Schattenhelden

Die Welt von „Shadowrun“ ist eine düstere, und die Spielercharaktere sehen oftmals nur ihre dunklen Seiten. Habgier und Gewalt, die Macht der Reichen, das Elend in den Schatten. Es geht um Töten oder Getötetwerden, und man nimmt sich, was man bekommen kann, denn alles hat seinen Preis. Doch für manche ist dieser Preis zu hoch. Sie nehmen für sich nur, was sie brauchen, und geben den Rest anderen: denjenigen, die nichts haben. Doch die Mächte der Welt wollen nicht, das ihr Reichtum umverteilt wird.

von Adaon

Für die meisten Runner geht es auf der Straße zunächst um das Überleben. Ein sicheres Versteck, genug zu essen, dann Ausrüstung, Ausbildung und die Chance auf weitere Aufträge. Welche Risiken ist der Charakter bereit einzugehen? Und wie weit geht er für seinen Auftrag? Und wenn der Run vorbei ist: Welchen Teil seiner Seele musste der Runner verkaufen, um den Erfolg zu sichern?

Dieser Frage stellt sich das neue Quellenbuch „Schattenhelden“. Gewohnt edel für ein „Shadowrun“-Buch, im Hardcoverband mit geprägter Schrift, tritt es auf. Und es bietet eine Alternative. Das Konzept des Shadowrunners, der für eine gerechte Sache eintreten möchte, wird vorgestellt: des sogenannen „Hooders“.

Im ersten Abschnitt des Buches beleuchtet das „Licht im Dunkel“ die grundlegenden Fragen. Was sind Hooder, woher kommen sie, was wollen sie? Zusammenfassung: Sie sind nach Robin Hood benannt, kommen von überallher und wollen Gerechtigkeit. Bekannte Gruppierungen von Weltverbesserern mit ihren Zielen und Vorgehensweisen werden vorgestellt (und diskutiert) sowie mit ihnen assozierte Gruppen, die zum Teil weltweit, zum Teil lokal agieren. Viele von ihnen haben dabei einen bestimmten Bereich, in dem sie arbeiten, wie dem Schutz bestimmter Metatypen oder der medizinischen Versorgung in Krisengebieten.

Im zweiten Abschnitt, mit „Packen wir’s an“ bezeichnet, werden aktuelle Aufträge für die gute Sache vorgestellt. Die weltweit agierende Gruppe „Anarchistischer schwarzer Stern“ sucht Runner für Gegenden überall auf der Welt auf fast allen Kontinenten. Dabei geht es gegen durchaus harte und schwierige Ziele. Weitere Gruppen mit Angeboten für ein gutes Gewissen sind die Draco Foundation, die katholische Kirche oder die New Underground Railroad. Langfristige Aufgaben warten auf Runner, die die Situation für ganze Bevölkerungsgruppen, wie die Infizierten, die tatsächlich innerhalb der Gesellschaft leben möchten, verbessern wollen. Doch auch Möglichkeiten vor Ort werden vorgestellt: Was hilft meinem Viertel? Wie gestalten sich Aufträge, bei denen Mr. Johnson nicht nur der Vermittler, sondern auch gleichzeitig der Auftraggeber ist?

Afrikanischer wird es danach im Megasprawl von Azanien, dem Pretoria-Witwatersrand-Vaal-Metroplex. Das Kapitel „Pretoria, Hurra!“ beschreibt die Geschichte, das Leben und die Viertel der Megametropole im Herzen des südlichen Afrikas, im Staatenbund Azanien. Jahrhunderte des Bergbaus nach Gold und Diamanten schufen ein komplexes System aus Minen und Schächten, die immer tiefer reichen. Da der Baugrund oben durch die dichtere Besiedlung teurer wird, schaffen die Konzerne nun unterirdische Komplexe – und verhindern gleichzeitig damit, das ihre „Angestellten“ in den Minen Kontakte zu ihren Familien oder anderen Nicht-Angestellten an der Oberfläche halten. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter, und die Anwohner der verschiedenen Viertel werden gegeneinander ausgespielt. Hier gäbe es viele Möglichkeiten, um zu helfen.

Um diese Möglichkeiten auch bezahlt zu bekommen, liefert das nächste Kapitel, „Bürger von Jacaranda“, die Namen, Beschreibungen und Motivationen für einige Mr. Johnson in der Pretoria-Metropole. Da aber nichts nur einfach sein kann, gibt es den einen oder anderen Haken, ein paar Schwierigkeiten, Gegenspieler und die Teilnehmer einer mysteriösen Verschwörung.

Um die zukünftigen guten Taten eurer Runner auch im richtigen Licht zu präsentieren, bietet „Tipps für Schattenhelden“ zahlreiche Informationen für die Ähnlichkeiten, Unterschiede und möglichen Folgen von Runs für die gute Sache im Vergleich zur üblichen Schattenarbeit. Wenn man in einem Viertel aushilft, bekannt dafür ist, den Frieden zu wahren, die örtliche Schattenklinik mit Vorräten zu versorgen oder vermisste Personen zurückbringt, gibt es zwar kaum Geld, aber dafür Verbindungen und Versteckmöglichkeiten. Und welche Art von Persönlichkeit sich bei solchen Runs entwickelt – ob Idealisten, Büßer oder Überlebende – wird ebenfalls Auswirkungen auf die Zukunft der Runner haben.

Das kurze Kapitel „Die Erschaffung eines Hooders“ bietet ein wenig (schwer zu beschaffende) Ausrüstung, die nur gegen Magiewirker funktioniert, sowie etwas Cyberware die besonders starke Auswirkungen auf magische Fähigkeiten hat. Zum Ausgleich gibt es neue Zauber und Adeptenkräfte, und bei den neuen Vorteilen werden besonders Technomancer bedacht. Zwei Nachteile und eine Handvoll Lebensmodule für das Charaktererschaffungssystem nach „Schattenläufer“ werden noch geliefert, und zum Abschluss gibt es interessante Regeln, um Karma und Straßenruf aktiver für die eigenen Connections einzusetzen.

Für die deutsche Übersetzung von „Schattenhelden“ gibt es natürlich auch wieder ein zusätzliches Kapitel, diesmal über „Hooding in der ADL“. Nach dem Zusammenbruch der Sozialsysteme zu Beginn des Jahrtausends, an deren Erhalt die Konzerne kein Interesse hatten – schließlich gibt es hier keinen Gewinn zu erwarten – ,wurden die Lebensbedingungen an den Rändern der Gesellschaft kontinuierlich schlechter. Heute, im Jahr 2080, gibt es große Slums in deutschen Städten, in denen nichts gesichert ist – weder Trinkwasser noch Bildung. Das Überleben ist hart, und die Nachbarschaft muss sich gegenseitig unterstützen – aber vieles, das benötigt wird, kann nur von außen kommen.

Fazit: In Rollenspielen geht es oftmals darum, „Helden“ darzustellen. Gut und böse sind klar definiert, und die Spieler sollen – und wollen – sich zurecht als tapfere Streiter der guten Seite sehen. In „Shadowrun“ liegen die Dinge anders. Diebstahl, Sabotage, Entführung oder Mord gegen Geld beschäftigen die Runner in den Schatten. Doch in „Schattenhelden“ wird genau dieses Konzept infrage gestellt. Es mag kaum Geld geben, es mag immer noch illegal sein für den Staat – und mit Sicherheit für den Megakonzern, dessen Güter geraubt und im örtlichen Armenviertel verteilt werden –, doch es bringt Gerechtigkeit in eine düstere Welt, die von den Reichen und Mächtigen beherrscht wird. Wie eine Runnerin es im Buch formuliert: Probiert es einfach einmal aus. Vielleicht gefällt es euch ja, Gutes zu tun.

Schattenhelden
Quellenbuch
Scott Bieniek, Brooke Chang, Philipp Frey, David Grade, Christian Paschke, Thomas Willoughby u.a.
Pegasus Spiele 2018
ISBN: 978-3-95789-228-7
186 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 19,95

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