Small City Deluxe

Städtebauspiele wie „Cities Skylines“ oder „Sim City“ haben als PC-Spiele großen Erfolg. 2015 hat sich Alban Viard bereits dran gemacht, diese Spiele unter dem Namen „Small City“ auf den Tisch zu bringen. Giant Roc hat diese Version nun in überarbeiteter und von Kwanchai Moriya komplett neu illustrierter Deluxe-Variante rausgebracht. Ran an die Plättchen und Meeple und baut eure perfekte Stadt.

von Sabrina

Inhalt

Im Spiel enthalten sind 1 deutsche Anleitung, 1 doppelseitiger Stadtrat-Plan, 4 doppelseitige Tableaus (Bezirke), 4 Sichtschirme, über 250 Gebäudeplättchen und über 100 Holzteile.

Zum Spiel

In „Small City Deluxe“ wollen wir, mit Hilfe von Plättchen und Meeple, eine Stadt errichten. Im eigenen Bezirk bauen wir grüne Wohngebiete, blaue Geschäftsviertel, Grünanlagen, rote Kulturgebäude, gelbe Industrieanlagen mit Lagerhallen und weitere Gebäude. Je mehr Arbeitsplätze wir bauen, desto mehr Menschen zieht es in unseren Bezirk. Aber Vorsicht! Unsere Stadt soll zwar wachsen, aber die Luftverschmutzung darf nicht zu hoch werden, denn dann stirbt unsere wertvolle Bevölkerung. Ziel ist es, eine optimal funktionierende Stadt aufzubauen und unser Wahlversprechen (Spiel-Ende-Karten) einzuhalten. Wer am Ende die meisten Siegpunkte, in Form von Stimmen, erhalten hat, gewinnt „Small City Deluxe“. Gespielt wird über 8 Runden, wobei jede Runde 8 Phasen durchläuft.

Zuerst muss man, eine „Parade für den Bürgermeister halten“ (Startspieler*in wählen, Bürgermeister platzieren) und eine*n „Helfer*in auswählen“ (um zusätzliches Einkommen zu erhalten, reduzierte Baukosten zu bekommen, Baugebiet zu vergrößern etc.). In der „Bauphase“ baut ihr euren Bezirk aus, indem ihr in erster Linie neue Gebäude oder Parks baut oder bereits gebaute Gebäude zu Größeren aufwertet. Dabei sind umfangreiche Bau- beziehungsweise Legeregeln zu beachten. Dann heißt es „Bürger*innen bewegen“, denn nach der Bauphase müssen sich alle Bürger*innen, die sich nicht in bestimmten Gebäuden befinden, im Bezirk bewegen. Auch dürfen wir Touristen in andere Bezirke schicken und sie dort für uns arbeiten lassen. Vorteil: Unsere eigene Luftverschmutzung verringert sich und wir erhalten gegebenenfalls trotzdem Ressourcen, Einkommen oder Stimmen.

Im Schritt „Einkommen/Ressourcen erhalten“ erhalten wir Einkommen für Touristen in unserem Bezirk, aus Gewerbe und von Fabriken. Dann folgt das „Stimmen sammeln“. Hier geht es ans Stimmen (Siegpunkte) sammeln. Eure Bürger geben euch Stimmen. Umso mehr Bürger sich in einer Wohnsiedlung befinden, umso höher die Ausbeute. Daher lohnt es sich, im Laufe des Spiels die einzelnen Wohnsiedlungen auszubauen und zu vergrößern. Im nächsten Schritt heißt es „Luftverschmutzung messen“. Je mehr Bürger und Touristen ihr in eurem Bezirk habt und umso mehr ihr in euren Fabriken produziert, umso höher die Luftverschmutzung. Ein Ausgleich schafft das Bauen von Grünanlagen. Die Luftverschmutzung bringt am Ende Minuspunkte und sorgt während des Spiels, bei einer gewissen Höhe, für das Sterben von Bürgern.

Kurz vor Rundenende müsst ihr den „Stadtrat beeinflussen“. In dieser Phase könnt ihr in Spielerreihenfolge den Stadtrat einmal beeinflussen und Vorteile erstehen. Die Industrielobby gibt dir Baumaterialien, die Baulobby ermöglicht dir kostenlose Bauvorhaben, die Wirtschaftslobby Geld beziehungsweise Stimmen und von der Gewerkschaftslobby erhältst du neue Bürger. Am Ende wird der „Bürgermeister weiterziehen“. In dieser Phase wird die neue Runde vorbereitet.

Nach der achten Runde endet die Partie und eine letzte Wertung wird vorgenommen. Für erfolgreiche Versprechen erhaltet ihr die angegebenen Pluspunkte. Falls ihr sie nicht erfüllen konntet, die angegebenen Minuspunkte. Dann zieht ihr eure Luftverschmutzung von euren bisher erhaltenen Gesamtstimmen ab. Wer nun die meisten Stimmen hat, wird zum Stadtoberhaupt von Small City gewählt.

Mein Eindruck zu „Small City Deluxe“

Puh, was für ein Brecher, was die Regeln angeht. An sich ist die Anleitung sinnvoll strukturiert. Hilfreich ist zum Beispiel eine Seite, wo der Aufbau für 4 Personen dargestellt wird. Trotzdem sind uns im ersten Spiel einige Fehler unterlaufen und auch das zweite und dritte Spiel liefen alles andere als flüssig. Dafür gibt es einfach zu viele Regeln, die beachtet werden müssen. Dies darf nur dann gebaut werden, wenn …, aber nicht dort … und was machen nochmal das Krankenhaus und die Polizeistation? Die Ikonografie ist hier unglücklicherweise selten hilfreich beziehungsweise nicht intuitiv. So haben einige Plättchen „Stellplätze“ für die Bewohner. Somit weiß ich, dass auf Parks beispielsweise ein Meeple Platz hat. Bei den Wohngebieten hat man darauf aber verzichtet, obwohl pro überbautes Quadrat ein Meeple platziert werden darf.

Die Anleitung selbst lässt zum Teil einige Fragen offen beziehungsweise unterschiedet sich von der englischen Variante. Sollen die Helfer einmal zu Beginn des Spiels ausgelegt werden und dann bleiben sie in dieser Konstellation liegen? Oder werden sie in jeder Runde neu gemischt und wieder ausgelegt? Ein Blick in die englische Anleitung hilft. Nein, in jeder Runde wird gemischt und neu ausgelegt. Auf dem Stadtrat-Plan sind kleine Meeple abgedruckt. In der Anleitung befindet sich keine Erklärung hierzu. Sie sind laut Internetrecherche für die Winter-Erweiterung wichtig. Bei diesem Spiel wäre eine DIN A5 große Spielhilfe für jede Person wirklich eine große Unterstützung gewesen. Schade, dass dies nicht mitgedacht wurde.

Es gibt einige Regeln, die mir persönlich nicht ganz schlüssig sind. Um ein Beispiel zu nennen: Alle sollen hinter dem persönlichen Sichtschirm planen und bauen und erst danach erläutern, was gemacht wurde. In den ersten Partien ist das nicht zu empfehlen (beziehungsweise meines Erachtens prinzipiell überflüssig), weil zu viele Fehler passieren können. Schaut den anderen lieber auf die Finger. Außerdem sehe ich folgendes Problem: Es gibt einige Gebäude in geringerer Anzahl als Personen am Tisch sitzen. Die Gastgeber*innen vom Bürgermeister sind im „Vorkaufsrecht“ und dann geht’s im Uhrzeigersinn weiter. Wenn alle gleichzeitig bauen, wie kann das sinnvoll gesteuert werden? Reinrufen „Ich will das Plättchen“ und schauen, ob es jemand anderes will. Und falls alle anderen noch Zeit zum Denken brauchen muss ich warten, bis alle vor mir sagen: „Ja ja, nimm man ruhig.“ So kommt noch die ein oder andere Ungereimtheit oder Fehlerquelle in der Anleitung auf.

Die Spiel-Ende-Karten haben uns nicht wirklich überzeugt. Vor allem die schweren nicht. Lösen wir das Wahlversprechen ein, gibt es 18 Punkte, schaffen wir es nicht, gibt es nicht etwa 0 Punkte, sondern gleich ganze 12 Minuspunkte. Da ich nicht weiß, wie sich das Spiel entwickelt, und ich mich zu Beginn des Spiels entscheiden muss, ist die Bestrafung unseres Erachtens zu hoch. Eine Alternative wäre: Ich darf alle 3 Wahlversprechen bis zur Mitte des Spiels behalten und muss mich erst dann entscheiden und/oder ich lasse die Minuspunkte einfach weg.

Für alle kann ich Aufgrund der oben genannten Faktoren folgendes (englischsprachiges) Video, zum Einstieg, wärmstens empfehlen. Hilfreich kann bei Fragen, wie bereits gesagt, ein Blick in die englische Anleitung sein beziehungsweise ein Blick auf die Website BGG (Board Game Geek), in der es ein Forum mit Fragen und Antworten gibt.

Zum Material. Das Inlay ist zwar nachhaltig aus Pappe, aber überhaupt nicht hilfreich, da die Materialien nicht reinpassen und das Inlay so instabil ist, dass kaum was an seinem Platz bleibt. Da müssen dann doch wieder die Plastiktütchen herhalten. Schade, da bei den ganzen Plättchen eine Sortierhilfe wirklich eine Hilfe darstellen würde. Ansonsten ist das Material solide aber Deluxe? Einige Holzteile waren nicht richtig gestanzt und Teile zerbrochen. Ich frage mich, wie eine „Nicht-Deluxe“ Variante hier ausschauen würde?

Genug bemäkelt. Was ist denn gut bei „Small City Deluxe“?

Das Feeling, eine Stadt aufzubauen und zu optimieren, kommt bei mir richtig gut rüber. Viele Aktionen sind absolut sinnvoll. So will man natürlich keine Industrie nahe den Wohngebieten haben. Dafür aber Einkaufsmöglichkeiten. Und umso mehr Industrie und Menschen, umso größer der CO2-Abdruck, der mit Grünanlagen ausgeglichen werden will. Wird die Luftverschmutzung zu hoch, werden die Menschen krank und sterben. Die angelegten Friedhöfe auf den Bezirken blockieren nun den dringend notwendigen Baugrund. Neue Bewohner kommen nur in die City, wenn durch Industrie auch Arbeitsplätze vorhanden sind.

Auch an ein wenig Interaktion wurde gedacht. Erstens durch die „Parade des Bürgermeisters“, denn in diesem Straßenzug kann während der Parade natürlich nicht gebaut werden. Außerdem durch die Auswahl der Helfer*innen und das Entsenden von (Arbeits-)Touristen. Einige Aktionen können erfreulicherweise gleichzeitig stattfinden, und auf dem Stadtrat-Plan können alle alles machen. Das reduziert die von mir gefürchtete Downtime. Das Aufwerten der Gebäude durch „Anbau“ ist ebenfalls schlüssig. Die sogenannten Versprechen sorgen dafür, dass man immer wieder andere Bauvorgaben erfüllen muss und so in jedem Spiel neu denken muss. Schön hätte ich, wie bereits erwähnt, gefunden, dass man erst zur Mitte des Spiels aus den drei Karten, die man zu Beginn bekommt, eine auswählen muss. Es ist doch recht schwer vorherzusehen was möglich ist und was nicht. Immerhin gibt es drei Schwierigkeitsstufen, die bei Nichterfüllung Minuspunkte bringen. Aber so läuft es schließlich in der Politik auch. Nicht jedes Versprechen kann erfüllt werden. ;-) Schön ist, dass es zwei Schwierigkeitsstufen gibt. So können Neulinge und Kenner auf unterschiedlich schwierigen Plänen bauen. Außerdem gibt es Varianten bezüglich Siegbedingungen. So hat man eine gewisse Varianz im Spiel. Zu guter Letzt enthält „Small City Deluxe“ eine von vielen doch gern gesehene Solovariante.

Fazit: Ja, die Einstiegshürde ist, aus meiner Sicht, durch die vielen kleinteiligen Regeln, extrem hoch. Und das Spiel hat, insbesondere was die Ikonografie und auch ein paar Regeln angeht, seine Schwächen, und das, obwohl es sich um eine überarbeitete Version handelt. Da würde ich gern mal mit dem Redakteur sprechen und fragen, warum manche Dinge so sind wie sie sind. Wer sich nicht scheut, sich den oben genannten Herausforderungen zu stellen und ein großer Fan von Städtebauspielen ist, sollte „Small City Deluxe“ durchaus (mehrmals) ausprobieren. Die Umsetzung beziehungsweise das Feeling, eine Stadt zu erschaffen, kommt gut rüber, und es macht Spaß, die optimale Stadt zu entwickeln.

Small City Deluxe
Brettspiel für 1 bis 4 Spielende ab 14 Jahren
Alban Viard
Giant Roc 2023
EAN: 7431098109523
Sprache: Deutsch
Preis: 69,99 EUR

bei der spiele-offensive.de bestellen