von Frank Stein
Der 70. Band der „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“ versammelt die US-Comic-Hefte „Star Wars (2020) #13-18“, die zwischen Mai und November 2021 erschienen sind und vom Titel her sechs Einzelausgaben zu sein scheinen. Tatsächlich gehören sie aber zum damaligen Cross-Over-Projekt „Krieg der Kopfgeldjäger“, das alle Marvel-Comic-Reihen („Star Wars (2020)“, „Darth Vader (2020)“, „Doctor Aphra (2020)“ und „Kopfgeldjäger“) vereinte und gewissermaßen in einer Neuauflage des Multimediaprojekts „Schatten des Imperiums“ (1996) davon erzählte, wie Boba Fett mit Han im Gepäck auf dem Weg zu Jabba mit zig Widrigkeiten zu kämpfen hat. Geschrieben wurden die hier vorliegenden Comics weiterhin von Charles Soule, die Illustrationen stammen von Ramon Rosanas. Koloriert wurden sie von Rachelle Rosenberg. Auf Deutsch ist die Sammlung bei Panini bereits im Januar 2022 als Softcover- und limitierter Hardcover-Sonderband herausgekommen.
Die Handlung beginnt durchaus klassisch. Luke trainiert mit seinem neuen, goldenen Lichtschwert. Dann bekommt er Nachricht, dass ein Kontakt Chewie darüber informiert hat, Boba Fett könne sie auf Nar Shaddaa befinden. Eine kurze, ebenso actionreiche wie fruchtlose Episode später steht man jedoch weiterhin mit leeren Händen da. Schnitt.
Leia bekommt eine Nachricht von Amilyn Holdo – wir kennen sie als violetthaarige Admiralin aus „Episode VIII: Die letzten Jedi“. Zur Handlungszeit hier ist sie noch eine junge Spionin für die Allianz. Und die hat erfahren, dass Han von der Verbrecherorganisation Crimson Dawn versteigert werden soll. Die war der Antagonist im Film „Solo – A Star Wars Story“, steht aber mittlerweile unter Führung von Hans Ex-Freundin Qi’ra, deren Pläne und Ziele eher undurchsichtig sind. Eine Mission nach Jekara wird gestartet, wo die Auktion stattfinden soll, allerdings ohne Luke, der noch eine Sondermission mit der Starlight-Staffel hat. Schnitt.
Luke und die Starlight-Staffel retten Rebellen vor dem Imperium. Viel Action und ein schöner Cameo am Ende, aber eindeutig eine Füll-Episode. Schnitt.
Ab hier wird die Handlung sehr holprig und man spürt, dass einem Informationen aus den anderen Cross-Over-Heften fehlen. Denn plötzlich sind alle auf Jekara. Leia und ihre Truppe stehen Boba Fett gegenüber, außerdem ist Vader plötzlich vor Ort. Luke ist noch im Anflug durch den Hyperraum und hadert mit sich, denn er fürchtet die erneute Konfrontation. Schnitt.
Und plötzlich hat Luke einen Kampf mit Vader hinter sich. Der wurde übersprungen. Aber es geht munter im Eis von Jekara weiter. Unterdessen ist der Falke mit Leias Trupp wieder im All. Han, der eben noch Vaders Lichtschwert unter der Nase hatte, ist plötzlich „sicher“. Und die Wissenslücken der Leser werden größer. Was ist passiert? Keine Ahnung. Schnitt.
Gerade sagte Lando „Lasst uns Han retten“ (sinngemäß) und schon ist alles vorbei – erfolglos. Leia ist am Ende. Da bekommt sie ein Gesprächsangebot von Qi’ra. Die zwei Frauen treffen sich und tauschen sich aus. Könnte Qi’ra eine Verbündete der Allianz werden? Man weiß es nicht. Auch bleibt unklar, was vorher eigentlich passiert ist.
Dieser grobe Abriss durch die Handlung zeigt: Der Comic hat ein Riesenproblem. Er ist eindeutig ein Begleitwerk, das Füllszenen zu einem anderen Comic liefert, vermutlich „Krieg der Kopfgeldjäger“. Der Band ist aber Ausgabe 77 der „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“. Hier ist den Machern ein großer Fehler unterlaufen, indem sie die Hauptstory des Cross-Overs so weit nach hinten geschoben haben. Denn für sich genommen, ist „Rettet Han Solo“ kaum zu genießen, zumindest in der zweiten Hälfte nicht. Zu viel Handlung fehlt zwischendrin. Ich nehme an, das Event war damals so angelegt, dass man Monat für Monat immer alle vier gleichzeitig erscheinenden Comic-Hefte lesen sollte. Eine Trennung in Halbjahres-Sammelbände, die dann nicht zeitgleich erscheinen, wird erzählerisch einfach nicht unterstützt. So empfehle ich dringend, den Band erst einmal beiseite zu lassen oder zu legen, bis man auch die übrigen Bände zum „Krieg der Kopfgeldjäger“ sein Eigen nennt.
Die Optik ist gut, unterstützt das Erzählte mit klarem Strich und macht, auch Dank gut gewählter Farben und schicker Lichteffekte, viel Spaß beim Anschauen. Die Raumschiffe sind sauber umgesetzt, die Gesichter der Figuren haben Wiedererkennungswert, vor allem Vader ist toll getroffen, Qi’ra nicht ganz so. Das Gesicht ist zu schmal, der Blick zu berechnend. Vielleicht konnte oder wollte man optisch nicht zu nah an die echte Schauspielerin Emilia Clarke heran.
Das Drumherum entspricht der „Star Wars Marvel Comics Kollektion“. Das Vorwort fasst die Handlung des Vorgängerbands zusammen. Begleitet wird der Text passend von einem Cover von „Star Wars (2020) #14“. Die Cover-Galerie am Ende bietet alle sechs Cover, zusammengequetscht auf einer Seite. Bei diesen schicken Motiven wirklich tragisch.
Fazit: „Rettet Han Solo“ ist der dritte Sammelband der Reihe „Star Wars (2020)“ innerhalb der „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“. Er gehört zum Mega-Cross-Over „Krieg der Kopfgeldjäger“, was sich hier vor allem negativ auswirkt, weil die Story gegen Ende völlig fragmentarisch bleibt und man kaum noch versteht, was passiert ist und gerade passiert. Bis zum Erscheinen der anderen Bände zum „Krieg der Kopfgeldjäger“ sollte man ihn daher eher beiseite legen. Am Besten lesen sich diese Werke nämlich parallel.
Star Wars Marvel Comics-Kollektion 70: Rettet Han Solo
Comic
Charles Soule, Ramon Rosanas, Rachelle Rosenberg
Panini Comics 2023
ISBN: 978-3-7416-3581-6
130 S., Hardcover, deutsch
Preis: 16,99 EUR
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