von Frank Stein
Eigentlich ist der 352 Seiten starke Paperback-Band bereits im Dezember 2023 erschienen, aber wirklich passend ist er erst dieser Tage, denn jetzt ist bei blanvalet der abschließende Erwachsenenband der Phase II, „Die Vernichtung“, erschienen, womit nun alle Bücher der Phase I und II auf Deutsch vorliegen und man erst so richtig einordnen kann, was einem an Geschichten in der vorliegenden Anthologie geboten wird.
Das Buch, dessen Cover schlicht zwei Hände mit Lichtschwertern zeigt (von Vernestra Rwoh und Amadeo Azzazzo), enthält nach einer kurzen Einleitung insgesamt zehn Geschichten von der ganzen Riege der Hauptautorinnen und -autoren. Den Anfang macht Zoraida Córdova mit „Die Königsblüte“. Die Geschichte spielt zu Akademiezeiten des missratenen Kanzlerinnensohns Axel Greylark und hat einige ziemlich direkte Bezüge zum Roman „Die Vernichtung“ von Lydia Kang, ist also zeitlich irgendwo vor Phase II angesiedelt. In der Geschichte hat Axel seine erste Begegnung mit einer gewissen Elecia, die durchaus erhellend ist, wenn man auch den YA-Roman „Der Pfad der Rache“ kennt. Ein Einstieg, der mir gefallen hat.
Weiter geht es mit Tessa Grattons „Eine Faust hat keine Klauen“. Die Geschichte ist aus der Perspektive von Marda Ro erzählt, die nach dem Ende von Phase II in ihrem Schiff „Gaze Electric“ unterwegs ist und über ihre Zukunft nachdenkt. Dabei lässt sie auch die Vergangenheit Revue passieren, was einen sehr persönlichen Einblick in ihre Figur ermöglicht. Dass sie fortwährend eine unklare Person anspricht, ist etwas irritierend, anzunehmen ist aber, dass sie einem noch ungeborenen Kind in ihrem Bauch von seinem Erbe erzählt. Eine durchaus wichtige Geschichte, die eine gute Brücke zwischen Phase II und I bildet.
George Mann widmet sich in „Der Schild der Jedi“ der Jedi-Padawan Rooper Nitani, die vor allem in den Phase-II-Jugendromanen „Die Suche nach der verborgenen Stadt“ und „Auf der Suche nach Planet X“ zu den Hauptfiguren zählte. Diese Geschichte spielt irgendwann danach, und es geht um Roopers Prüfung zur Jedi-Ritterin. Während das Ganze wenig relevant für die wichtigen Handlungslinien der Projekts bleibt, ist es immerhin eine runde Kurzgeschichte, die lehrt, das Gut und Böse immer eine Frage der Perspektive ist, und man stets misstrauisch bleiben sollte, wenn einem jemand etwas von einem Monster erzählt.
Mitten in Phase I ist Daniel José Olders Beitrag „Wo sich der einsame Reisende zuhause fühlt“ angesiedelt. Jedi-Padawan Ram Jomaram, bekannt aus den Jugendromanen der Phase I und den Comics „Star Wars – Die Hohe Republik: Abenteuer“ befindet sich nach dem Kampf gegen die Nihil um den Jedi-Tempel auf Takodana an Bord der Starlight-Station. Die Stimmung ist gedrückt, weil er glaubt, dass sich seine Freundin Zeen Mrala, die wie er erzwungenermaßen die Heimat verlassen musste, so entwurzelt fühlt wie er. Also muss eine Party her, um sie aufzumuntern! Eine winzige Episode aus der Feelgood-Ecke, in der es vor allem um Kameradschaft und Zuhause geht.
„Nach dem Fall“ heißt die Geschichte von Claudia Gray, und natürlich ist damit der Fall der Starlight-Station am Ende der Phase I gemeint. Die Handlung beginnt unmittelbar danach und schildert die Folgezeit auf dem Planeten Eiram, wo die Station niedergegangen ist. Im Zentrum steht die Crew der „Schiff“ – bekannt aus den YA-Romanen „In die Dunkelheit“ und „Aus den Schatten“ –, namentlich Affie Hollow, Leox Gyasi und der Stein namens Geode, der, so unbeweglich er auch ist, einmal mehr als Running Gag herhalten darf. Neben dem Chaos vor Ort nagt an Affie vor allem der Verlust ihrer „Heimat“, der Byne-Gilde, und die Geschichte erzählt von einer Art Neuanfang, ein Vorgriff auf Phase III?
Auch Justina Irelands „Die Macht weißt den Weg“ ist nach der Zerstörung der Starlight-Station angesiedelt. Diesmal geht es um die Vorzeige-Jedi Vernestra Rwoh, die durch die Ereignisse so erschüttert wurde, dass sie nach mehreren Übereifer-Missionen gegen die Nihil direkt danach irgendwann ihren Glauben an den Kampf verloren hat und nun eher orientierungslos nach einem Zeichen der Macht sucht, was sie tun soll. Auf dem Planeten Miekos bekommt sie Gelegenheit, simple Jedi-Hilfsarbeit zu erledigen. Die Geschichte mag ebenfalls die Brücke zu Phase III schlagen, für sich genommen ist sie aber eher schwächer, wobei ich gestehen muss, dass mir Vernestra als Figur noch nie sehr sympathisch war (und das hat das Wissen um die Serie „The Acolyte“, wo wir sie wesentlich älter erleben, nicht besser gemacht).
Ganz anders verhält es sich mit „Der Weg eines Jedi“ von Charles Soule. Wieder befinden wir uns auf Eiram, wieder ist der Absturz der Starlight-Station gerade erst geschehen. Die wichtigsten Hilfsarbeiten sind erledigt und die Jedi haben sich nach Coruscant zurückgezogen. Nur Jedi Bell Zettifar, eine der Hauptfiguren der Erwachsenenromane von Phase I und überhaupt einer der wichtigsten Charaktere dieser Phase, sitzt noch vor Ort, starrt aufs Meer und fragt sich, ob sein Freund, der Wookiee-Jedi Burryaga irgendwo da draußen ist. Alles spricht dagegen. Burryaga ist mit der Station abgestürzt. Aber Bell hat Angst, erneut jemanden für tot zu erklären, der in Wahrheit noch lebt, wie es ihm mit seinem Meister Loden Greatstorm passiert ist (der deswegen wirklich zu Tode kam). Und so sucht er und hofft weiter. Eine wichtige Episode für Bell Zettifar, erneut ein schöner Brückenschlag Richtung Phase III und für mich eines der Highlights.
Cavan Scotts „Licht im Dunkel“ ist dann wieder das genaue Gegenteil. Die Geschichte ist nicht schlecht geschrieben, aber steht doch sehr isoliert da und wirkt eher belanglos. Der Planet Ena am galaktischen Rand wurde von den Hutten unterworfen, nachdem sich die Jedi nach dem Fall der Starlight-Station aus der Gegend zurückgezogen haben. Die Lage scheint aussichtslos, doch zwei junge Enami versuchen sich im Widerstand. Abgesehen vom Auftritt der Jedi Keeve Trennis, der auch etwas beliebig bleibt, hat das Ganze, wie erwähnt, wenig Bezug zu den existierenden Geschichten. Diese Geschichte könnte man tatsächlich problemlos überspringen.
„Coruscant ruft“ heißt es bei Lydia Kang. Die Geschichte ist insofern bemerkenswert, als dass sie – ganz am Ende der (regulären) Anthologie – zwei Figuren einführt, die es bisher in Phase I und II noch nicht gab: Jedi-Padawan Amadeo Azzazzo und seinen Meister Mirro Lox. Die Handlung ist zugegeben etwas eigenwillig. In der ersten Hälfte der Handlung müssen die beiden einen eher belanglosen, typischen „Zwischenfall der Woche“ auf Mikkia bewältigen, dann werden sie nach Coruscant zurückgerufen, weil die Starlight-Station zerstört wurde. In der zweiten Hälfte wird Amadeo dann von der Stadt in Versuchung geführt, bevor er erkennt, was er wirklich will. Als Teaser auf Phase III ist das Ganze recht nett, inhaltlich jedoch eher mäßig interessant. Vielleicht ergibt es mehr Sinn, wenn man die weiteren Romane mit Amadeo gelesen hat. Immerhin erkennt man an dem Beitrag, dass diese Kurzgeschichten wirklich im Kontext ihren Wert erhalten. Für sich stehend haben sie spürbar weniger Unterhaltungswert.
Die zehnte Geschichte ist tatsächlich ein Bonus im Deutschen. In den regulären US-Ausgaben ist sie nicht enthalten. Alyssa Wongs „Der unbekannte Faktor“ wurde nur in der Barnes-&-Noble-exklusiven Hardcoverversion der Anthologie mit angeboten, was ziemlich ärgerlich ist. Exklusive Postkarten oder Poster in Sondereditionen von Büchern sind ja schön und gut, aber ganze Geschichten? Umso dankbarer kann der deutsche Fan Panini sein, dass hier gut verhandelt wurde und die Story mit aufgenommen werden durfte. Dabei haut die Geschichte an sich gar nicht so vom Hocker. Die junge Crash und ihre Crew aus Personenschützern (aus dem YA-Roman „Mitternachtshorizont“) kämpfen nach dem Fall der Starlight-Station gegen das Chaos in Coronet auf Corellia, das entstanden ist, nachdem sich die Jedi von dort zurückgezogen haben. Dabei stolpern sie über einen geheimnisvollen Rächer mit einem Lichtschwert.
Insgesamt zeigen die Geschichten eine schöne Vielfalt an Themen, die sich durchaus gut weglesen lassen. Auffällig ist allerdings, dass die Figuren alle sehr jung sind. Damit einhergehend stehen Themen wie innere Unsicherheit, Freundschaft, der Verlust der Vergangenheit und die Suche nach einem Weg in die Zukunft im Fokus. Im Gegenzug wurde die komplette Riege durchaus namhafter älterer Jedi – ich denke hier an Creighton Sun, Silandro Sho, Elzar Mann, Avar Kriss und andere – ausgeklammert, was schade ist. Etwas mehr Abwechslung bei den Protagonisten wäre nett gewesen, denn, ja, es gibt auch „Star Wars“-Fans über 25 (und manche von ihnen sind sogar weiß und männlich, aber wir wollen nicht erbsenzählerisch werden).
Fazit: „Star Wars – Die Hohe Republik: Geschichten von Licht und Leben“ ist eine Anthologie mit zehn Geschichten, die sehr schön begleitend zu den Werken der Phase I und II lesbar ist – wobei es durchaus empfehlenswert ist, eben jene Romane und Comics auch gelesen zu haben, denn sonst fehlt einem doch einiges an Hintergrundwissen. Im Hinblick auf die just gestartete Phase III sind natürlich vor allem die Brückengeschichten interessant, die auch die Mehrzahl der Beiträge ausmachen. Ein kleiner Kritikpunkt ist die komplette Fokussierung auf jüngere Figuren. Fans von namhaften Jedi wie Elzar Mann oder Avar Kriss gehen hier leer aus. Eine Empfehlung für Leserinnen und Leser, die sich viel mit „Die Hohe Republik“ beschäftigt haben und beschäftigen.
Star Wars – Die Hohe Republik: Geschichten von Licht und Leben
Film/Serien-Anthologie
Claudia Gray, Charles Soule, Tessa Gratton u. a.
Panini Books 2023
ISBN: 978-3-8332-4412-4
352 S., Paperback, deutsch
Preis: 18,00 EUR
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