Star Wars: Coruscant Nights 1: Im Zwielicht

„Star Wars“ war schon immer mehr als bloß die Abenteuer von Luke Skywalker, Han Solo und Prinzessin Leia. Es war ein ganzes Universum voller Geschichten – in Comics, Büchern und Videospielen. Manche Nebenfigur wurde hier zum Hauptdarsteller, mancher neu erfundene Charakter hat heute Kult-Status. Ein Paradebeispiel, wie weit sich Autoren von den ursprünglichen Filmen entfernen können, ohne dass das typische „Star Wars“-Gefühl verloren geht, ist die „Coruscant Nights“-Trilogie von Michael Reaves.

von Frank Stein

Michael Reaves gehört zweifellos zu den ungewöhnlichsten „Star Wars“-Autoren der letzten fünfzehn Jahre. Neun Romane hat er geschrieben (teilweise mit Co-Autoren), und in keinem von ihnen spielen die klassischen Helden der Saga eine nennenswerte Rolle. In den meisten Fällen tauchen sie nicht einmal auf, sondern werden höchstens erwähnt. Stattdessen setzt er in seinen Büchern konsequent auf Nebenfiguren, die meisten von ihnen – etwa der freie Droide I-5YQ oder der sullustanische Reporter Dhen Dur, wiederkehrende Helden seiner Geschichten – sind nicht einmal in den Kinofilmen zu sehen. Vor allem aber setzt Reaves auf die Atmosphäre des Settings selbst, auf Technik, Planeten und Aliens. Sie sind es, die seinen Romanen das besondere „Star Wars“-Gefühl verleihen, ohne dass er gezwungen ist, das hundertste Abenteuer von Luke, Han und Leia zu erzählen.

So auch hier, im Fall der „Coruscant Nights“-Trilogie. Der erste Band „Im Zwielicht“ schließt gewissermaßen an den „Med-Star“-Zweiteiler („Unter Feuer“ und „Jedi-Heilerin“) an, der 2011 bei Blanvalet erschienen ist. Man muss die Bücher allerdings nicht kennen, denn es sind im Wesentlichen zwei Figuren, die von dort mitgenommen wurden und deren Geschichte weitererzählt wird. In der „Med-Star“-Dilogie sitzen der Droide I-5YO und der Reporter Dhen Dur während der Klonkriege auf dem Planeten Drongar fest, wo sie einige Abenteuer an der Seite der Jedi-Protagonistin Barriss Offee erleben. Dabei wollen sie eigentlich nur nach Coruscant, denn I-5 ist auf der Suche nach Jax Pavan, dem Sohn des verstorbenen Lorn Pavan (aus Reaves „Darth Maul – Schattenjäger“, 2002, Blanvalet), seinem ehemaligen Besitzer.

In diesem Buch, das kurz nach „Die Rache der Sith“ angesiedelt ist, haben die beiden nun Coruscant nach Monaten der Irrfahrt erreicht. Genau wie Jax Pavan, ein Jedi-Ritter, der sich tief in den unteren Ebenen der planetenweiten Stadtlandschaft versteckt, werden sie von Nick Rostu (aus Matthew Stovers „Mace Windu und die Armee der Klone“, 2005, Blanvalet) in die Suche nach einem ominösen Droiden hineingezogen, der Daten besitzen soll, die für die aufkeimende Rebellion gegen das junge Imperium wichtig sind. Rostu war früher Soldat in der Armee der Republik, ging dann mit dem Regierungswechsel in den Untergrund und er ist zufällig zugegen, als einer der letzten Jedi-Meister, Even Piell, von Sturmtruppen getötet wird. Von ihm erhält er die Mission, den Droiden 10-4TO zu finden, und er gibt sie an Jax weiter. Doch die Untergrund-Streiter sind mit ihrem Interesse für den Blechmann nicht allein. Sowohl der Falleen-Prinz Xizor (aus Steve Perrys „Schatten des Imperiums“, 1996, VGS) als auch Darth Vader persönlich treiben sich in den dunklen Straßen zwischen den Megastrukturen von Imperial City herum.

Man merkt es bereits an dieser kurzen und etwas vagen Zusammenfassung: „Im Zwielicht“ ist anders als viele „Star Wars“-Romane. Und das betrifft nicht nur die Riege der Akteure, die fast durch die Bank dem alten Expanded Universe entstammen. Es betrifft auch die Erzählung selbst. „Coruscant Nights 1“ spielt komplett auf Coruscant, genauer in den dunklen Straßen und einsamen Industriebrachen des Planeten. Durch diese Konzentration bekommt das Abenteuer seine ganz eigene, triste, an Film-Noir-Streifen erinnernde Atmosphäre. Es ist ständig Nacht, es regnet, Schmutz und Abschaum umgibt die Helden, die selbst auch alle Gescheiterte sind: ein Reporter ohne Job, ein in Ungnade gefallener Soldat, ein Jedi, der seine Verbindung zur Macht verliert. Sie werden sogar, wie klassische Film-Noir-Helden, von „Mobstern“ (Xizor) und der Obrigkeit (Vader) bedrängt. Das ergibt ein stimmiges Gesamtpaket.

Vorwerfen könnte man der Geschichte eine mangelnde Handlung. Es wird aus sehr vielen Perspektiven erzählt, was natürlich Platz kostet – und der Roman ist mit 350 Seiten nicht einmal besonders dick. Die meiste Zeit irren die Figuren durch die Unterwelt von Coruscant, gelegentlich kreuzen sich ihre Wege, dazu kommt viel bedrückende Innenschau, auch von einem Rivalen Xizors und einem Adjutanten Darth Vaders, aus deren Sicht wir die beiden ikonischen Bösewichte erleben. Die Suche nach dem Droiden 10-4TO gerät da ein wenig zur Nebensache. Dazu kommt, dass der Roman in mehreren Elementen mittlerweile von offizielleren Produkten überholt worden ist (dass er seit Disney sowieso zum „Legends“-EU gehört mal außen vor belassen). So wurde das Schicksal von Jedi-Meister Even Piell in der TV-Serie „The Clone Wars“ anders erzählt. Und obwohl „Im Zwielicht“ selbst im US-Original Jahre nach dem Film „Die dunkle Bedrohung“ erschien, verzichtet Michael Reeves auf Midichlorianer als Erklärung für die Verbindung eines Jedi-Ritters zur Macht und verfolgt merklich den früheren, mystischeren Ansatz.

Fazit: Obwohl der Roman schon früher überhaupt keine Relevanz für die große Saga um Luke Skywalker und Co hatte und obwohl er heute dem „Legends“-EU angehört, ist „Coruscant Nights 1: Im Zwielicht“ für Fans des „Star Wars“-Universums ein echter Leckerbissen. Das gilt vor allem dann, wenn man die Bücher des Expanded Universe mag und schätzt, wie sie das Universum an sich immer größer machen und gleichzeitig verknüpfen. Hier trifft Reaves, der selbst ein echter „Star Wars“-Nerd sein muss, genau den Ton. Kenner werden überall kleine Verweise finden (bis hin zu einem frechen „Star Trek“-Zitat). Kein guter Roman für Einsteiger, aber dem Kenner, der nicht ständig Jedi-Action und Raumschlachten braucht, ein Genuss.


Star Wars: Coruscant Nights 1: Im Zwielicht
Film/Serien-Roman
Michael Reaves
Panini Books 2014
ISBN: 978-3833229060
352 S., broschiert, deutsch
Preis: EUR 12,99

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