von Peter Berneiser
„Runewars: Kampf um Terrinoth“ ist ein Fantasy-Strategiespiel von „Fantasy Flight Games“ (FFG). Der Autor Corey Konieczka ist zuvor mit namhaften Brettspielen wie „StarCraft“, „Battlestar Galactica“ oder „Abenteuer in Mittelerde“ in Erscheinung getreten. Zwei bis vier Spieler rekrutieren Einheiten, erobern Gebiete und Städte und entsenden Helden auf der Suche nach den mächtigen Drachenrunen. In dem großen Spielekarton sind knapp 250 detailreiche Spielfiguren und 500 Marker und Karten in bekannter FFG-Qualität enthalten. Die Illustrationen auf den Karten, Gebieten und Fraktionstafeln sind hochwertig. Der optische Gesamteindruck ist erstklassig.
Schauplatz der Runenkriege ist Terrinoth. Der ein oder andere Spieler kennt das Land aus „Descent: Die Reise ins Dunkel“, „Runebound“ oder „DungeonQuest“. FFG baut diese Welt mit weiteren Spielen aus (das Deckbau-Kartenspiel „Rune Age“ ist für dieses Jahr angekündigt), veranstaltet ein eigenes Spielevent („Realms of Terrinoth“) und bringt Völker und Personen aus dem Sammelkartenspiel „Diskwars“ (FFG 1999-2001) nach Terrinoth.
Spielvorbereitung
Der Spielplan besteht aus einzelnen Spielplanteilen mit zwei bis vier Gebieten, die aneinandergelegt werden. Auf jedem Gebiet sind Rohstoffe und neutrale Einheiten abgebildet. Wasser und die über das Spielfeld ragenden (Kunststoff-)Gebirge sind Hindernisse, die nur von fliegenden Einheiten überquert werden können. Jeder Spieler legt sein Heimatreich an den Spielplan an, auf dem anschließend Städte und neutrale Einheiten platziert werden. „Descent“- und „Runebound“-Spieler feiern ein Wiedersehen mit Rasierklingenflüglern, Tiermenschen, Hexenmeistern, Höllenhunden, Drachen und Riesen, die Feinde oder Verbündete sein können.
In den Heimatreichen platzieren die Spieler je eine Festung, einen Helden, zwei Drachenrunen und Truppen. Dann erhält jeder Spieler eine Zielkarte (eine besondere Aufgabe mit einer Drachenrune als Belohnung), zwei Questkarten (Aufgaben für die Helden) sowie je nach Volk eine unterschiedliche Anzahl an Einflussmarkern und Taktikkarten. Auf den Fraktionstafeln befinden sich in der Mitte Anzeiger für die Rohstoffe Nahrung, Holz und Erz. Auf der rechten Seite sind die Einheiten mit Werten und Fähigkeiten abgebildet.
Vier Völker kämpfen um die Drachenrunen und die Herrschaft über Terrinoth. Die Menschen werden von den Daqan Lords regiert. Sie sind ein vielseitiges Volk und ziehen mit Schwertkämpfern, Bogenschützen, Rittern und Belagerungstürmen in die Schlacht. Die Latari-Elfen verfügen über viel Einfluss und können mit ihren Bogenschützen, Pegasusreitern, Zauberweberinnen und Kriegern gezielt gegnerische Einheiten ausschalten oder zur Flucht zwingen. Die Armee der Uthuk Y’llan, mit Dämonen verbündete Barbaren, besteht aus Fleischfetzern, Berserkern, Zauberern und Chaoslords. Sie schlagen hart zu und können auf viele Taktikkarten zurückgreifen. Bei „Diskwars“ hat der mächtige Zauberer Waiquar auf der Seite der guten Völker gekämpft. Nun zeigt er sein wahres Gesicht. Waiquar der Untote belebt die Gefallenen wieder und schickt sie erneut in den Kampf. Ihm dienen Skelett-Bogenschützen, Totenbeschwörer, Zombies und dunkle Ritter.
Spielverlauf
Eine Spielrunde besteht aus vier Jahreszeiten, die wiederum in drei Spielschritte unterteilt sind. Zu Beginn einer Jahreszeit wird eine Jahreszeitkarte aufgedeckt, auf der zwei Ereignisse stehen. Bei dem ersten Ereignis müssen die Spieler oft Einflussmarker bieten. Der Sieger erhält beispielsweise neue Helden oder Drachenrunen. Die zweite Funktion ist in jeder Jahreszeit gleich.
Der Frühling bereitet die neue Spielrunde vor. Aktivierungsmarker werden vom Spielplan genommen, flüchtende Einheiten gesammelt und ausgespielte Befehlskarten wieder auf die Hand genommen. Im Sommer können sich die Helden bewegen, andere Helden bekämpfen, Aufgaben erledigen, heilen oder trainieren. Im Herbst wird der Ablagestapel der Schicksalskarten wieder in den Kartenstapel gemischt (die Karten werden bei Kämpfen, diplomatischen Verhandlungen und Prüfungen der Helden verwendet). Außerdem erhält jeder Spieler eine Taktikkarte oder zwei Einflussmarker. Taktikkarten haben oft mächtige Spieleffekte und können zu verschiedenen Zeitpunkten, etwa während eines Kampfes, gespielt werden. In einem Gebiet können bis zu acht Einheiten stehen. Im Winter ist dieses Maximum aber auf den aktuellen Nahrungswert reduziert und überzählige Einheiten verhungern.
Die Unterteilung der Spielrunden in Jahreszeiten ist sehr gut umgesetzt. So vernichten „Frühlingsstürme“ die Ernten im Frühling, während die „Dürre“ im Sommer flüchtende Helden und Einheiten zerstört oder eine „Reiche Ernte“ im Herbst den Ertrag erhöht. Vor allem die zugefrorenen Gewässer im Winter, über die sich Helden und nicht-fliegende Einheiten bewegen können, sind sehr stimmungsvoll.
Die Befehlskarten
Nach dem Ausspielen der Jahreszeitkarte wählen die Spieler eine ihrer acht Befehlskarten aus und decken sie gleichzeitig auf. Jede Karte hat einen Wert von eins bis acht. Der Spieler, der die Karte mit dem niedrigsten Wert ausgespielt hat, führt seine Aktion zuerst aus. Ein interessantes Spielelement sind die Haupt- und Bonusfunktionen der Karten. Die Bonusfunktion tritt nur dann in Kraft, wenn die gerade gespielte Karte eines Spielers den höchsten Wert aller von ihm in diesem Jahr gespielten Karten hat. Wer eine hohe Karte früh im Jahr ausspielt, muss möglicherweise auf wertvolle Bonusfunktionen der folgenden Karten verzichten.
„Strategie“, „Mobilisierung“ und „Eroberung“ ermöglichen die Bewegung von Einheiten. Jede Einheit kann zwei Felder weit ziehen (schnelle Einheiten drei Felder). Wenn Einheiten ein Gebiet mit gegnerischen oder neutralen Einheiten betreten, endet die Bewegung. Ein Aktivierungsmarker zeigt an, dass sich die Einheiten bereits bewegt haben (diese Marker werden im Frühling wieder entfernt). Mit der „Ernte“ werden die Rohstoffanzeiger an die Rohstoffe der kontrollierten Gebiete angepasst. Bei einer „Rekrutierung“ werden neue Einheiten in eigenen Festungen platziert. Wer die Karte „Unterstützung“ spielt, erhält von den eignen Städten neutrale Einheiten, Einflussmarker, Taktik- oder Questkarten. „Machtgewinn“ erhöht den Einfluss und mit der Karte „Festung“ können Festungen gebaut und repariert sowie Runenmarker verschoben werden (um sie vor vorrückenden feindlichen Einheiten in Sicherheit zu bringen).
Mir gefällt das Spielelement der Befehlskarten. Jeder Spieler hat die gleichen Karten und muss abwägen, welche Aktionen er in einer Runde in welcher Reihenfolge ausführen möchte. Rekrutiert ein Spieler zuerst neue Einheiten, um gestärkt in die Schlacht zu ziehen, kommt ihm der Gegner mit einer Bewegungs-Karte vielleicht zuvor.
Kampf
Beide am Kampf beteiligten Spieler nehmen die Einheiten aus dem umkämpften Gebiet und stellen sie neben die Kampfreihen ihrer Fraktionstafel. Die Reihenfolge ist festgelegt. So kämpfen beispielsweise die Bogenschützen bei den Untoten in der ersten Reihe, gefolgt von den Nekromanten. In der dritten Reihe kämpft niemand (jede Fraktion hat eine leere Reihe). Dann folgen die Zombies und zuletzt schlagen die dunklen Ritter zu. In jeder der fünf Kampfrunden kämpfen die Einheiten einer Reihe gegeneinander.
Die Spieler ziehen für jede Einheit eine Schicksalskarte. Alle Einheiten stehen auf dreieckigen, viereckigen, runden oder sechseckigen Sockeln. Auf den Schicksalskarten sind in vier Bereichen diese Sockel abgebildet. Befindet sich ein Symbol in dem Bereich, das dem Sockel der kämpfenden Einheit entspricht, wird es gewertet. Mit den Symbolen können die Spieler besondere Fähigkeiten aktivieren sowie Einheiten Schaden zufügen oder sie zur Flucht zwingen. Flüchtende Einheiten können zwar nicht mehr am Kampf teilnehmen, sich aber später wieder sammeln. Nachdem die Einheiten aller Kampfreihen gegeneinander angetreten sind, gewinnt der Spieler mit den meisten überlebenden Einheiten. Festungen, die Belagerungstürme der Menschen und Taktikkarten können diesen Wert erhöhen. Der Verlierer muss seine Einheiten in ein benachbartes Gebiet zurückziehen.
Die besonderen Fähigkeiten machen die Einheiten einzigartig und unterscheiden sie von den Einheiten anderer Völker. Während Waiquars Nekromanten mit schwarzer Magie Zombies erschaffen, schlägt der furchterregende Chaoslord der Uthuk mehrere Gegner in die Flucht. Allerdings ist es Glück, ob das entsprechende Symbol auf einer Schicksalskarte abgebildet ist und eine dieser Fähigkeiten aktiviert wird. Die Kämpfe laufen fast automatisch ab. Karten ziehen, Symbole vergleichen und Effekte ausführen. Bei „StarCraft“ können die Spieler die Kampfkarten (das Gegenstück zu den Schicksalkarten) selbst den Einheiten zuweisen. Bei „Runewars“ können die Spieler vergleichsweise wenig Einfluss (etwa mit Taktikkarten) auf den Kampfverlauf nehmen. Die Planung vor dem Kampf ist umso wichtiger.
Helden
Um ihre Aufgaben zu erfüllen, müssen die Helden in ein bestimmtes Gebiet reisen und dort eine Prüfung bestehen. Selten werden sie zum Kampf gegen neutrale Einheiten oder feindliche Helden aufgefordert. Haben sie Erfolg, erhalten sie einen magischen Gegenstand als Belohnung. Helden können keine Armeen angreifen. Das Sammeln von Gegenständen, von denen einige gegen Drachenrunen eingetauscht werden können, und das Bekämpfen der anderen Helden ist somit ihre Hauptaufgabe. Beim Spielen hatte ich den Eindruck, dass die Helden mit dem restlichen Spiel nicht ausreichend verzahnt sind. Die Heldenphase ist wie ein „Spiel im Spiel“. Helden können Drachenrunen erbeuten, die letztlich zum Sieg führen, aber ansonsten kaum Einfluss auf das Spiel nehmen.
Hamburg. Willkommen an der Elbe, und seit der schwarzen Flut 2011 auch direkt an der Nordsee! Beziehungsweise in der Nordsee. Die Innenstadt steht im stinkenden Wasser, ein Großteil der Infrastruktur wurde an die neuen Gegebenheiten angepasst. Die vorhandene Wirtschaft zum Beispiel freut sich über die Möglichkeit, Abfall einfach treiben zu lassen. Doch toxische Geister in der Nordsee hin oder her, das Leben rund um den Frachthafen läuft weiter, und nahezu jede kriminelle Vereinigung des Kontinents gibt sich hier ein Stelldichein, um Waren zu liefern oder abzugreifen.
Spielziel
Sobald ein Spieler sechs Gebiete mit Drachenrunen kontrolliert, gewinnt er das Spiel. Mir persönlich hat die epische Spielvariante am besten gefallen, bei der Drachenrunen offen ausliegen. Das Spiel wird dadurch strategischer. In der Standard-Version werden zusätzlich zu den Drachenrunen falsche Drachenrunen ausgelegt. Die Marker liegen verdeckt in den Gebieten. Die Spieler wissen also nicht genau, welche Drachenrunen des Gegners echt und welche falsch sind.
Fazit: „Runewars“ ist ein komplexes Strategiespiel, ohne sich in Details zu verlieren. Nach einem Spiel sind die Regeln schnell verinnerlicht und die Funktionen der zahlreichen Marker und Karten bekannt. An einigen Stellen – vor allem beim Helden- und Kampfsystem – erachte ich „Runewars“ als zu oberflächlich. Hier hätte ein wenig mehr Spieltiefe nicht geschadet. Die Interaktion zwischen Spielern durch Kämpfe, Taktikkarten und Einflussgebote ist ebenso hoch wie der Wiederspielwert – dank modularem Aufbau des Spielplans. Krieg ist nicht der einzige Weg zum Sieg. Wer die zahlreichen Gebote mit seinen Einflussmarkern für sich entscheidet, kann einen großen Vorteil erringen. Bei „Runewars“ können verschiedene Strategien zum Sieg führen. Die Völker unterscheiden sich in ihrer Spielweise voneinander, sind aber recht ausgeglichen. Trotz einiger Kritikpunkte ist „Runewars“ ein interessantes, abwechslungsreiches und spannendes Spiel für erfahrene Strategiespieler.
Runewars: Kampf um Terrinoth
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler
Corey Konieczka
Heidelberger Spieleverlag 2010
EAN: 401556601124
192 Spielfiguren, 4 Übersichtstafeln, 4 Fraktionstafeln, 4 Aufbauhilfen, 13 Spielplanteile, 243 Marker und Plättchen, 256 Karten, 10 Gebirge, Spielregel, deutsch
Preis: EUR 79,95
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