The Case of Charles Dexter Ward

H. P. Lovecraft hat sich als Autor unheimlich-phantastischer Geschichten einen Namen gemacht. Eine seiner besseren ist hier als Bildergeschichte umgesetzt worden. Es geht um düstere Alchemie, böse Hexerei, Lebensverlängerung und Totenauferstehung. Wer gerne Adaptionen von Lovecraft-Geschichten wie „The Case of Charles Dexter Ward“ als Horror- oder Mystery-Comic liest, dem sei diese Graphic Novel von I. N. J. Culbard nahegelegt!

von Markus Kolbeck

Die 128-seitige Graphic Novel ist 2012 bei „SelfMadeHero“ (London, GB) auf Englisch als Softcover erschienen. Sie ist durchgehend in Farbe gehalten und besitzt leider keine Seitennummerierung. Der Band ist für 14,99 britische Pfund oder 19,95 US-Dollar zu haben, hierzulande wird zeitweise über 30,- Euro verlangt, was zu viel ist. Ich habe ihn für knapp 20,- Euro bekommen, auf so ein Angebot sollte man warten. Er lässt sich in knapp zwei Stunden durchlesen.

Der Originalautor

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) kann man aus Buchbesprechungen und/oder seiner Literatur kennen. Der Horrorautor war zeitlebens weithin unbekannt und konnte kaum von seinen Geschichten leben. Erst in den letzten Jahrzehnten gelangte er zu Ruhm und Anerkennung, das aber umso mehr! Lovecraft hat 102 Kurzromane, Erzählungen, Kurzgeschichten und Zusammenarbeiten geschrieben. Den Kurzroman „The Case of Charles Dexter Ward“ hat er von 1927 bis 1928 geschrieben; er wurde 1941 – also erst nach seinem Tod – in dem Pulp-Magazin „Weird Tales“ in gekürzter Form veröffentlicht.

Der Zeichner und Texter

I. N. J. Culbard ist ein anerkannter Künstler, der etwa bei Dark Horse Comics, Vertigo und bei SelfMadeHero veröffentlicht hat. Er hat die Originalgeschichte textlich adaptiert und gezeichnet. Für seine Graphic Novel „At the Mountains of Madness“ gewann er 2011 den British Fantasy Award!

Inhalt

Ich will die Geschichte nicht gänzlich verraten, aber in Grundzügen bietet sich vom Anfang bis etwa zur Mitte folgendes Bild: Die Geschichte beginnt im Mai 1920 in Providence, Rhode Island, USA. Der junge Charles Dexter Ward wird von seinem Arzt, Dr. Marinus B. Willet, darauf angesprochen, dass er sich in letzter Zeit seltsam verhalte. Ward gesteht ein, dass er mit großer Faszination dem Leben und Sterben eines seiner Vorfahren aus dem 17. und 18. Jahrhundert nachforscht: Joseph Curwen. Dieser Schiffhandelsmagnat und Sklavenhändler – so habe sich herausgestellt – war im Geheimen ein Alchemist und Grabräuber und er wurde dunkler Hexerei beschuldigt! Aus den essenziellen Salzen eines Menschen, so Curwen, könne man einen verstorbenen Menschen wiederauferstehen lassen. Eine Gruppe aus besorgten und aufgebrachten Bürgern von Providence erschlägt den Hexer schließlich auf seiner Farm in Puwtuxet nahe der Stadt! Im weiteren Verlauf der Geschichte erliegt Ward immer mehr dem Zauber seines Vorfahren und begeht dabei einen furchtbaren Frevel. Schon bald gerät er in höchste Lebensgefahr! Kann Dr. Willet ihn noch retten?

Kritik

Als erstes fällt leider auf, dass die Originalgeschichte in der Adaption stark komprimiert ist, was dem Umfang und Detailliertheit des Originals und der Umsetzung als Platz einnehmende Bildergeschichte geschuldet ist. Dadurch entgeht einem schon etwas, etwa Wards Reiseerfahrungen in Europa oder viele Details der Enthüllung auf Curwens Farm durch Dr. Willet. Dadurch geht auch ein Teil der Atmosphäre und des Grusels von Lovecrafts Geschichte verloren! Lovecraft hat bei seinen Geschichten mehr wert auf Atmosphäre und die Ausgestaltung des Schreckens als auf Handlung gelegt. Da wiegt es umso mehr, dass Culbard hier nicht voll punkten kann.

Ansonsten ist die Umsetzung aber recht solide! Künstlerisch darf man keine Höhenflüge erwarten, handwerklich ist die Bebilderung aber gelungen. Durch die Sprechblasen, Briefauszüge, Zeitungsartikel, etc. ist man eigentlich immer im Bilde über die Handlung. Und spannend ist die Geschichte sowohl im Original als auch in der Adaption! Sichtbare Gewaltausübung wird trotz des Genres nicht dargestellt, auch kaum Action. Wer so etwas sucht, ist hier falsch! Der Reiz der Geschichte liegt woanders, mehr in erwähnter Atmosphäre und Spannung. Wenn man den Band dann auch noch für rund 20,- Euro bekommt, geht auch das Preisniveau bei gegebenem Umfang von 128 Seiten in Ordnung.

Fazit:
Die volle Punktzahl erzielt I. N. J. Culbard mit seiner Adaption von „The Case of Charles Dexter Ward“ leider nicht, insbesondere nicht bei Atmosphäre und Grusel, dafür ist sie recht spannend. Ansonsten hat man aber eine solide Graphic Novel vorliegen. Ich kann sie trotz aller Kritik allen Horror-Comic-Fans und Lovecraft-Liebhaber*innen, die gern Bilderadaptionen des Horrorautors lesen, empfehlen!

The Case of Charles Dexter Ward
Graphic Novel
I. N. J. Culbard
SelfMadeHero 2012
ISBN: 978-1-906838-35-5
128 S., Softcover, englisch
Preis: GBP 14,99

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