Ein wundervolles Königreich

„Eine wundervolle Welt” war vor ein paar Jahren ein Titel auf der Spielemesse in Essen, der unglaublich begehrt war und halten konnte, was er versprach. Auch heute noch gibt es Spieler, die diese Spielschachtel immer mal wieder aus dem Schrank holen. Aber kann der Nachfolger als reines 2-Personenspiel mit dem Original mithalten?

von KaiM

Zwei Königreiche liegen im ewigen Wettstreit um das größte Volk, den schwungvollsten Handel, die größten Entdeckungen und die besten Handwerker. Beide befinden sich in einer Zeit des Aufbruchs, und innerhalb einer kurzen Zeitspanne, wird es ihnen möglich sein, gigantische Gebäude und Plätze zu errichten, vergessene Artefakte zu bergen und große Taten zu vollbringen.

Aber wer wird als großartigste Nation in die Geschichte eingehen? Nach nur vier Spielrunden oder aber 45 Minuten Spielzeit sollte diese Frage geklärt sein. Zumindest wenn man der Verpackung traut, aber sofern man nicht solo spielt, würde ich für die Spiele doch eher 60 Minuten ansetzen. Manchmal sind es doch verzwickte Entscheidungen, die es zu treffen gilt, und das kann dann auch einen Moment dauern. Ein bis zwei Spieler passt natürlich und zehn Jahre sollten die mitspielenden Kinder schon sein. Das passt aus meiner Sicht ganz gut. Denn auch wenn das Spielprinzip recht einfach ist, werden jüngere Kids wahrscheinlich einfach nicht so sehr viel Spaß an dem Spiel haben.



Das Material

Es gibt ein Board zur Organisation der Komponenten auf dem Tisch, aber ansonsten haben wir es mit einem reinen Kartenspiel zu tun. Diese sind stabil und gut mischbar, ohne direkt fransig zu werden, womit das präventive Verpacken der Karten in zusätzliche Hüllen nicht unbedingt notwendig ist. Es gibt noch jede Menge bunt durchscheinende Ressourcenwürfel in fünf verschiedenen Farben, sowie die Soldatenplättchen, die beinahe überdimensioniert dick daher kommen. Auf einen Wertungsblock aus Papier wurde dieses mal verzichtet, aber dafür gibt es ein laminiertes Tableau und einen abwischbaren Faserstift mit Filzkappe zum „Radieren”. Auf den ersten Blick eine schöne Idee, aber aus dem Umweltgedanken bin ich mir nicht sicher, ob ich einen Plastikstift samt Tableau einem Wertungsblock vorziehen möchte. Sollte dies die Motivation gewesen sein, wäre mir ein Block mit wenigen Zetteln und einem kostenlosen Download als Druckvorlage doch lieber gewesen. Die Anmutung und Handhabung haben aber natürlich ihren Reiz, somit ist das also kein großer Kritikpunkt.

Die Anleitung hat mir wenig Probleme bereitet. Man benötigt aber etwas Zeit, um sich in das Wechselspiel zwischen den beiden spielenden Parteien hineinzudenken, das hätte ein wenig klarer formuliert oder mit zusätzlichen Bildern unterstützt werden können.

Für den Kenner des Originals gibt es ein paar Neuerungen, aber starten wir zunächst mit dem grundlegenden Prinzip. Wer dies schon kennt, kann getrost zum übernächsten Abschnitt springen.



Das Spiel – Grundlagen

Ein Spiel geht über vier Runden. In jeder Runde bekommen alle Karten auf die Hand, die über einen Auswahlprozess bei den Spielern landen. Um das Spiel zu gewinnen, muss man die Karten so auswählen, dass sie am Ende die meisten Punkte bringen. Die Auswahl alleine bringt jedoch noch keinen Sieg, denn man muss die Karten auch bauen können. Hierfür benötigt man Ressourcen, die man in jeder Runde produziert. Natürlich sind die lukrativen Karten besonders teuer, und so muss man sich im Verlauf des Spiels entscheiden, wie lange man sich auf den Ausbau der Produktion konzentriert und wann man beginnt, die Punktemaschine anzuwerfen.

Wenn die Karten einer Runde verteilt wurden, muss für jede Karte entschieden werden, ob sie in den Baubereich kommt oder verwertet wird. Verwertete Karten bringen je eine bestimmte Ressource, die sofort eingesetzt werden kann. Alle anderen Karten im Bau bringen erstmal nichts, können aber durch Ressourcen fertiggestellt werden. Dann bringen sie entweder neue Produktionskapazitäten oder die begehrten Siegpunkte am Ende des Spiels. Außerdem wird in jeder Produktionsphase gezählt, wer am meisten Ressourcen einer Farbe generiert. Für die Mehrheit bekommt man ein Soldatenplättchen, das seinerseits verwendet werden kann, aber dazu mehr im nächsten Abschnitt.

Auf diese Weise bauen die Spieler eine Maschine auf und am Ende werden Punkte gezählt. Die meiste Zeit spielt man parallel, sodass wenig Wartezeiten aufkommen. Dies in Kombination mit dem erfüllenden Aufbau einer Maschine, ohne sich allzu weh zu tun, macht für viele Fans wohl die Faszination dieses Spiels aus.



Das Spiel – Was ist neu?

Zunächst ist die Kartenauswahl leicht anders. Nach dem Prinzip „ich teile den Kuchen und du suchst dir ein Stück aus“ werden über mehrere Phasen einer Runde Karten in zwei Regionen auf dem Tisch platziert. Man wählt also zwei Karten von der Hand und verteilt sie nach Belieben in die Bereiche. Der Gegner oder die Gegnerin wählt dann einen Bereich und muss alle Karten darin nehmen, ohne sie sich anzusehen. Das ist durchaus eine wichtige Entscheidung, denn im Gegensatz zu „Eine wundervolle Welt“, gibt es auch Katastrophen, die schmerzhafte Minuspunkte bringen. Zwei Karten darf jeder pro Runde verdeckt ablegen und jeder verfügt über eine Katastrophe. Da man sich die genommenen Karten erstmal nicht anschauen darf, weiß man bis zum Ende der Runde nicht, wer wann geblufft hat.

Mit diesem Kniff wird aus einem einfachen Drafting ein Psychospiel, was die Köpfe ganz schön zum Rauchen bringen kann. Denn in jeder Runde zieht man Karten, die man unbedingt haben will oder aber nehmen muss, damit der Gegner sie nicht bekommt. Das macht diese Phase für zwei Spieler wirklich sehr spannend, das Spiel verliert aber an Planbarkeit, was manchmal auch frustrierend sein kann. Hat man dann eine schlechte Runde ohne die gewünschten Erfolge plus einer Katastrophe, kann die gute Laune auch mal verloren gehen.

Aber das Spiel hat noch mehr zu bieten, denn im Gegensatz zum Original wurde auf eine Ressourcenfarbe verzichtet. Dafür sind die Soldatenplättchen eine eigene, ganz besondere Währung, wohingegen die alten roten und blauen Plättchen nur Siegpunktlieferanten waren. Um die Bedeutung zu erklären, muss jedoch zunächst noch die letzte Neuerung erläutert werden: die Module.

Für jedes Spiel muss eines der drei mitgelieferten Module ausgewählt werden und die Spielvorbereitungen müssen entsprechend modifiziert werden.



1. Die Missionen: In dieser Variante wird eine von mehreren Missionskarten ausgelegt, die je vier Aufgaben für die Spieler aufweisen. Drei der Aufträge bringen nur kleinere Vorteile, aber der vierte Auftrag entscheidet über Sieg oder Niederlage. Wird dieser nicht erfüllt, kann man das Spiel nicht gewinnen, unabhängig von den gesammelten Siegpunkten. Für einige dieser Aufträge benötigt man Soldatenplättchen, die ausgegeben werden können, um einen Auftrag einmalig im Spiel zu erfüllen. Haben beide die Hauptaufgabe erfüllt, entscheidet wie immer die Menge der Siegpunkte.

2. Die Unterstützer: Hier werden Unterstützungskarten in den Kartenstapel gemischt, die im Spielverlauf wie jede andere Karte in den Besitz der Spieler kommen können. Wurden die Karten, die keine Baukosten haben, ausgelegt, haben sie besondere Fertigkeiten, die mit Soldatenplättchen aktiviert werden können. Das ermöglicht einige taktische Feinheiten und kam in den Testrunden am Besten an.

3. Die Bedrohungen: Das insgesamt schwächste Modul ersetzt die Katastrophen im Spiel durch individuelle Bedrohungen. Jeder Spieler bekommt eines der vier Bedrohungsdecks und bringt diese Karten genauso ins Spiel wie normalerweise Katastrophen eingesetzt werden. Jede Gefahr hat dabei eine andere Wirkung und muss vom Gegner am Ende einer Runde bekämpft werden. Auch dafür werden wieder Soldatenplättchen benötigt. Die schon sehr spielbestimmenden Katastrophen werden durch diese Änderung zwar variiert, bringen aber wenig zusätzliche Entscheidungen ein und bieten lediglich etwas Abwechslung an einer Stelle, wo sie nicht wirklich benötigt wird.  

Zu guter Letzt gibt es noch einen Solomodus, wodurch das Spiel auch an einsamen Abenden spielbar wird. Spielbar ist es nun, aber der Wettlauf gegen den eigenen Highscore bleibt doch sehr hinter den Möglichkeiten des Spiels gegen einen realen Gegner zurück. Die Solo-Szenarien bieten zwar nochmal einen zusätzlichen Anreiz, sich alleine gegen das Spiel zu versuchen, aber eine klare Empfehlung kann ich für diese Variante nicht aussprechen.



Wie fühlt es sich an?

Eine große Geschichte erzählt dieses Spiel freilich nicht. Zwar gewinnt die Geschichte durch die Module und den offenen Konflikt der beiden Parteien ein klein wenig hinzu, ist im Endeffekt aber dennoch zu vernachlässigen. An dem Artwork ist wenig bis gar nichts auszusetzen, denn die Karten sind schön anzusehen, ohne von herausragender Schönheit zu sein. Alle Karten haben einen je nach Ressourcentyp passenden Namen bekommen, der ein Gebäude, Ort oder Gegenstand beschreibt, und natürlich geben die Bilder den Karten ein wenig Leben. Dennoch bleibt das Gefühl aus, ein Imperium zu erschaffen oder einen epischen Wettkampf auszutragen.

Aber insgesamt hat das Prinzip rein gar nichts an seinem Reiz verloren. Der Aufbau der eigenen Ressourcenmaschine bringt eine Menge Spaß, und es gibt kaum ein schöneres Gefühl, wenn man die letzte verbleibende Ressource des Spiels nutzt, um eine wertvolle Karte noch gerade so ins Spiel zu bringen. Da ist es fast unwichtig, ob man am Ende gewinnt oder verliert.

Auf diese Variante können sich insbesondere Fans freuen, die sich mehr Interaktion im Grundspiel gewünscht hätten oder das Drafting für zwei Spieler zu langweilig fanden. Der bestrafende Faktor der Katastrophen und der dahinter liegende Zwang, sich in den Kopf des Gegners hineinzugraben, wird nicht allen gefallen, weshalb ein Probespiel eine gute Idee sein könnte, bevor man sich für die eine oder die andere Variante entscheidet. Aber Vorsicht: Wenn man erstmal angefangen hat, kann man vielleicht nicht mehr aufhören.

Fazit: Eine kurze Zusammenfassung fällt mir hier schwer, deshalb verweise ich an dieser Stelle lieber auf den vorherigen Absatz. Sicher ist aber: Das Spielprinzip von „Eine wundervolle Welt“ und „Ein wundervolles Königreich“ macht sehr viel Spaß und lädt ein, es immer wieder zu spielen. Daher: Klare Empfehlung für mindestens einen der beiden Titel.

Ein wundervolles Königreich
Brettspiel für 1 bis 2 Spieler ab 14 Jahren
Frédéric Guérard
Kobold Verlag 2022
EAN: 7141236664413
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 35,00

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