von Markus Kolbeck
„Tashas Kessel mit Allem“ wurde 2022 von Wizards of the Coast auf Deutsch mit einem Umfang von 192 Seiten als Hardcover veröffentlicht. Es ist also ein Verlagswechsel für die deutsche Version von Ulisses Spiele zurück zu Wizards of the Coast (dem Originalverlag) eingetreten und zwar im Herbst 2021. Der Band ist farbig bebildert und am Anfang jedes der vier Kapitel ist eine ganzseitige Farbabbildung abgedruckt, die Tasha in einer Szene ihres Lebens zeigt. Die Bebilderung ist passend zum Text, etwa bei den Illustrationen von Charakterklassen oder magischen Gegenständen. Das Titelbild zeigt Tasha, wie sie mit einem Zauberbuch in der Hand in ihrem magischen Kessel ein Gebräu verzaubert.
Die Regeloptionen sind zum Teil in „Abenteurerhandbuch für die Schwertküste“, „Guildmaster's Guide to Ravnica“, „Eberron: Aufstieg aus dem letzten Krieg“ und „Mythic Odysseys of Theros“ erschienen.
Inhalt
Die Texte im gesamten Band wurden fiktiv von Tasha zusammengestellt und stellenweise kommentiert. In der Einleitung wird darauf eingegangen, was das Buch bietet, dass alles optional ist und dass es zehn einfache Regeln gibt.
In Kapitel 1 erfährt man viel über neue „Charakteroptionen“ und eine neue Charakterklasse, den Artifizienten. Dieser ist in der Lage, magische Erfindungen zu schaffen, die sich in vielfältigen Lagen für ihn als nützlich erweisen können, wie eine arkane Kanone. Außerdem kann er bis zum 5. Zaubergrad zaubern. Es gibt für diese Charakterklasse vier Spezialisierungen: Alchemist, Artillerist, Kampfschmied und Rüstungsschmied. Außerdem gibt es in diesem Kapitel für alle Charakterklassen aus dem „Spielerhandbuch“ neue optionale Klassenmerkmale und Unterklassen. Darüber hinaus gibt es auch eine Reihe von neuen Talenten für Charakterklassen.
Kapitel 2 ist das kürzeste, es enthält Beschreibungen von „Gruppen-Schutzherren“ und wie sie funktionieren. An Schutzherren für die ganze Gruppe gibt es: Adliger, Akademie, Gilde, Militärverband, religiöser Orden, Souverän, uraltes Wesen und Verbrechersyndikat. Ganz kurz wird auch noch darauf eingegangen, wie man sein eigener Schutzherr sein kann.
In Kapitel 3 wird das „Magische Sammelsurium“ vorgestellt. Es werden neue Zaubersprüche für fast alle Zaubergrade und magische Gegenstände, darunter magische Tätowierungen mit besonderen Eigenschaften und Artefakte wie Baba Yagas Mörser und Stößel, präsentiert.
In Kapitel 4 gilt es, die „Werkzeuge des Spielleiters“ zu studieren. Es werden Tipps zur Sitzung null (der ersten Sitzung einer Spieler*innengruppe) gegeben und Nebenfiguren, sogenannte Sidekicks, beschrieben. Das sind etwas vereinfachte Charaktere (Krieger, Spezialisten oder Zauberwirker), die von einem*r Spieler*in oder dem*der Spielleiter*in geführt werden können und idealerweise die Abenteurer*innen unterstützen. Manche Spieler*innen bevorzugen es auch, mit Monstern zu verhandeln, statt immer eine Haudraufstrategie zu befolgen. Regeln dazu gibt es auch in diesem Kapitel. Interessant dürften auch übernatürliche Gegenden sein (ohne dass man gleich auf eine andere Existenzebene wechselt), wie Regionen mit Heimsuchungen oder zerrütteter Magie. Dann gibt es noch magische Phänomene wie mystische Stürme oder verwunschene Quellen. Auch auf natürliche Gefahren wie Lawinen wird eingegangen. Schließlich gibt es noch 13 Rätsel aus dem Bereich Bild-, Symbol- oder Buchstabenrätsel und andere Herausforderungen mit den Schwierigkeitsgraden einfach, mittel oder schwer. Die Rätsel werden mit einer Struktur und Lösungen präsentiert.
Einen Index existiert leider nicht.
Kritik
Schon beim Lesen von Kapitel 1 wird deutlich, dass es sehr viele neue Charakteroptionen in diesem Band gibt. Manch einer wird sagen, warum das Spiel unnötig kompliziert machen, andere meinen vielleicht, dass man Optionen (und darum handelt es sich) eigentlich immer gebrauchen kann. Nur muss man dann auch auswählen können. Und hier sind wir beim Knackpunkt dieses Bandes. Er richtet sich aufgrund der Fülle an Möglichkeiten stark an erfahrene Spielleiter*innen, die die neuen Regeln mental einsortieren und bewerten können. Man sollte als angehende*r Spielleiter*in mindestens einige Male bei einem*r erfahrenen und kompetenten Spielleiter*in mitgespielt haben, bevor man eine komplette Kampagne selbst leitet. Erst dann sollte man sich – wenn die Regeln eingeübt sind und sich gesetzt haben – an Bände wie diesen hier machen.
Ob ein*e Spielleiter*in dann – wie es Intention der Autoren ist – Spieler*innen das Buch zugänglich macht, muss er*sie selbst wissen. Die interessante neue Klasse des Artifizienten und die neuen Zaubersprüche vielleicht schon, vielleicht auch die Charakteroptionen, den Rest aber eher nicht. Dieser stellt zu sehr Spielleiter*innenwissen dar, um ihn mit den Spieler*innen zu teilen. Die neue Klasse des Artifizienten ist eine, meiner Meinung nach sinnvolle, Bereicherung des Spiels. Diese Klasse kann man auch ausnahmsweise Einsteigern zugänglich machen.
Die Gruppen-Schutzherren aus dem Kapitel 2 sind sehr gut dazu geeignet, eine Gruppe zusammenzubringen und zusammenzuhalten. Ein Start ins Abenteuer ist so leichter zu bewerkstelligen und das Spiel wird leichter zu leiten. Insofern ist dieses Kapitel auch für Einsteiger geeignet! Eine Abenteurergilde im Allgemeinen habe ich aber vermisst.
Die Zaubersprüche von Kapitel 3 sind teilweise etwas generisch. sie sind sich also ähnlich, so als wären einige davon nach ein und derselben Schablone angefertigt worden, wie die verschiedenen Beschwörungszauber. Gleiches gilt für manche magische Gegenstände, wie die verschiedenen Tätowierungen.
Die Tipps und Spielhilfen aus Kapitel 4 sind meines Erachtens recht wertvoll. Sidekicks können eine Kampagne um einiges aufpeppen und das Verhandeln mit Monstern kann eine schöne Abwechslung vom vielleicht eintönig werdenden Hack-&-Slay-Spielstil sein. Auch übernatürliche Gegenden können erheblich zur Atmosphäre eines Abenteuers beitragen, einschließlich kleinerer Herausforderungen durch die Region. Magische Phänomene und natürliche Gefahren haben natürlich auch eine Berechtigung, in einem Szenario platziert zu werden. Rätsel sind dann noch mehr ein Standbein fast jeder Kampagne, kann man doch die Spieler*innen vor Herausforderungen stellen, die nicht mit Gewalt gelöst werden können. Dabei haben die Autoren Hinweise in die Rätselpräsentation eingefügt, die der*die Spielleiter*in preisgeben kann, wenn entsprechende Fertigkeitsproben bestanden werden. Auf diese Weise wird es leichter, auch ein schwieriges Rätsel zu lösen. Das gesamte Kapitel 4, mit Ausnahme des Abschnitts über Sidekicks, ist nichts für die Augen von Spieler*innen.
Der Regeltext wird von den Autoren der Hexe Tasha zugeschrieben, aber aus „ihrer Feder“ stammen nur die Kommentare zu den Optionen. Die Regeln selbst sind im von „D&D“ gewohnten klaren, eindeutigen und weitgehend unmissverständlichen Ton gehalten. Das ist eigentlich irgendwie schade, bleibt einem doch viel vom Flair der Hexe vorenthalten. Allerdings lässt sich das kaum anderes bewerkstelligen; Regeln werden halt besser nüchtern formuliert.
Der Band enthält vereinzelt Datenblöcke für Kreaturen wie beim Artifizienten oder den neuen Beschwörungszaubern; also nur da, wo es unbedingt notwendig ist. Er ist definitiv kein neues Monsterhandbuch, was ich sehr erfreulich finde. Gibt es deren doch mittlerweile bei „D&D5“ genug, nicht nur im „Monster Manual – Monsterhandbuch“, sondern auch in Ergänzungsbänden wie „Volos Almanach der Monster“.
Die Bebilderung geht vollkommen in Ordnung. Die Farbabbildungen sind oft passend zum Text und stimmungsvoll sowie handwerklich professionell. Insbesondere wissen die ganzseitigen Bilder mit Tasha zu gefallen. Rechtschreibfehler gibt es kaum im Band, und Layout- oder Formatfehler sind mir keine aufgefallen. Mit der Übersetzung vom Englischen ins Deutsche haben die Wizards of the Coast gute Arbeit geleistet. Das Hardcover ist mit rund 40,- Euro auch 10,- Euro günstiger, als es vergleichbare Bände von Ulisses Spiele waren (etwa „Xanathars Ratgeber für Alles“), die normalerweise einen Preis von 50,- Euro hatten. Hier macht es sich angenehm bemerkbar, dass die Wizards of the Coast als Originalverlag keine Lizenzgebühren zahlen müssen.
Fazit: „Tashas Kessel mit Allem“ ist ein nützlicher und vielseitiger Ergänzungsband zur bisher besten Edition von „D&D“! Er bietet viele Hilfestellungen und interessante neue Regeln in Form von Optionen, aus denen man auswählen sollte. Wer nicht vor zusätzlicher Komplexität zurückschreckt, kann hier zugreifen. Allerdings ist das Buch nur in Teilen etwas für Spieler*innen, und unter den „D&D“-Spielleiter*innen sollten es sich nur die fortgeschrittenen zulegen. Ich kann das Werk trotz kleinerer Mängel diesem Personenkreis empfehlen!
Tashas Kessel mit Allem
Regelwerk
Jeremy Crawford, Dan Dillon, Ben Petrisor u. a.
Wizards of the Coast 2022
ISBN: 978-0-7869-6776-6
192 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 39,99
bei amazon.de bestellen