Star Wars Marvel Comics-Kollektion 63: Kopfgeldjäger – Für eine Handvoll Credits

„Kopfgeldjäger. Diesen Abschaum brauchen wir nicht!“, ätzt noch Admiral Piett an Bord der Executor in „Star Wars: Episode V – Das Imperium schlägt zurück“, als sein Boss, Darth Vader, Männer wie Boba Fett, Bossk oder Dengar an Bord holt, um den flüchtigen Millennium Falken zu schnappen. Zum „Star Wars“-Franchise gehört diese Berufsgruppe aber seitdem dazu wie Jedi-Ritter und Sturmtruppler. Die coolen, harten Einzelgänger beflügeln die Fantasie ungezählter Fans. So wurde es wohl Zeit, dass sie eine eigene Comic-Reihe bekommen.

von Frank Stein

Der 63. Band der „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“ bildet den Auftakt dieser schlicht „Kopfgeldjäger“ betitelten Reihe. In diesem werden die US-Comic-Hefte „Star Wars: Bounty Hunters #1-5“ versammelt, die zwischen März und September 2020 ursprünglich erschienen sind. Außerdem ist eine Einzelstory aus „Star Wars: Empire Ascendant 1“ aus dem Dezember 2019 enthalten. Die Folgen des Fünfteilers tragen zwar im Englischen Einzeltitel, erzählen aber eine fortlaufende Handlung, die im Deutschen unter dem beliebten, aber wenig aussagekräftigen Titel „Für eine Handvoll XYZ“ (hier: „Credits“) veröffentlicht wurde. (Für die jüngeren Leser hier: Das bezieht sich auf den berühmten Western-Film „Für eine Handvoll Dollar“ von Sergio Leone aus dem Jahr 1964.) Auf Deutsch ist die Sammlung bei Panini bereits im Januar 2021 als Softcover- und limitierter Hardcover-Sonderband herausgekommen.

Es ist nicht zwingend nötig zum Verständnis der Handlung, aber doch sinnvoll, sich zuvor den Comic „Jagd auf Vader“ (Band 57 der „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“) durchgelesen zu haben, denn dort wird der zentrale neue Protagonist dieser Reihe, Beilert Valance, eingeführt und vorgestellt (ein Ex-Imperialer, der heute ein halber Cyborg ist und dessen Visage mehr als nur ein wenig an einen T-800-Terminator erinnert). Für Menschen, die jenen Band nicht ihr Eigen nennen, gibt das Vorwort jedoch einen kurzen, hilfreichen Rückblick.

Im vorliegenden Band macht es Autor Ethan Sacks gleich mal kompliziert, denn er setzt mit einer Rückblende ein. Eine Truppe Kopfgeldjäger – darunter Valance, Boba Fett und Bossk – greifen das Hauptquartier des kriminellen Unbroken-Clans auf Corellia an. Auftraggeber ist das verfeindete Mourner’s-Wail-Syndikat. Doch der Job nimmt eine unerwartete Wendung und geht dramatisch schief. Eine von ihnen, Nakano Lash, die Frau, die den Trupp erst zusammengestellt hat, „vermasselt es“. Und plötzlich sind die Kopfgeldjäger auf der Flucht.

Schnitt in die Gegenwart. Wir befinden uns zwischen „Episode V“ und „Episode VI“. Valance ballert sich auf Batuu durch die Straßen von Black Spire, Boba Fett ist mit dem eingefrorenen Han Solo auf dem Weg nach Tatooine. Da erreicht alle eine Nachricht: Nakano Lash, die Jahre untergetaucht war, ist zurück. Und alle, die damals an dem Einsatz beteiligt waren, sind mehr als erpicht darauf, sie in die Finger zu bekommen. So setzt ein Wettlauf auf der Suche nach der Ex-Jägerin ein, während gleichzeitig immer wieder der Job von damals in Rückblenden aus verschiedenen Perspektiven zwischengeschnitten wird, bis man schließlich weiß, was wirklich damals auf Corellia geschehen ist.

Das Springen zwischen Zeitebenen und Handlungssträngen mag ein probates Stilmittel sein, um Spannung zu erzeugen, aber zusammen mit dem extrem actionlastigen Plot, bei dem es ständig kracht und donnert, sorgt es hier dafür, dass man beim Lesen sehr aufpassen muss, um gut mitzukommen und stets zu wissen, wann und wo man sich gerade aufhält. Der Qualität an sich tut das jedoch keinen Abbruch. Okay, ein oder zwei Schießereien weniger hätten die Geschichte auch nicht langweilig gemacht, vielleicht hätte es sogar etwas Raum für Charaktermomente geschaffen. So erleben wir vor allem Männer und Frauen, die sich durch ihr Handeln definieren und deren Moral und Philosophie auf einen Bierdeckel passen dürften – das gilt vor allem für namhafte Nebenfiguren wie Boba Fett und Bossk, die zwar wiederholt eindrucksvolle Auftritte erhalten, gewissermaßen aber nur dazu dienen, den Adrenalinpegel hochzuhalten.

All der Lärm kann natürlich nicht überdecken, dass den Hauptfiguren letztlich nichts passiert. Das liegt in der Seriennatur der Sache, ganz egal, wie heftig sie sich bekämpfen. Bei den Nebencharakteren ist die Ausfallrate dagegen durchaus hoch. Der „Wars“-Anteil von „Star Wars“ wird in den „Kopfgeldjäger“-Comics definitiv groß geschrieben. Am Ende wartet zwar kein Cliffhanger, aber es wird sehr deutlich: Die Handlung geht weiter. Valance mag für den Moment einen Teilsieg errungen haben, doch seine Feinde sind ihm hart auf den Fersen.

Für die Zeichnungen ist durchgehend Paolo Villanelli verantwortlich. Das ist gut, denn das sorgt für ein qualitativ und stilistisch einheitliches Lesevergnügen. Sein Pinselstrich ist solide, vielleicht etwas grob, und immer wieder von wuchtiger Dynamik. Man spürt regelrecht, wie gewalttätige Körper aufeinanderprallen. Und die blitzenden Speedlines, Explosionen und Blasterschüsse von Arif Prianto (Farben) tragen das ihre dazu bei, dass in diesem Comic alle Zeichen auf „Dynamik“ stehen. Vielleicht liegt hier nicht die höchste Comic-Kunst vor, die bei „Star Wars“ möglich ist, aber das Gesamtpaket zieht einen schon ziemlich erfolgreich durch die Handlung.

Das Drumherum entspricht der „Star Wars Marvel Comics Kollektion“. Das Vorwort erinnert nochmal an den Comic „Jagd auf Vader“, um den Einstieg in diesen hier zu erleichtern. Begleitet wird der Text passend von einem Cover von „Bounty Hunters #3“. Die Cover-Galerie am Ende bietet alle fünf starken Cover von Lee Bermejo – und außerdem das von „Empire Ascendant“ von Riccardo Federici – auf je einer ganzen Seite, was für einen abschließenden Augenschmaus sorgt.

Fazit: „Kopfgeldjäger“ ist die Reihe betitelt, und um nichts anderes als Kopfgeldjäger geht es. Die Suche nach einer Kollegin, die einst einen Job vermasselt und sie alle in Schwierigkeiten gebracht hat, wird für Männer wie Beilert Valance, Boba Fett und Bossk zu einem Wettlauf, in den sich zahlreiche gewalttätige Zusammenstöße mischen. Action wird hier groß geschrieben, ruhige Charaktermomente findet man weniger. Wer Spaß an der schmutzigen Seite des „Star Wars“-Universums hat und sich von zahlreichen Orts- und Zeitsprüngen nicht verunsichern lässt, der findet hier den gelungenen Auftakt zu einer kurzweiligen neuen Comic-Reihe.

Star Wars Marvel Comics-Kollektion 63: Kopfgeldjäger – Für eine Handvoll Credits
Comic
Ethan Sacks, Paolo Villanelli, Arif Prianto
Panini Comics 2023
ISBN: 978-3-7416-3574-8
130 S., Hardcover, deutsch
Preis: 16,99 EUR

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