Star Wars Marvel Comics-Kollektion 77: Doktor Aphra – Die Jagd

Die schurkische Archäologin Doktor Aphra muss auch wirklich auf jeder Hochzeit tanzen – und für Unheil sorgen. Und so sorgt ein eigentlich simpler Auftrag dafür, dass auch sie in das Mega-Cross-Over-Event von 2021 „Krieg der Kopfgeldjäger“ hineingezogen wird. Doch natürlich lässt sie sich davon nicht vereinnahmen! Stattdessen kocht sie ihr ganz eigenes Süppchen, was diesen Begleitband zu einer erfreulichen Ausnahme von der bisherigen Regel macht.

von Frank Stein

Der 77. Band der „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“ versammelt die US-Comic-Hefte „Star Wars: Doctor Aphra (2020) #11-15“, die zwischen Juni und Oktober 2021 erschienen sind und vom Titel her fünf Einzelausgaben zu sein scheinen. Tatsächlich gehören aber auch sie zum damaligen Cross-Over-Projekt „Krieg der Kopfgeldjäger“, das alle Marvel-Comic-Reihen („Star Wars (2020)“, „Darth Vader (2020)“, „Doctor Aphra (2020)“ und „Kopfgeldjäger“) vereinte und gewissermaßen in einer Neuauflage des Multimediaprojekts „Schatten des Imperiums“ (1996) davon erzählte, wie Boba Fett mit Han im Gepäck auf dem Weg zu Jabba mit zig Widrigkeiten zu kämpfen hat. Geschrieben wurden die Comics weiterhin von Alyssa Wong, beim Team der Illustratoren herrscht Fluktuation vor, einzig Koloristin Rachelle Rosenberg ist hier eine Konstante. Auf Deutsch ist die Sammlung bei Panini bereits im März 2022 als Softcover- und limitierter Hardcover-Sonderband herausgekommen.

Die Handlung geht ohne nennenswerten Bruch da weiter, wo sie im Vorgängerband geendet hatte. Marvel scheint hier neuerdings eher auf fortlaufende Abenteuer zu setzen, statt auf in sich abgeschlossene Mehrteiler. Dabei existieren zunächst zwei Erzählstränge parallel, die dann später zusammenfinden. Der eine, der das deutliche Übergewicht hat, dreht sich um Chelli Lona Aphra und ihre Ex-Geliebte Sana Starros. Die beiden stehen nach wie vor Diensten von Domina Tagge, einer mächtigen Industriellen, mit der sich Aphra zuvor angelegt hatte. Danach konnte sie deren Angebote einfach nicht mehr ablehnen. Die beiden Frauen sollen Ebann Drake, einen weiteren Sprößling der Tagge-Dynastie finden und an seine „familiären Pflichten“ erinnern. Doch als sie sein Schiff aufspüren, erwartet sie ein Albtraum – an dessen Ende sie mit einer Einladung zur Versteigerung von Han Solo bei Crimson Dawn dastehen. Schön an diesem ersten Teil der Handlung ist ein Cameo von einer Figur, mit der wohl kaum noch jemand gerechnet hat, die aber super ins Umfeld passt.

Parallel dazu jagen die zwei widerstrebenden Gefährten (und Ex-Geliebten) Just Lucky und Ariole Yu im Auftrag der Verbrecherorganisation Sixth Kin ihren ehemaligen Mentor Crae, der abtrünnig geworden sein soll. Ihr Auftrag: Mord. Auch sie sind dafür auf dem Weg zu Crimson Dawn. Das ist nicht völlig uninteressant, trotzdem fragt man sich immer noch, warum es diese zwei Figuren und ihre Nebenhandlung eigentlich geben muss. Sie tragen nicht wirklich zur Haupthandlung bei. Man hat das Gefühl, sie haben nur ihre Auftritte, damit neben einem lesbischen Pärchen (Aphra, Sana) eben auch ein schwules in der Serie vertreten ist.

Vor Ort stößt dann der Plot der Comic-Reihe auf das Event „Krieg der Kopfgeldjäger“, allerdings gelingt Alyssa Wong das Kunststück, die Handlung nicht völlig in Bruchstücke zerfallen zu lassen. Stattdessen bleibt die vorliegende Geschichte tatsächlich gut lesbar, sieht man davon ab, dass im Hintergrund halt besagte Auktion mit all ihren Widrigkeiten abläuft, von der man nur beiläufig was mitbekommt. Aber das fühlt sich nie wie ein Informationsdefizit an. Es ist halt eine Party, wo auch andere Dinge passieren, aber Aphra, Sana, Just und Ariole bleiben auf ihre jeweiligen Ziele konzentriert, die da heißen: Crimson Dawn ausspionieren beziehungsweise Crae ausschalten. Dass am Ende doch alles wieder ganz anders kommt, liegt dabei nicht an äußeren Meta-Zwängen, sondern allein an Aphras Gier, die sich nebenbei noch etwas bereichern will.

Visuell herrscht solides Mittelmaß vor. Mal sind die Figuren ordentlich getroffen, mal sehen sie furchtbar aus. In der zweiten Hälfte bekommt die Optik dann einen deutlichen Manga-Einschlag, was nicht zur Qualität beiträgt. Das sieht dann eher noch schlichter (und schlechter) aus als vorher – Manga-Fans mögen das anders wahrnehmen. Immerhin sind einige Farbideen erfreulich expressiv, wenn sich die Panels um Aphra beispielsweise blutrot einfärben, weil sie Darth Vader auf der Auktion erblickt und in eine Panikattacke verfällt.

Das Drumherum entspricht der „Star Wars Marvel Comics Kollektion“. Das Vorwort bietet etwas Rückblick, damit man den besseren Einstieg findet. Begleitet wird der Text von einem Cover von „Doctor Aphra (2020) #11“, das blöderweise direkt den Cameo spoilert. Die Cover-Galerie am Ende bietet alle fünf Cover von Sara Pichelli auf je einer ganzen Seite, was für einen abschließenden Augenschmaus sorgt. Sehr schön!

Fazit: Die „Doktor Aphra (2020)“-Reihe bleibt auch in Band 3 ihrer Rezeptur treu. Es ist ein luftig-lockeres Abenteuer mit Schießereien und anzüglichen Sprüchen, wobei sich Aphra im Wesentlichen selbst in Schwierigkeiten bringt. Psychologischen Tiefgang gibt es, von Aphras Vader-Paranoia abgesehen, kaum noch. Dafür wurde auch an düsterer Brutalität gespart, was ich begrüßenswert finde. Innerhalb der Reihe funktioniert der Comic gut, als Einzel-Sammelband ist er nur bedingt lesbar, da fehlt einem zu viel Vorwissen. Für den „Krieg der Kopfgeldjäger“ spielt er überraschenderweise kaum eine Rolle. Wenn man nur daran interessiert ist und den Band dabei auslässt, verpasst man tatsächlich nichts. Auf der Habenseite zerfällt die Handlung hier – anders als etwa im „Star Wars (2020)“-Band „Rettet Han Solo“ – nicht gegen Ende in völlige Bruchstücke.

Star Wars Marvel Comics-Kollektion 77: Doktor Aphra – Die Jagd
Comic
Alyssa Wong, Minkyu Jung, Rachelle Rosenberg
Panini Comics 2023
ISBN: 978-3-7416-3790-2
114 S., Hardcover, deutsch
Preis: 16,99 EUR

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