Schwungfedern

Nachdem das einsteigerfreundliche Brett-/Rollenspiel „Maus und Mystik“ mit zwei Erweiterungen geadelt wurde, haben Plaid Hat Games und in deutscher Übersetzung der Heidelberger Spieleverlag ein Scharmützel-Miniaturen-Spiel in der Welt von „Maus und Mystik“ nachgelegt. Erstmal für zwei Spieler ausgelegt, treten hier die Dunkelwald-Miliz (die „Guten“) und das Räuberpack (die „Bösen“) mit Trupps aus berittenen Vögeln und Bodeneinheiten gegeneinander an.

von Michael Wilhelm

Ähnlich stimmungsvoll wie in „Maus und Mystik“ wird man mit einem Prolog ins Spiel eingeführt. Ganz klar, wer hier die Bösen und die Guten sind: Wie in „Maus und Mystik“ sind die Bösen eben Ratten und die Guten natürlich Mäuse. Nur dass jetzt auch und insbesondere in der Luft gekämpft wird. Dazu reiten die Mäuse auf Staren und einem Blauhäher, die Ratten natürlich auf Krähen. Waren schon bei „Maus und Mystik“ die Figuren mit ihrem Detailreichtum und der hohen Verarbeitungsqualität eine wahre Freude, so hat man sich mit „Schwungfedern“ noch übertroffen. Die Vogel-Miniaturen mit ihren Reitern sind eine wahre Pracht.

Überhaupt ist die Schachtel ähnlich prall und farbenfroh befüllt wie beim Vorgänger. Nach einiger Stanzarbeit liegen neben den (unbemalten) Miniaturen, vier Baumteilen und stapelweise Karten auch Dutzende von Pappmarkern sowie die aus dem Abenteuerspiel bekannten Spezial-Würfel auf dem Tisch. Und der Tisch sollte nicht zu klein sein, um alles ordentlich bereit gelegt zu bekommen. Natürlich braucht man nicht so eine gigantische Spielfläche wie in einer größeren „Warhammer“-Runde. Aber die Vögel brauchen einfach Platz zum Manövrieren.

Elegant wurde die Integration von Fliegern und Bodentruppen gelöst. Das Scharmützel spielt sich im Wesentlichen auf den Bäumen und in der Luft dazwischen ab. Zum Spielaufbau werden vier Baumviertel in die Ecken des Spielfeldes gelegt. Auf dem Basis-Baum jedes Trupps werden neben dem eigenen Nest noch die zwei oder drei Vögel sowie Bodeneinheiten platziert. Dabei verfügt die (heldenhafte) Dunkelwald-Miliz über drei Vögel mit Reitern und einen 6er-Trupp der Mäusewache. Die Schurken des Räuberpacks haben zwei berittene Vögel, einen 6er-Trupp Armbrust-bewehrter Ratten und einen Ratten-Assassinen. Zu jeder einzigartigen und generischen Einheit gibt es eine Karte mit Spielwerten. Netterweise liegen in der Box auch Karten für Schurken und Helden aus „Maus und Mystik“, sodass die Miniaturen aus dem Rollenspiel problemlos im Scharmützel zur Zusammenstellung individueller Trupps genutzt werden können. Die Flieger sind trotzdem die wichtigsten Einheiten. Und das merkt man auch an den eleganten Regeln für den Kampf in und aus der Luft.


   Das Spielfeld braucht Platz! (Achtung: Figuren sind regulär unbemalt & Spielmatte ist nicht enthalten.)

Hat jeder Spieler die Einheiten auf dem Heimatbaum platziert und wurde ein Szenario gewählt, wird zunächst zeitgleich eine Mission für die eigenen im Nest verbliebenen Bodeneinheiten gewählt, die dann später am Ende der Runde abgehandelt wird. Mit Belagern versetzt man die Einheiten auf einen anderen, idealerweise den gegnerischen Baum, um dort das Nest anzugreifen. Patrouillieren lässt die Bodentruppen einen generischen Flieger mit Fernkampf angreifen. Mit Retten wird ein besiegter, sozusagen abgestürzter, Flieger ins Nest zurückgeholt. Und mit Abfangen wird die generische Mission angegriffen und gestört.

Bevor die Missionen abgehandelt werden, müssen aber noch alle Flieger und nicht den Missionen zugeordnete Bodentruppen von den Spielern abwechselnd aktiviert werden. Flieger müssen immer erst eine Bewegungsaktion durchführen, also fliegen. Logischerweise kann man nicht in der Luft stehen bleiben. Dabei ist die zu Beginn der Runde festgelegte Neigung des Vogels maßgeblich für die Flugrichtung. Die kann nicht mitten in der Aktivierung geändert, sondern nur die Flugweite durch Gebrauch unterschiedlich langer Schablonen beeinflusst werden. Je nachdem, wer einem da in die Bahn fliegt, oder wie man sich vorher verschätzt hat, kann das zu witzigen, und auch schmerzhaften, Ergebnissen führen. Schlimmstenfalls prallt man gegen einen Baum, was zu Wunden und Desorientierung führt. Oder mit einem gegnerischen Vogel zusammen. Dann kommt es zu einer Todesspirale: Die beiden Vögel samt Reiter beharken sich, in ein Knäuel aus Vogel, Federn, Ratte und Maus verklammert, bis entweder beide abstürzen oder ein Überlebender verwundet davonfliegt. Auch Sturzangriffe auf Bodeneinheiten oder Fernkampf gegen andere Flieger oder Bodentrupps sind möglich. Die Regeln dafür finden auf wenigen Seiten im optisch ansprechenden und gleichzeitig recht übersichtlichen Regelheft Platz. Für Bodeneinheiten ist die Handlungsfreiheit geringer: Wer nicht auf Mission geschickt wird, kann mit Nahkampf andere Bodeneinheiten angreifen oder sich im Fernkampf betätigen. Je nach Szenario sind entweder das gegnerische Nest oder ein besonderes Missionsziel das bevorzugte Ziel.


   Schnell entbrennt ein heftiger Kampf.

Zwar sind im Szenarioheft nur vier Szenarien vorgegeben, doch sollte es kein Problem darstellen, eigene Szenarien zu erstellen. Außerdem kann mithilfe der beiliegenden Karten eine große Zahl an individuellen Trupps zusammengestellt werden. Neben den Helden aus dem Grundspiel können auch Rattenkrieger, Schaben, Spinnen und Hundertfüßer (mit Miniaturen aus „Maus und Mystik“) die Trupps verstärken. Auch Regeln für eine Kampagne sind vorhanden, in der sich die individuellen Figuren in drei Stufen entwickeln können. Als witziges Detail kann ein zuvor besiegter Vogel mit einem Groll-Marker ausgestattet werden, um in einer später erfolgenden Todesspirale heftiger zuschlagen zu können.

Neben dem üppigen und hochwertigen Spielmaterial zeichnet sich „Schwungfedern“ durch eine klar strukturierte und auf den Zweck zugeschnittene Regel aus. Die eher kurzen Scharmützel bieten eine überraschende Dynamik. Es lohnt sich nicht, längerfristige Strategien zu planen. Vielmehr gilt es, taktisch auf das sich ständig verändernde Geschehen zu reagieren. Ein einzelner Würfelwurf dabei kann manchmal entscheidend sein. Das ist bei einer Spieldauer bis zwei Stunden aber gut zu verschmerzen.

Fazit: „Schwungfedern“ ist ein kurzweiliges taktisches Scharmützel-Miniaturen-Spiel. Als thematischer Nachfolger von „Maus und Mystik“ eignet es sich bestens als Einstieg ins Tabletop-Gaming, so wie „Maus und Mystik“ einen kinderleichten Einstig ins Rollenspiel-Genre bot. Das detailreiche und liebevoll gestaltete Spielmaterial ist eine wahre Pracht. Für anhaltenden Spielspaß weit über die mitgelieferten Szenarien ist definitiv gesorgt.

Schwungfedern
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Jerry Hawthorne
Heidelberger Spieleverlag 2016
EAN: 681706128009
Sprache: Deutsch
Preis: EUR ca. 60,00

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