Roll for the Galaxy

„Space: the final frontier. These are the voyages of the starship Enterprise. Its five-year mission: to explore strange new worlds, to seek out new life and new civilizations, to boldly go where no man has gone before.“ So einige unter uns sind mit diesen Worten oder der deutschen Übersetzung in die Welt der Science Fiction gelangt und bis heute an sie gebunden. Neue Welten und mächtige Technologien, die uralte Völker schon vor Jahrtausenden entwickelten gilt es zu entdecken. Sei es in Romanen, Filmen, Serien oder auch Brettspielen. „Roll for the Galaxy“ ist ein Vertreter dieses Genres, den man mit Sicherheit als Meilenstein in diesem Bereich bezeichnen kann.

von Kai Melhorn

Zwei Jahre sollte es dauern, bis sich endlich ein deutscher Verlag erbarmt hat und das Spiel von Wei-Hwa Huang und Tom Lehmann auf den deutschen Markt brachte. Immerhin schaffte es dieses Spiel auf einer der wohl größten Webseiten für Brettspiele weit in die Top 50 in der Gesamtwertung und es wird sich dort wohl auch noch lange halten. Überall konnte man schon letztes Jahr lesen, wie dieses alle Altersklassen und Spielertypen begeisterte. Daher wirkte es ein wenig befremdlich, dass sich der Verlag dafür entschied, dieses Spiel als Expertenspiel einzustufen. Vielleicht ein Marketing-Schachzug? Bei mir hat er gewirkt, denn umso größer war nun meine Neugier auf dieses angeblich so formidable Stück Brettspiel.
 
In Richtung Pegasus, den Verlag, der dieses Spiel nun endlich nach Deutschland gebracht hat, gibt es indes nur ein Wort zu richten: Danke.

Erster Eindruck

Ein stattliches Paket konnte ich in Empfang nehmen, als der Postbote endlich den Weg zu meiner Haustür gefunden hatte. Immerhin 2,3 kg bringt es auf die Waage und kommt in einem quadratischen Standardformat daher. Zwei bis fünf Spieler ab zwölf Jahre messen sich in diesem Spiel nach Packungsangabe 45 bis 90 Minuten lang in der Kunst, ein galaktisches Imperium aufzubauen. Das Design hatte ich zuvor schon ausführlich studiert, also konnte ich nicht lange an mich halten und wollte endlich herausfinden, wie sich das Ganze in der Realität anfühlen würde.

Spielmaterial

Natürlich stand bei meiner ersten Inspektion das zentrale Element dieses Spiel im Fokus: die Würfel. 111 dieser faszinierenden kleinen Dinger in verschiedenen Farben sind in der Box enthalten. Klein ist dabei das richtige Stichwort, denn wenn man zuletzt „King of Tokyo“ oder „Dungeon Roll“ gespielt hat, wirken diese Exemplare ziemlich sparsam. An dieser Stelle hat sich bei mir ein bisschen Enttäuschung breit gemacht. Denn so viel sich 111 auch anhört, sieht es schon ganz anders aus, wenn es sich um kleine Würfel handelt. Warum man deswegen enttäuscht ist? Ich weiß es selbst nicht, aber zunächst war der sonst so positive Eindruck ein wenig geschmälert. Auf der anderen Seite muss ich mir jedoch inzwischen eingestehen, dass es gute Gründe dafür gibt, das Hauptwerkzeug dieses Spiels nicht größer zu gestalten. In der Praxis sind die Würfel gut handhabbar und es stellt sich heraus, dass die Größe gut gewählt ist, denn man kann bis zu zehn dieser Würfel gleichzeitig in seinem Becher haben.
 
Die Würfelbecher sind ebenfalls aus Kunststoff und in fünf verschiedenen Farben ausgeführt. Die gewählte Kombination aus Becher und Würfel produziert während des Spiels ein ordentliches Geklapper. Sollte man während eines gemütlichen Spieleabends also Rücksicht auf einen schlafenden Mitbewohner oder ein Baby im Nebenraum nehmen müssen, greift man wohl doch lieber zu einem anderen Spiel. Hat man keine solche Beschränkung kann man den Sound allerdings einfach nur genießen. Schon alleine wenn die Würfel in den Becher geworfen werden, ist das Geräusch äußerst vielversprechend, um nicht zu sagen: „Hört her, ich werde in der nächsten Runde unendlich viel Arbeiter haben, um Euch das Fürchten zu lehren“.

Die anderen Elemente in der Box stehen in der Qualität keineswegs hinten an. Die Sichtschirme stehen stabil und bieten auf der Innenseite einen Überblick über alle wichtigen Abläufe im Spiel. Die quadratischen Spielmarker sind aus dicker Pappe und gelungen illustriert, sodass es hier auch nicht auszusetzen gibt. Die Funktionen der Marker sind in Symbolen auf die Marker gedruckt, sodass man jederzeit auch einen guten Überblick über das Imperium seiner Gegner bekommen kann. Allerdings braucht es ein wenig Übung, um alle Symbole richtig zu deuten. Umso besser, dass man sich entschieden hat, die Wirkung zusätzlich in Textform auf die Marker zu bringen. Eine weitere gelungene Designentscheidung. Im Laufe des Spiels werden diese Marker blind aus einem schwarzen Stoffsack herausgezogen. Dieser ist äußerst großzügig geschnitten, sodass man auf eine Menge Erweiterungen hoffen darf.

Einzig das Inlay im Karton ist aus meiner Sicht nicht wirklich glücklich gewählt, die Spielmaterialien lassen sich mäßig praktisch in die Box einsortieren.

Spielprinzip

WÜRFELN BIS DER ARZT KOMMT! Das ist zwar nicht ganz falsch, spiegelt den Facettenreichtum an Spielmechanismen nur unzureichend wieder. Immerhin spielt man hier kein „Kniffel“. Deswegen gehe ich doch lieber noch ein wenig detaillierter auf das Spiel ein.

Im Wesentlichen ist „Roll for the Galaxy“ ein Deckbuilder. Alle Spieler starten mit einer Kombination aus Rasse und Heimatplaneten und bekommen somit Startfähigkeiten und ein paar Würfel in einer individuellen Kombination. Es gibt neun Fraktionen und neun Heimatwelten, sodass theoretisch 81 verschiedene Kombinationen gespielt werden können. Jede Kombination gibt eine andere Ausgangsbasis für das Spiel, sodass man sich in jeder Partie wieder neu überlegen muss, welchen Weg man einschlägt. Im Folgenden baut man seine Welt aus und erlangt zusätzliche Würfel und Fähigkeiten hinzu. Die fünf Aktionssymbole, die ein Würfel tragen kann, sind unterschiedlich auf den verschiedenfarbigen Würfeln verteilt, sodass neben den Spezialfertigkeiten, die man bekommen kann, auch die Zusammenstellung des Würfeldecks über die weitere Taktik entscheidet.

Das Ziel aller Spieler ist durch die Wahl der richtigen Taktik die meisten Siegpunkte am Ende des Spiels zu erhalten. Hierbei wird das Spiel nicht nach einer festen Anzahl an Runden beendet, sondern durch mindestens einen Spieler, der eine der beiden Siegbedingungen erfüllt. Da im Grunde genommen alle Spieler gleichzeitig spielen, ist das Spiel in dem Moment vorbei, wenn in der jeweiligen Runde die entsprechende Aktion durchgeführt wurde.

Die Gleichzeitigkeit ist ein wesentlicher Aspekt des Spiels den man gut, aber auch schlecht finden kann. Der Vorteil: Es gibt quasi keine Wartezeiten. Es wird gleichzeitig gewürfelt, geplant und ausgeführt und jeder hat immer etwas zu tun. Der Nachteil: Die Interaktionen unter den Spielern sind begrenzt und man kann nur wenig Einfluss auf die Aktionen des Gegners nehmen.

Dennoch gibt es gute Gründe, den Gegner im Auge zu behalten, denn in einer Runde werden nicht immer alle Aktionen durchgeführt. Es kann durchaus sein, dass man sich falsch entscheidet und wesentliche Schritte in der nächsten Runde nicht unternehmen kann. Hat man jedoch einen guten Blick für die Bedürfnisse seiner Gegner, kann man davon profitieren und mit dem aufgewendeten Geld den maximalen Gewinn erwirtschaften.

Spielablauf

Wie oben schon beschrieben, bekommt jeder Spieler zu Beginn des Spiels seine Grundausstattung: Ein Spielertableau, einen Sichtschirm, ein paar Standardwürfel und per Zufall gezogen, ein Fraktions- und ein Heimatplanetenplättchen. Diese beiden generieren gegebenenfalls zusätzliche Würfel, die entweder auf dem eigenen Spielfeld, im Würfelbecher oder im Vorrat platziert werden. Zudem bekommt jeder einen Space-Dollar sowie eine Technologie, die es zu erforschen und einen Planeten, den es zu besiedeln gilt.

Nachdem Aufbau beginnen die Spieler mit einem Würfelwurf, der im Geheimen hinter dem Sichtschirm ausgeführt wird.

Spätestens jetzt stellt sich die Frage, was man mit seinen Würfeln eigentlich Tolles machen kann: Es gibt fünf verschiedene Phasen im Spiel, deren Symbol ebenfalls auf den Würfeln zu finden sind. Wird die Phase gespielt, was nicht selbstverständlich ist, darf für jeden Würfel, der der passenden Phase zugeordnet wurde, eine entsprechende Aktion ausgeführt werden.

  1. Erkunden: Diese Phase kann unterschiedlich genutzt werden. Entweder man sieht sich nach profitablen Technologien oder Planeten um oder man schickt seine Arbeiter los, um Geld zu verdienen. Währende der erste Punkt zwingend erforderlich ist, um sein Imperium weiterzuentwickeln, ist der zweite Punkt mindestens ebenso elementar, denn: Money makes the world go round, oder in diesem Fall: Money makes the dice roll. Für jeden Space-Dollar kann man am Ende der Runde wieder einen Arbeiter anheuern, der in der nächsten Runde für eine Aktion zur Verfügung steht.
  2. Entwickeln: Diese Arbeiter dienen der Stärkung des Imperiums durch die Entwicklung zukunftsweisender Technologien. Wurde die erforderliche Arbeitskraft für eine Technologie bereitgestellt, steht diese zur Verfügung und schaltet nicht nur neue Fähigkeiten frei sondern liefert auch wichtige Siegpunkte.
  3. Siedeln: Hier greift derselbe Mechanismus wie bei der Entwicklung. Arbeiter werden so lange gesammelt, bis eine Welt besiedelt wurde. Neue Welten sind vor allem für zusätzliche Würfel und Siegpunkte gut.
  4. Produzieren: Ein Arbeiter, der produziert, steht stellvertretend für eine Ware. Diese darf auf einem eigenen Planeten platziert werden.
  5. Verladen: In dieser Phase können Waren auf den eigenen Planeten entweder gegen Space-Dollar oder gegen Siegpunkte eingetauscht werden.


Nun springen wir wieder zurück zum Beginn unserer Spiels. Wir haben gerade das erste Mal gewürfelt und sortieren nun unsere Würfel nach Symbolen. Anschließend beginnt ein kleines Pokerspiel, denn nun müssen wir durch Einsatz eines Würfels genau EINE Phase „aktiv“ schalten. Phasen, die von den Spielern nicht aktiv geschaltet werden, werden in dieser Runde ausgelassen. Man schaut sich also um und versucht verzweifelt in die Köpfe seiner Gegner hereinzuschauen. Natürlich kann man nun eine Phase sichern, aber alle anderen Würfel könnten für diese Runde verloren sein, wenn sich kein anderer Spieler für die passende Phase entscheidet. Eben dieser Punkt macht eine Menge des Reizes aus, den dieses Spiel ausübt. Der Mechanismus ist einfach und zugänglich und erlaubt es auch weniger erfahrenen Spielern mal einen guten Zug zu machen und sich gegenüber den anderen Spielern ein wenig abzusetzen.

Beim Sortieren der Würfel, die natürlich immer genau das Symbol zeigen, welches man nun gerade nicht gebrauchen kann, helfen auch noch die eigenen Technologien. Diese erlauben es teilweise, Arbeiter umzuwidmen.

Haben alle Spieler ihre Wahl getroffen, werden die Sichtschirme gelüftet und nachgesehen, welche Phasen in dieser Runde gespielt werden. Alle Arbeiter, die in inaktive Phasen sortiert wurden, kommen zurück in den Würfelbecher, sind also nicht vollkommen verloren. Dann werden die Phasen nach und nach durchgeführt, wobei alle Spieler parallel arbeiten. Gerade zu Beginn, wenn noch nicht alle Spieler vollends in die Welt dieses Spiels eingetaucht sind, empfiehlt es sich jedoch, dass man sich gegenseitig seinen Spielzug erklärt und dann durchführt. Das führt zu keiner wesentlichen Verzögerung und man kann die Übersicht über das Spiel der Gegner behalten.

Sind alle Phasen abgearbeitet, muss noch ein wenig aufgeräumt werden. Das gerade erst erarbeitete Geld wird in neue Arbeiter investiert und bereits eingesetzte Arbeiter können von ihrer aktuellen Tätigkeit abgezogen werden, um sie in der nächsten Runde anders zu nutzen. Zu guter Letzt werden noch die Bedingungen für das Spielende geprüft, denn schneller als man denkt kann es sein, dass eine der beiden Bedingungen erfüllt ist:

Entweder ein Imperium hat eine gewisse Größe erlangt (zwölf Technologien/Planeten in der Auslage) oder es wurde eine zu Beginn des Spiels festgelegte Anzahl von Siegpunkten aus dem Verkauf von Waren erwirtschaftet.

Dieser Ablauf wiederholt sich nun bis zum Spielende. Der Gewinner ermittelt sich aus der Gesamtzahl an Siegpunkten, die man sammeln konnte. Dabei zählen sowohl die Planeten und Technologien, die man erbaut hat sowie die Punkte aus dem Handel mit Gütern.

Was rockt, was stört?

Das Spiel ist gut, keine Frage. Ich habe es mit Spielanfängern und Expertenspielern ausprobiert. Beide Fraktionen waren angetan und angefixt. In den ersten Partien lernt man den einfachen Spielablauf recht schnell kennen und bekommt mit jeder Partie besser mit, worauf es ankommt. Aber worauf kommt es denn überhaupt an? Sehr schnell ist klar: Ohne Geld geht nichts, denn ohne Geld kann man keine Arbeiter anheuern. Aber dann? Jede Kombination aus Fraktion und Heimatwelt bietet eine ganz eigene Ausgangsposition. Gibt es ein Patentrezept? Sollte man sich in jeder Partie auf bestimmte Aspekte konzentrieren, um einen garantierten Erfolg zu feiern? Man kann es einfach nicht sagen. Selbst wenn es ein Patentrezept geben sollte, dauert es anscheinend lange, dieses zu finden. Nach jeder Partie, allesamt waren sie kurzweilig und spannend, hatte ich das Gefühl, gleich noch einmal spielen zu müssen, um das gerade Gelernte konsequent umzusetzen oder mal wieder etwas Neues auszuprobieren. Und was kann man von einem Spiel eigentlich mehr verlangen?

Die Kehrseite? Ja, die gibt es auch. Es gibt kein gemeinsames Spielbrett, jeder hat seine Welt vor sich liegen und arbeitet am eigenen Fortschritt. Interaktion mit den anderen Spielern gibt es kaum und kein noch so genialer Zug wird von den anderen wirklich wahrgenommen. Man ist meistens zu sehr damit beschäftigt, sich um sich selbst zu kümmern.

Lediglich das Pokerspiel zu Beginn jeder Runde zwingt die Spieler, sich mit dem Imperium der Gegner auseinanderzusetzen und selbst wenn vollkommen klar ist, welcher Zug dem jeweils anderen in der nächsten Runde wohl am meisten nützen würde, niemand kann garantieren, dass er diesen auch aktiviert. Es kommt also auf Spiel- und SpielERverständnis an, um möglichst effizient zu sein. Denn klar ist auch: Wer jede Runde mit der Verteilung seiner Würfel daneben liegt, kann um den Sieg nicht wirklich mitspielen.

Warum Pegasus dieses Spiel nun als Expertenspiel eingestuft hat, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Wie bereits berichtet, waren alle meine Mitspieler sehr angetan und es gab auch niemandem, der bereits bei der Erklärung der Regeln auf Probleme unüberwindbare gestoßen wäre. Ich will damit nicht sagen, dieser Punkt sei für ein Expertenspiel zwingend, aber aus meiner Sicht sind die Komplexität, Tiefe und die Dauer eines Spiels wichtige Faktoren für Expertenspiele und in Summe bei „Roll for the Galaxy“ nicht ausgeprägt genug.

Andererseits wollen die Aktionen aber auch gut geplant sein, denn hat man sich erst einmal in eine Situation gebracht, in der es nicht richtig voran geht, fehlt teilweise das wichtige Geld, um genug Arbeiter für die nächsten Runden anzuheuern. Einmal komplett abgehängt, wird es schwer fallen, überhaupt noch um die vorderen Plätze mitzuspielen. Hier könnten Anfänger, die in eine Runde erfahrener Jünger dieses Spiels geraten sind, ihre liebe Not haben. Das wäre für mich der einzige Punkt auf der Haben-Seite eines Expertenspiels, ansonsten sehe ich hier jedoch ein sehr solides Kennerspiel, was von allen Spielertypen gleichermaßen gespielt werden kann.

Man könnte an dieser Stelle mutmaßen, dass Pegasus dieses Spiel vielleicht nutzen möchte, um den Kennerspielern ein wenig den Respekt vor den dicken Brocken zu nehmen, die es im Bereich der Expertenspiele so gibt … Man kann es aber auch lassen, denn schließlich gibt es Wichtigeres. Zum Beispiel das

Fazit: Tolles Spiel! Ausprobieren! Mehr muss ich gar nicht sagen, wenn man über den ordentlichen Preis einmal hinweg sieht.


Roll for the Galaxy
Strategiespiel für 2 bis 5 Spieler ab 12 Jahren
Wei-Hwa Huang/Tom Lehmann
Pegasus Spiele (2016)
EAN 4250231709289
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,95

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