von Frank Stein
Der vorliegende, 138 Seiten umfassende Hardcoverband versammelt die US-Comic-Bände „Star Wars Target Vader #1-6“, die zwischen Juli 2019 und Dezember 2019 erschienen sind und einen in sich abgeschlossenen Sechsteiler bilden. Auf Deutsch ist der Comic bei Panini bereits im Juli 2020 als Softcover- und limitierter Hardcover-Sonderband herausgekommen. Geschrieben wurde der Comic von Robbie Thompson, Zeichenstift und Pinsel schwangen dagegen eine ganze Armee an Illustratoren und Koloristen (von denen mir die meisten im „Star Wars“-Umfeld bisher unbekannt waren – vielleicht ein Projekt, um neue Talente zu entdecken).
Im Zentrum der Geschichte steht Beilert Valance, ein Minenarbeiter, der imperialer Pilot und Soldat wurde, bevor er – nach einem desaströsen Kampfeinsatz mehr Maschine als Mensch – irgendwann ausgemustert wurde und die Profession eines Kopfgeldjägers annahm. Kenner werden jetzt aufmerken: Moment, Beilert Valance? War das nicht der Rivale von Han Solo in dem Comic „Han Solo – Kadett des Imperiums“? Richtig. Dort hatte er seinen ersten Aufritt, woran auch ein paar Panels in Rückblende (ohne Solo) erinnern. Tatsächlich reicht seine Geschichte aber noch weit bis in den alten Kanon zurück. Seinen ersten Auftritt hatte der Jäger Valance – visuell sehr gut erkennbar auf dem Cover – 1977 in „Star Wars 16“ von Archie Goodwin, wo er Jagd auf Luke Skywalker und die Droiden R2-D2 und C-3PO machte. Seinen Vornamen erhielt er dann 2004 in einer fünfteiligen Szenario-Reihe für das „Star Wars Miniatures Game“ mit Namen „The Hunt Within: Valance’s Tale“ von Autor Jason Fry (der damals noch am Anfang seiner glorreichen Karriere als „Star Wars“-Autor stand). Dort wurde er auch charakterlich vertieft.
Doch zurück zum vorliegenden Abenteuer. Valance und eine Gruppe anderer Kopfgeldjäger, die alle aus privaten Gründen ein Hühnchen mit dem Feldherr des Imperiums, Darth Vader, zu rupfen haben, werden von der geheimnisvollen Organisation der Versteckten Hand angeheuert, den Dunklen Lord der Sith umzubringen, ein Job, der an sich völliger Wahnsinn ist, aber Rache ist ein starkes Gefühl, deshalb lassen sich die Jäger darauf ein. Und so klügeln sie einen komplizierten Plan aus, um Vader in eine Falle zu locken. Allerdings müssen sie feststellen, dass dieser seinen Ruf als unbezwingbare Naturgewalt nicht zu Unrecht hat …
Die Grundidee, Killer gegen Vader antreten zu lassen, fühlt sich nicht neu an (obwohl mir spontan tatsächlich kein anderer Band einfällt, der diese Geschichte erzählt). Anders ist dagegen, dass der Fokus diesmal nicht bei dem Sithlord liegt, sondern bei den Kopfgeldjägern. Die bleiben dafür leider relativ unnahbar. Ja, sie bekommen kurz ihr Motiv für ihren Hass auf Vader, aber man kann nicht behaupten, dass man für die Jäger Gefühle entwickeln oder um sie trauern würde, wenn sie zu Vaders Opfern werden. Aber gut, das liegt vielleicht in der Natur der Sache: Kopfgeldjäger sind nun mal keine spontanen Sympathieträger. Man kann sie höchsten cool finden – wie Boba Fett – und daraus erwächst dann im Laufe der Jahre mehr. Hier wird jedenfalls versucht, uns den Halb-Cyborg Beilert Vance schmackhaft zu machen, denn der vorliegende Band ist nur der Auftakt zu einer Reihe über den Kopfgeldjäger. Im Moment allerdings ist er vor allem ein grimmiger, harter Knochen mit einem ausnehmend hässlichen Gesicht. Mal sehen, wie sich das noch entwickelt.
Die Handlung springt immer mal wieder leicht und macht Wendungen, die man nicht so ganz nachvollziehen kann. Vor allem wenn Pläne nur dann klappen, weil die Gegner wie aufs Stichwort ihren Zug machen, dann sieht das zwar ausgeklügelt aus, ist aber im Grunde blanke Fiktion. Ich frage mich in so Fällen immer: Was wäre eigentlich, wenn die Gegenseite sich um eine halbe Stunde verspäten würde? Oder ein paar Tage? Ist ja nicht so, als wartet jemand darauf, wie auf Kommando in eine Falle zu tappen. Auch Vaders Handeln im letzten Teil des Comics muss man sich durch Interpretieren erschließen, denn so ganz wird nicht erklärt, warum er handelt, wie er handelt. Oder warum Beilert auf einmal weiß, was er weiß. (Stichwort: Zerstörer seiner Kolonie.)
Die Optik ist leider ähnlich sprunghaft wie die Handlung. Insgesamt sechs Illustratoren durften sich an dem Projekt austoben und dazu sieben Koloristen, keine Person davon doppelt. Das merkt man leider sehr. Dabei reicht die Qualität von sehr gut bis mittelprächtig. Immerhin gibt es keine ganz krassen, individuellen Stile, die optische Ausreißer wären, stattdessen arbeiten alle Künstler mit eher feinem Strich, wobei manche leider nicht so versiert in Gesichtszügen sind.
Das Drumherum sieht wie immer aus. Die Einleitung bleibt leider hinter ihren Möglichkeiten zurück, hat sie doch eher Teasercharakter als wirklich informativ zu sein. Die Ursprünge von Beilert Valance verschweigt sie etwa völlig. Bebildert wird der Text passend mit dem Cover von „Target Vader #4“. Die Cover-Galerie am Ende ist erfreulich komplett, bietet sie doch alle sechs Cover auf sechs vollen Seiten – bei den tollen Werken von Nic Klein eine echte Freude zum Schluss.
Fazit: Es ist nicht so, als wäre „Jagd auf Vader“ nicht unterhaltsam. Allerdings holpert die Handlung doch an der ein oder anderen Stelle. Und wirkliche Sympathien für den Hauptcharakter Beilert Valance entwickelt man auch nicht. Umso erstaunlicher, dass er sich zur konstanten Antiheldenfigur in der Comic-Reihe „Kopfgeldjäger“ entwickeln sollte. Wer auf Kopfgeldjäger steht, bekommt hier die Origin Story (gewissermaßen) eines weiteren Spielers. Als Einzelwerk gesehen nur mittelmäßig überzeugend.
Star Wars Marvel Comics-Kollektion 57: Jagd auf Vader
Comic
Robbie Thompson, Mark Laming, Rachelle Rosenberg u. a.
Panini Comics 2023
ISBN: 978-3-7416-3256-3
138 S., Softcover, deutsch
Preis: 16,99 EUR
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