Snap Ship Tactics – Starterbox

Bisher bestanden die Raumschiffe eines Weltraum-Kampfspiels – wie „Star Wars – X-Wing“ oder „Star Trek – Attack Wing“ – immer aus festen Modellen. Ein X-Wing war ein X-Wing und eine Galaxy-Klasse eine Galaxy-Klasse. Individuell wurden und werden diese Schiffe durch Ausrüstungs- und Personalkarten im Tischbereich der Spieler. Einen Einfluss auf die Optik des Modells hat es aber nicht, ob Erschütterungsraketen oder Protonentorpedos geladen sind oder ein Rumpf durch Ablativpanzerung geschützt wird. Doch es geht auch anders! Vorhang auf für „Snap Ship Tactics“.

von Bernd Perplies

Den Anfang machten die „Snap Ships“, eine Spielzeugreihe von Scott Pease und Jeff Swenty, die 2020 von Playmonster auf den Markt gebracht wurde. Kern sind modulare Military-SF-Modelle (Raumschiffe und Bodenfahrzeuge), die aus zig Plastikteilen zusammengesetzt und so immer wieder kreativ umgestaltet werden können. 2022 entwickelte Lynnvander Studios dazu ein Weltraum-Kampfspiel namens „Snap Ship Tactics“, das als Kickstarter-Kampagne finanziert wurde und schließlich über ein Crowdfunding der Spieleschmiede auch seinen Weg nach Deutschland fand.

Im Mittelpunkt von „Snap Ship Tactics“ steht erkennbar der Wunsch der Macher, die individuellen Funktionen der Schiffe wirklich an den Modellen sichtbar zu machen. Flügel haben Spieleffekte, Kanonen haben Spieleffekte, Antennen haben Spieleffekte usw. Vor jeder Partie „Snap Ship Tactics“ steht also die Frage, mit welchem Flieger man in den Kampf ziehen will. Zur Auswahl stehen ein paar fertige Designs, man kann sich aber auch seine(n) individuellen Jäger bauen. Dazu sind in der hier vorgestellten „Starterbox“, die das Duell mit zwei verfeindeten Schiffen – Scarab und Sabre – erlaubt, laut Anleitung insgesamt 103 Snap-Ships-Bauteile enthalten. (Meine Zählung ergab ehrlich gesagt nur 101 Teile und da waren schon alle zweiteiligen Bauteile, wie schwenkbare Flügel, zerlegt und die 2 Piloten mitgezählt. Wirklich individuelle Komponenten gibt es nur 89, aufgeteilt in 9 Scarab- und 8 Sabre-Rumpfstücke, je 25 Scarab- und Sabre-Bauteile mit Funktion – die meisten davon in Paaren – sowie 10 Scarab- und 12 Sabre-Zierelemente.)

Die Basis bildet je ein paar würfelförmige Rumpfstücke, die mit dicken Noppen zusammengesteckt werden. An diese werden die Funktionsteile des Raumjägern gesteckt, wobei ein Cockpit, eine Düse und ein paar Flügel Pflicht sind. Weitere Systeme wie Waffen, Panzerung, Sensoren etc. können beliebig angeflanscht werden. Beschränkt wird das Ganze durch die sogenannten „Rumpfkarten“, die eine allgemeine Jägerklasse darstellen und mit ihren Punktekosten für ein ausgewogenes Spiel sorgen sollen. Die „Starterbox“ lässt hier zugegeben nur bedingt Experimente zu. Alle vier Varianten der zwei Jägerklassen Scarab und Sabre erlauben nur genau sechs Bauteile, also drei Systeme, die gänzlich frei gewählt werden können. Immerhin gibt es auch zwei Düsenarten und zwei Flügelarten für etwas zusätzliche Varianz. Wer neben den 14 Bauteilen für „die Blauen“ (Fraktion: die Schmiede) und den 14 Bauteilen für „die Roten“ (Fraktion: der Komplex) mehr Vielfalt wünscht, der muss zu einer der zwei existierenden Erweiterungen greifen: „Scout Set: Lance & Locust“ sowie „Elite Ships: Falx & Wasp“ – letzteres aktuell nur auf Englisch erhältlich.

Ohne Ausrüstungskarten, hier Bauteilkarten genannt, kommt das Spiel dann aber auch nicht aus. Denn irgendwo müssen ja die Spielwerte niedergelegt werden. Und so gibt es zu jedem Plastikbauteil eine passende Karte, die den Effekt eben jenes Bauteils für das Spiel erklärt. Man hat also, neben seiner Rumpfkarte, die ein paar Basiswerte des eigenen Schiffs enthält, in der Regel sechs kleine Bauteilkarten vor sich liegen, die die Fähigkeiten des Jägers darstellen. Diese Verbindung von Wertekarte und tatsächlichem, am Modell befestigten Bauteil ist schon ziemlich cool, und gerade für jüngere Spieler ist eine Riesengaudi, vor einer Partie die erstaunlich großen Modelle zu bauen. „Erstaunlich groß“ heißt hier: Der blaue Sabre bringt in der Einführungskonfiguration Kampfmaße von 15x19 cm, der rote Scarab sogar 18x19 cm auf den Tisch. Das ist schon massig. (Zum Vergleich: Der klassische X-Wing aus gleichnamigem Spiel misst von der Spitze bis zum Heck 4,5 cm und hat eine Flügelspannweiter von 3,5 cm.)

Doch so eindrucksvoll das aussieht, gibt es hier auch eine Schattenseite: Die Schiffe sind recht groß für das Standardspielfeld von 90x90 cm. Oder anders herum ausgedrückt: Das Spielfeld wirkt etwas eng. Mit passender Bewaffnung kann man schon im ersten Spielzug, noch bevor der Gegner auch nur aus seiner Ecke gekommen ist, Wirkungstreffer erzielen, und schon zu zweit umkreisen sich die Raumjäger ziemlich dicht. Im Flottenkampf, den wir aus Mangel an Schiffen nicht testen konnten, der aber von zwei bis drei Schiffen pro Seite ausgeht, dürfte fast jede Bewegung in einem mehr oder weniger freiwilligen Zusammenstoß der Kontrahenten enden. Dem kann man natürlich mit größeren Spielflächen Abhilfe schaffen, aber rein vom Regelwerk sind 90x90 cm eben der Standard.

Aber ein Schritt zurück. Neben dem Bau des oder der eigenen Schiffe gilt es vor dem Kampf ein paar Entscheidungen treffen. Spiele ich ein Duell solo gegen eine KI oder gegen einen menschlichen Gegner. Spiele ich einen Flottenkampf (gegen KI oder Mitspieler) oder ein Szenario? All das ist möglich, wobei ich gleich sagen muss: Die KI-Regeln lassen die ein oder andere Frage offen. Denn in vielen Fällen weiß man nicht so recht, was für Aktionen die KI nun ausführen würde oder nicht. So gibt es auf der einen Seite KI-Aktionskarten, die Aktionsreihen aufweisen, die ausgelöst werden, wenn jeweils gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Auf der anderen Seite gilt als „Goldene Regel“, dass KI-Schiffe nie eine Aktion ausführen, die ihnen keinen Vorteil bringt. Und schon fragt man sich etwa: Würde ein KI-Schiff einen Zusammenprall, der ihm selbst Schaden zufügt, hinnehmen, um danach in guter Schussposition zu sein? Oder: Würde sich ein KI-Schiff dem Gegner zudrehen, um schießen zu können, auch wenn es in der Folgebewegung dann einen Zusammenstoß riskiert? Ich habe zwei Partien mit KI-Regeln ausprobiert – und habe mehr Zeit mit dem Versuch, das System zu interpretieren, verbracht als mit spielen. Ein paar einfache Regelsätze (zum Beispiel: wenn nicht in Reichweite = Bewegung, wenn in Reichweite = Schuss) hätten das vereinfachen können. Daher: Ein Spiel mit menschlichen Gegnern ist definitiv vorzuziehen und macht ohnehin immer mehr Spaß.

Gespielt wird mit dieser „Starterbox“ 1 gegen 1, wie gesagt auf einer Fläche von 90x90 cm. Wer hat, nutzt eine schöne Neopren-Sternenmatte, das gibt gleich mehr Flair. Auf dieser werden ein paar Papp-Terrain-Teile platziert; es gibt Trümmerwolken, Eiswolken, Asteroidenfelder und ein Raumphänomen namens Tychos Riss. Diese haben positive Effekte, wenn man in sie hineinfliegt (also die Schiffsbasis mit dem Terrain-Feld überlappt). Nachdem das eigene Schiff gebaut und platziert wurde, bekommt man – neben Rumpfkarte und Bauteilkarten – einen Statusanzeiger, der den Rumpf- und Ausweichwert verzeichnet, sowie sieben blaue Energiesteine, die als „Währung“ dienen und zum Einsatz der Bauteile gebraucht werden.

Ziel des Spiels ist es, den Rumpfwert des Gegners auf 0 zu reduzieren – zumindest in der schlichtesten Duell-Version. Man ist immer abwechselnd am Zug. Jeder Zug besteht aus drei Schritten: der Rumpfaktion, den Bauteilaktionen und den Ende-der-Aktivierung-Effekten. In der Rumpfaktion wird der Ausweichen-Wert auf seinen Standard zurückgesetzt. Für Sabres liegt er bei 2, für Scarab-Varianten bei 3. Danach darf man eine Mischung aus 5 blauen Energiesteinen oder roten Hitzesteinen von seinen Bauteilen entfernen. „Entlüften“ wird das genannt. Schließlich erfolgt eine Pflichtbewegung, die aus einer Drehung und einer geraden Bewegung besteht. (Kurvenschablonen gibt es bei „Snap Ship Tactics“ nicht, eine 180-Grad-Drehung ist aber bei manchen Düsen drin.)

Im Bauteilschritt kann man so lange Bauteile aktivieren, wie man ihre Kosten in Energiesteinen bezahlen kann. Hitzesteine sind kostenlos und unbegrenzt aus dem Vorrat erhältlich. Je mehr Hitze man aufstaut, desto mehr blockiert man sich damit aber auch. Denn erst wenn ein Bauteil wieder „kühl“ ist, also komplett ohne Steine, kann es erneut genutzt werden. Und die Rumpfaktion „Entlüften“ gestattet, wie gesagt, nur das Zurücklegen von 5 Steinen. In diesem Mechanismus liegt die Haupt-Taktik des Spiels. Wie viele Effekte will ich zu einem bestimmten Zeitpunkt auslösen und wie sehr blockiere ich mich damit für die Folgerunde? Diese Frage muss man sich ständig stellen und für sich beantworten. Die Effekte der Bauteile sind dabei höchst unterschiedlich. Düsen und Flügel erlauben extra Bewegungen, Projektilwaffen richten Schaden auf nahe bis mittlere Distanz an, Raketenwerfer feuern Raketen über weite Strecken ab, Panzerung hält Schaden ab, Entlüfungssysteme helfen beim Hitzeabbau etc. pp. Das Ganze ist recht simpel und gut verständlich. Da kommen auch jüngere Spieler gut mit.

Gegen Ende der Aktivierung werden normalerweise vor allem Einschläge von Raketen abgehandelt, die zuvor nicht abgefangen worden waren.

Natürlich gibt es darüber hinaus viele der Standard-Aspekte, die man von vergleichbaren Weltraum-Kampfspielen kennt. Kollisionen beschädigen Schiffe, können aber zum Teil auch absichtlich als Rammattacken ausgeführt werden. Angriffe von der Seite oder hinten bringen Boni für den Angreifer mit sich. Bauteile können durch kritische Treffer beschädigt und durch Aktionen wieder repariert werden. Terrain bietet Deckung. Und wer schwungvoll über den Spielfeldrand hinausschießt, muss eine kleine Strafe in Kauf nehmen. Man kennt das.

In der Praxis spielt sich das Ganze erfreulich flott und eingängig. Das Spiel ist ab 14 Jahren empfohlen, aber mit einem erwachsenen Regelkenner am Tisch kommen auch 10-Jährige problemlos mit den Abläufen klar. Die Züge sind ohne viel Downtime für die Gegenseite abgehandelt, obwohl man ein bisschen überlegen muss, wann man welche Bauteile nutzen will. Denn leider hat man nie genug Energie, um wirklich alle möglichen Optionen auszureizen. Und geht man doch mit 7 Energiesteinen und vielleicht noch 4 Hitzesteinen in die Vollen, ist man danach garantiert für eine ganze Folgerunde lahmgelegt, weil die eigene Maschine heillos „überhitzt“ ist. Das ist schon ein schicker Mechanismus, der nochmal zum Denken zwingt, ganz abseits von den besten Schussentfernungen und Feuerwinkeln.

Die verschiedenen Konfigurationen spielen sich tatsächlich auch ein wenig unterschiedlich, wobei nicht jede gleich nützlich ist. Während sich Sabre Fighter und Sabre Light Bomber kaum unterscheiden, will das träge, aber massive Sabre Gunship mit seinen Waffen sehr nah an den Feind ran. Der Sabre Fast Recon dagegen ist im Duell fast nutzlos, weil zu schwach bewaffnet. Vielleicht kann er in gewissen Szenarien seine Extra-Beweglichkeit ausspielen. Der Scarab Attack Striker ist robuster als der Interceptor, dafür ist sein „Wendekreis“ größer, es sei denn, es wird extra viel Energie in den Antrieb gepresst. Dem Jammer fehlt die typische Rammfähigkeit der Komplex-Schiffe, dafür trägt er schwere Raketen mit sich und kann feindliche Angriffe stören. Der Light Fighter schließlich punktet mit Beweglichkeit, kann dafür aber nur aus nächster Nähe angreifen.

Kritik muss an den verwendeten Modellen geübt werden. In den Regeln heißt es explizit: „Jede gewählte Bauteilkarte muss von mind. 1 entsprechenden Plastikbauteil dargestellt sein.“ Und: „Baut keine Plastikbauteile an euer Schiff, die ihr nicht gewählt habt, um Fähigkeiten eures Schiffs klar darzustellen.“ Doch was tun die Macher? Der Sabre Fighter hat ein „BF Schott“, „Kleine Auslasse“, ein „SLS Solar“-Panel, ein „LS Auge“ und „XRE Brennstoffbooster“ verbaut, obwohl er keine hat. Der Sabre Light Bomber hat fälschlich ein „BF Schott“, „XRE Brennstoffbooster“, ein „SLS Solar“-Panel, ein „LS Auge“ und „Manövrierfinnen“ am Rumpf. Der Sabre Fast Recon scheint über ein „BF Schott“, „XR70 Raketenbehälter“, ein „LS Auge“ und „Manövrierfinnen“ zu verfügten, was auch nicht stimmt. Und so geht es auf der Scarab-Seite weiter. Grund dafür ist, dass hier die Bauvarianten der ursprünglichen Spielzeuge „Snap Ships“ falsch ins Brettspiel importiert wurden. Denn während bei einem Spielzeug klar möglichst viel Schnickschnack verbaut sein soll, damit es cool aussieht, hätte man sich bei dem Brettspiel-Modell an seine eigenen Regeln halten sollten. Da haben Lynnvander Studios entweder gepennt oder sie waren durch die Bedingungen der „Snap Ships“-Lizenzgeber gehemmt. Es ist für mich kein krasses Problem – man schaut halt doch beim Gegner auf die Bauteilkarten statt auf die Modelldetails –, aber genau das Alleinstellungsmerkmal von „Snap Ship Tactics“ wurde hier unnötig untergraben.

Fazit: „Snap Ship Tactics“ hat eine coole Prämisse: Die Raumschiff-Modelle dieses Weltraum-Kampfspiels zeigen tatsächlich an Bauteilen, was sie regeltechnisch draufhaben (mehr oder weniger). Die Spielmaterialien sehen auf dem Tisch auch alle super aus, vom Bauspaß zuvor ganz zu schweigen. Das reizt vor allem jüngere Pilotenasse. Die Spielfläche sollte man nach Möglichkeit anpassen, denn die 90x90-Standardfläche ist zumindest für Flottenkämpfe doch arg eng. Außerdem wurde ich zumindest mit den KI-Regeln nicht glücklich. Ansonsten liegt hier mit der „Energie-&-Entlüften-Mechanik“ ein interessanter Regelkniff vor, der dem sonst recht klassischen System Eigenständigkeit verleiht. Eine interessante Alternative zu „X-Wing“ und „Attack Wing“, und auch preislich auf ungefähr gleichem Niveau, wenn auch natürlich in seinem Umfang viel, viel kleiner.

Snap Ship Tactics – Starterbox
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Scott Pease, Jeff Swenty, Josh Derksen u.a.
Lynnvander Studios/Grimspire 2024
EAN: 4255682704791
Sprache: Deutsch
Preis: 85,00 EUR

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