Star Trek – Attack Wing Miniatures Game

Als 2012 das „Star Wars – X-Wing Miniatures Game“ bei Fantasy Flight Games erschien, ging eine Erschütterung der Macht durch die Spielerschaft. Das an das ältere „Wings of War“ erinnernde Tabletop-Spiel entwickelte sich zu einem Bestseller, die Erweiterungen mit zusätzlichen Raumschiffen waren und sind in schöner Regelmäßigkeit out-of-print. 2013 zog dann WizKids überraschend nach, lizenzierte den „Flight Path“-Spielmechanismus von den Kollegen und brachte seine Version des Spiels, angesiedelt in dem anderen großen „Star“-Universum, heraus: das „Star Trek – Attack Wing Miniatures Game“.

von Bernd Perplies

Abgesehen vom anderen Design und zwei oder drei neuen Detailregeln gleicht „Star Trek – Attack Wing“ seinem älteren Bruder „Star Wars: X-Wing“ wie ein Zwilling dem anderen. Kennern sei also gesagt, dass die neue Version praktisch die alte „in Blau“ ist, bloß kann man hier nun die Föderation gegen Klingonen, Romulaner und zahlreiche andere Fraktionen antreten lassen, statt die Rebellenallianz gegen das Imperium. Die Schiffsmodelle, Spielmarker und Karten sind etwas schlichter vom Design, dafür haben die WizKids in Sachen Szenarien und Zusatzspielmaterial die Nase vorne. Aber von vorne ...

Was ist in der Box?

Selbst von außen ähnelt das Starter-Set von „Star Trek – Attack Wing“ seinem Vorgänger. Es kommt in einer flachen Box daher, deren unteres Drittes ausgesägt ist, um die drei Schiffe zu zeigen, die darin enthalten sind: ein Klingonenkreuzer der Vor’cha-Klasse, ein Föderationsraumschiff der Galaxy-Klasse und ein romulanischer Warbird der D’deridex-Klasse. Damit zeigt sich schon im Grundset: „Star Trek – Attack Wing“ baut auf mehr als nur zwei Fraktionen, tatsächlich gibt es laut Regelwerk gegenwärtig elf, allerdings auch auf absehbare Zukunft hinaus mit eher geringem Schiffsbestand, vor allem im Bereich der Nebenfraktionen wie den Kazon, den Ferengi und den Borg. Föderation und Klingonen können dagegen aus den Vollen schöpfen, was nicht zuletzt daran liegt, dass WizKids für dieses Spiel die Modelle verwendet, die für das Brettspiel „Star Trek – Fleet Captains“ unbemalt und für die „HeroClix“-Variante „Star Trek Tactics“ bemalt schon zum Einsatz kam. (Es lebe die Mehrfachverwertung.)

Neben den drei Schiffen finden sich Quickstart-Regeln, ein Komplettregelwerk, Manöverschablonen, eine Unmenge an Spielmarkern (Action Tokens, Captain ID Tokens, Mission Tokens, Objective Tokens, etc.), ein Stapel Maneuver, Upgrade, Captain und Damage Cards sowie zehn Würfel in dem englischsprachigen Set (eine deutsche Version ist meines Wissens nicht geplant). Optik und Verarbeitung sowohl der Box als auch der Spielmaterialien gehen in Ordnung, bleiben aber hinter dem Geschwisterprodukt „Star Wars – X-Wing“ zurück. Die Bemalung der durchaus sehr hübsch modellierten Schiffsmodelle ist sauber, aber etwas spartanisch, und auch wenn das de facto bei „Star Trek“ und seinen stark unterschiedlich großen Raumschiffklassen nicht machbar war, werden Puristen bemerken, dass jede Maßstabsgetreue im Gegensatz zu „X-Wing“ völlig ignoriert wurde. Das Design der Spielmarker kommt ebenfalls schlicht daher, die Spielkarten weisen zwar nette Fotos aus den Kinofilmen und TV-Serien auf, leiden aber – wie bedauerlicherweise so oft bei WizKids-Produkten – unter einem zu blassen, dunklen Druckbild. Das macht das Spiel keineswegs weniger gut spielbar, gibt aber Abzüge in der B-Note.

Wie spielt sich das Ganze?

Der Titel gibt bereits den entscheidenden Hinweis: Wir haben hier einen Raumkampf-Simulator mit Miniaturen vorliegen. Das mag nicht ganz im Geiste Gene Roddenberrys sein, liegt aber im aktuellen Trend, der auch dem „Star Trek“-Universum in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend Dunkelheit und Krieg verordnet hat. Vor Spielbeginn stellt man sich eine Staffel zusammen, wobei mit dem Starter-Set eben nur ein Klingone gegen einen Föderierten gegen einen Romulaner antreten kann – und, ja, es gibt Drei-Spieler-Regeln (wobei durchaus auch vier bis x Spieler gegeneinander antreten können; der Spielmechanismus kennt hier keine Limitierung). Zusätzlich existieren, zumindest auf dem Papier, bereits 16 Erweiterungssets mit jeweils einem Einzelschiff plus Zusatzmaterial, darunter so namhafte Gefährte wie die U.S.S. Reliant, die I.K.S. Kronos One, die U.S.S. Defiant und der I.R.W. Valdore. In Wahrheit ist es gegenwärtig ziemlich schwierig, an überhaupt ein Schiff zu gelangen, weil wohl auch WizKids die Begeisterung der Fans unterschätzt hat.

Jedes Schiff kann als namenloses Klassen-Schiff oder als benannte Variante (hier: Maht-H’a, Enterprise-D und Khazara,) geflogen werden. Dazu kommen verschiedene Captains, die das jeweilige Schiff führen können und im Spiel spezielle Fähigkeiten mitbringen (oder eben nicht). Veteranen wie Jean-Luc Picard oder die Romulanerin Toreth bieten natürlich einen größeren Vorteil als ein namenloser Klingone, kosten dafür aber auch Punkte beim Zusammenstellen der eigenen Flotte. Verstärkt werden die Schiff zusätzlich durch Upgrade Cards, die Mannschaftsmitglieder wie Data, Sekundärwaffen wie „Antimatter Mines“, Systeme wie den „Tractor Beam“ oder Manöver wie „Counter Attack“ bieten.

Nachdem die Flotte steht, wird auf einer freien Spielfläche von etwa 90x90 cm gespielt. Das kann jedoch jeder so handhaben, wie er möchte. Kleinere Spielflächen führen zu hitzigeren Kämpfen, größere eignen sich für Szenarien, während derer man auch mal von A nach B fliegen muss. Gespielt wird in Runden, wobei sich das Schiff mit dem (laut Captain Skill) unerfahrensten Captain zuerst bewegt, dann geht es aufsteigend weiter bis zum besten. In der Planungsphase weist jeder Spieler jeder Maschine eine Bewegung zu. Die Bewegungsmöglichkeiten eines Schiffs werden durch sein Manöverrad festgelegt. Die Enterprise beispielsweise ist ziemlich flott in der geraden Strecke, dafür vermag das Romulanerschiff engere Kurven zu fliegen und der Klingone überrascht mit dem Immelmann-Manöver. Das mag nicht völlig kanonkonform sein, soll aber unterschiedliche Taktiken beim Spiel fördern.

In der Aktivierungsphase werden alle Manöverräder aufgedeckt. Je nach Manöver wird dann eine Schablone angelegt, entlang derer sich das Schiff bewegt. Anschließend kann noch eine Aktion durchgeführt werden, die Auswirkungen auf die Kampfphase hat. Von diesen stehen bei „Attack Wing“ sechs zur Verfügung. Mit „Evasive Maneuvers“ wird das Ausweichen verbessert, mit „Battle Stations“ und „Scan“ der Angriff. „Cloak“ und „Sensor Echo“ bringen die bei „Star Trek“ so häufig thematisierten Tarnvorrichtungen auf den Spieltisch. „Acquire a Target Lock“ schließlich erlaubt ein Neuwürfeln des Angriffswurfs und wird für Sekundärwaffen gebraucht. In der Kampfphase beginnt der beste Captain und es geht abwärts bis zum schlechtesten. In dieser Phase prüft der Angreifer, ob ein Ziel in Reichweite ist und würfelt anschließend Angriffswürfel in Höhe seines Primär- oder Sekundärwaffenwerts, modifiziert durch gegebenenfalls vorher ausgeführte Aktionen. Der Verteidiger verfährt genauso, nur mit den Verteidigungswürfeln. Jeder erfolgreiche Angriffwürfel, der nicht durch einen Verteidigungswürfel negiert werden kann, wird zu einem Treffer, der Schilde oder die Hülle abbaut, wobei zusätzlich kritische Treffer auftreten können, die besondere Schadenseffekte erzeugen.

Das geht so lange hin und her, bis ein Spieler alle Schiffe des Gegners zerstört hat oder bis ein besonderes Spielziel erreicht wurde. Hindernisse wie Planeten, Minenfelder oder Asteroiden sorgen dabei für mehr taktische Möglichkeiten, Missionen, von denen es im Starter-Set zwei gibt, bringen Abwechslung ins Spiel.

„X-Wing“ oder „Attack Wing“?

Warum sollte man nun eigentlich „Attack Wing“ spielen, wo es doch schon „X-Wing“ gibt, das auch noch etwas besser aussieht? Nun, zunächst ist es sicher eine Frage persönlichen Präferenz. Wer „Star Trek“ mag, möchte einfach „Star Trek“-Schiffe auf dem Spieltisch haben. Und auch wenn sie nicht üppig bemalt sind, sehen sie in der Hitze des Gefechts auf einer vielleicht privat noch schön gestalteten Spielfläche ziemlich gut aus. Der zweite Unterschied liegt in der Frage, ob man lieber schnelle Jägergefechte oder etwas langsamere Flottenoperationen spielt. Der typische TIE-Fighter hat drei Hüllenpunkte. Ende. Ein oder zwei Treffer und er ist Geschichte. Die Galaxy-Class dagegen weist fünf Hüllenpunkte und vier Schildpunkte auf. Außerdem lässt sich das Schiff statt mit zwei oder drei gleich mit fünf Karten verbessern. Die anderen beiden Schiffe sehen ähnlich aus. Zugegeben: Die Verteidigung ist schwach und die Angriffswerte hoch, was wiederum zu heftigen Schadensergebnissen im Kampf führen kann, aber das lässt sich durch Upgrades kompensieren. Unterm Strich scheinen die Kämpfe hier also weniger auf Staffeln von Schiffen abzuzielen, die schnell aus dem All geblasen werden, sondern auf kleinere Gefechte, die dafür mit stärkeren Brocken und längerem Kampfverlauf ausgetragen werden.

Fazit: WizKids springt auf den fahrenden Zug auf und liefert eine gelungene Portierung des „Star Wars: X-Wing Miniatures Game“ ins „Star Trek“-Universum. Die Schiffsvielfalt übertrifft jetzt schon das Geschwisterprodukt, allerdings ist die Erhältlichkeit in Deutschland ziemlich mies. Dazu kommt, dass WizKids mit „Attack Wing“ im Grunde sein eigenes „Star Trek – Tactics“ untergräbt, aber vielleicht hat man bei den Machern – nicht zu unrecht – festgestellt, dass sich mit Spielen, die nicht in Boostern gesammelt werden müssen, dafür aber das Doppelte kosten (zugegeben, bei mehr Spielmaterial) einfach besser Geld verdienen lässt. Das Spielprinzip von „Attack Wing“ ist ohne Zweifel zugänglicher und dynamischer, als das etwas sperrig zu spielende „HeroClix“-Konzept. „Star Trek“-Fans, die gerne Modelle über den Spieltisch schieben, kann ich diesen „X-Wing“-Klon trotz leichten Defiziten in der Optik, jedenfalls wärmstens empfehlen. Hoffen wir, dass sich an der Produktverfügbarkeit demnächst mal was tut.

Star Trek – Attack Wing Miniatures Game

Miniaturen-Spiel
Andrew Parks, Christopher Guild
WizKids/NECA 2013
EAN: 634482711200
Sprache: Englisch
Preis: $ 39,95

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