennt man eine Inspiration durch den Hinduismus, zudem spielt Wiedergeburt eine bedeutende Rolle. Auf den Glauben an sich wird aber nicht eingegangen, es gibt lediglich Parallelen, woraus sich interessante Ideen entwickelt haben.
„The Surviving Sky“ ist der erste Teil einer Trilogie und nimmt sich viel Raum dafür, die Welt erst einmal kennenzulernen. Gleichzeitig bleibt die Handlung durchgehend spannend. Etwas schade ist nur, dass trotz der ausführlichen Beschreibungen, einzelne Ereignisse schwer verständlich bleiben. Die Charaktere sind mit dieser komplexen Welt bereits vertraut und verhalten sich auch entsprechend, was es den Leser erschwert, daran teilzuhaben. Für die Charaktere überraschende Wendungen lassen den Leser teilweise kalt, weil er sie einfach nicht versteht. Etwas Abhilfe schafft eine Erläuterung der für die Welt eigenen Begriffe am Ende des Buches, welche man auf jeden Fall rechtzeitig durchgehen sollte. Schade nur, dass diese dem Leser nur teilweise direkt durch die Handlung näher gebracht werden, genug Raum hätte es dafür zumindest gehabt.
Fazit: „The Surviving Sky“ bietet einen spannenden Einstieg in eine postapokalyptische Welt, die zahlreiche phantasievoll umgesetzte und neuartige Ideen mit sich bringt.
The Surviving Sky – Die Rages-Trilogie 1
Science-Fiction-Roman
Kritika H. Rao
Cross Cult 2024
ISBN: 978-3-98666-455-8
592 S., Paperback, deutsch
Preis: 20,00 EUR
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