von Shadow

Der Hexer wünscht sich Zugang zu besonders mächtigen Zaubern, weshalb er einen Pakt mit dem Dämonenprinzen eingegangen ist, eine ganz bestimmte Priesterin des Okhrid-Tempels zu töten. Bevor es mit der Reise losgeht, darf man sich für zwei von vier Pfaden der Hexerei entscheiden. Zur Wahl stehen die Beherrschung der Elemente, die Manipulation des Verstandes, Angriffszauber auf Blut, Knochen und Muskeln oder die Beherrschung lebloser Materialien wie Metalle.

Auf seiner Reise wird der Hexer von einem schelmisch dreinblickenden Schweine-Familiar begleitet. Gleich zu Beginn stellt dieser den Spieler auf die Probe, ob er bereit dazu ist, für einen nützlichen magischen Gegenstand einen Mord zu begehen. Entscheidung wie diese lassen Freiraum, wie böse man seinen Hexer verkörpern möchte. Erliegt man der Verführung zu bösartigen Taten, erhält man häufig eine verlockende Belohnung, mehrt jedoch auch seine Finsternis-Punkte. Dadurch verschlechter sich Ruf des Charakters, wodurch er leichter erkannt wird. Dies kann zu kämpferischen Auseinandersetzungen mit Wachen oder einer Gefangenschaft führen.

Neben der Anwendung von Hexerei kann hin und wieder auch eine gute Beobachtungsgabe den Spieler aus der Patsche helfen. Hierfür sollte man die Illustrationen aufmerksam beobachten. Immer wieder findet man nützliche Gegenstände oder versteckte Zahlen, die einen zum nächsten Abschnitt führen. Zahlreiche Wege führen zu einen sofortigen Tod, deshalb sollte man sich ihn vorher genau anschauen. Welche Figuren stehen um den durch die Zahl gekennzeichneten Weg? In welche Richtung schauen sie? Hat man sich entschieden, blättert man zur passenden Stelle des Comics. Ein Handlungsabschnitt besteht meistens aus einem einzelnen Bild, somit muss man nach jedem Bild mehrere Seiten vor- oder zurückblättern – was etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber gleichzeitig auch für Spannung sorgt. Als Orientierung sollte man sich am besten an die Zahlen am unteren Seitenrand halten, die alle auf der Seite dargestellten Nummern aufzählen. Dies ist besonders nützlich, um versehentliche Spoiler zu verhindern.

Das Zaubersystem und die Finsternis-Punkte bringen außergewöhnliche Elemente in den Spielecomic. Je nachdem zu welcher Spezialisierung der gewählte Zauber gehört, blättert man 5 oder 10 Seiten vor oder zurück. Jeder dieser Pfade bietet zahlreiche Möglichkeiten, Probleme mit Magie zu lösen, jedoch sollte man die Kräfte wohl überlegt einsetzen, da man nur eine begrenzte Anzahl von Zaubern einsetzen kann, bis der Protagonist vor Erschöpfung zusammenbricht. Wie viel ein Zauber kostet, erfährt man erst, nachdem man ihn eingesetzt hat. Hat man sich für eine nicht ganz zur Situation passende Spezialisierung entschieden, zeigt sich das meistens durch besonders hohe Kosten. Daher sollte die Entscheidung wohl überlegt sein – manchmal ist eine magiefreie Lösung sogar ohnehin der bessere Weg. Die Finsternis-Punkte bekommt man für böse Taten wie durch Diebstahl, die Anwendung von Gewalt oder gar Mord. Die Verweigerung, Menschen in Not zu helfen kann sich ebenfalls darauf auswirken.

Mit diesen beiden Elementen ist eine außergewöhnliche Spielmechanik entstanden, die für Abwechslung und einen hohen Wiederspielwert sorgt. Mehrmals spielen wird man vermutlich ohnehin, da es äußerst schwierig ist, bereits beim ersten Durchlauf seinen Auftrag zu erfüllen. Einerseits sorgt der hohe Schwierigkeitsgrad für ein interessantes Spielgefühl, jedoch gibt es auch viele demotivierende Momente. In einigen Situationen entscheidet nicht nur ein scharfer Verstand über Sieg oder Niederlage – sondern braucht man auch Glück. Häufig gibt es nur eine sinnvolle Möglichkeit und die Mehrzahl der Wege sind von Nachteil, oft führen diese zu einem sofortigen Tod des Charakters. Somit muss man von vorne anfangen oder man merkt sich bei brenzligen Szenen einfach, wo man vorher gewesen ist. Dank des Lesebands kann man sich diese Stellen hervorragend markieren.

Grundsätzlich ist der Spielecomic für nur einen Spieler vorgesehen, doch kann man auch zu zweit viel Freude dabei haben. So kann man gemeinsam die Panels durchsuchen und diskutieren, welche Entscheidung am ehesten zielführend ist.

Die Illustrationen sind grandios. Durch die Verwendung von zahlreichen Strukturen und Schattierungen kommen sowohl Charaktere als auch Hintergründe hervorragend zur Geltung. Die Wahl der Farbtöne wurde wohl überlegt und die Verwendung von Pastelltönen hinterlassen ein ansprechendes Gesamtbild. Die Darstellung des Regens wirkt so echt, als würden sich die Tropfen tatsächlich bewegen. Die Figuren haben eine lustige Optik, insbesondere der schelmisch grinsende Schweine-Familiar bringt den Leser zum Schmunzeln. Von dieser niedlichen Darstellung, sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen, denn manche Panels haben es in sich. Es kommen durchaus brutale Szenen vor, in denen Menschen zum Beispiel gefoltert werden und man ihnen daraufhin Körperteile abreißt. Hierbei eine Altersempfehlung von ab 12 Jahren zu geben, ist schon bedenklich.

Der Comic liegt als Hardcover vor und wirkt insbesondere durch die Prägungen auf dem Einband edel. Die 144 Seiten sind vollflächig farbig bedruckt und aus hochwertigen Bilderdruckpapier. Das Format beträgt hierbei 15 x 22 cm, also in etwa DIN-A5.

Fazit: „Magica Tenebrae“ bringt durch die Zauber und das Finsternis-System außergewöhnliche Spielmechaniken ein. Eine weitere Besonderheit ist, dass man aus der Sicht eines bösartigen Charakters spielt. Hierbei sollte man sich von der niedlichen und heiteren Optik nicht täuschen lassen. Manche Illustrationen zeigen durchaus brutale Szenen. Ein wenig demotivierend ist, dass viele der Entscheidungen allein auf Glück beruhen und häufig zu harte Konsequenzen haben, wie den sofortigen Tod des Charakters oder einen erheblichen strategischen Nachteil.

Magica Tenebrae
Spiele-Comic
oTTami, Manuro
Pegasus Spiele 2020
ISBN: 9783957892447
144 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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