Pirate Tales

Ihr Landratten! In „Pirate Tales“ lichtet ihr den Anker und begebt euch auf hohe See. Riesige Edelsteine, aber auch hinterlistige Kraken warten auf euch – und viele Würfelwürfe. Doch ob ihr kentert, hängt nicht nur von Gottes Gnade ab. Wir schauen, ob die auf der Packung von Skellig Games ausgelobten 5 von 5 Arrrrrrg halten, was sie versprechen.

von LarsB

Das Material

60 Custom Würfel mit einem Haufen aufgedruckter Totenköpfe, eine ausrollbare Spielmatte, 170 Karten, riesige Edelsteine – dieses Spiel ist enorm gut produziert. Die Illustrationen auf den Karten und der Spielmatte sind sehr stimmig und zeigen einem direkt an, dass dieses Spiel kein Strategiemonster sein möchte, sondern ein lustiges, leichtes und kurzweiliges Unterhaltungswerk, welches man nicht schrecklich ernst nehmen darf. Sicherlich werden hier direkt auch jüngere Spieler erfolgreich angesprochen.

Die Stimmungstexte auf den Karten sind kurz aber liebevoll und laden daher zum (Vor-)Lesen ein. Auch die Ikonografie ist gut nachvollziehbar. Eine Spielhilfe diesbezüglich hätte für den Einstieg gut getan und wäre im Spielkartenformat kostengünstig umsetzbar gewesen.

Der Aufbau lässt sich in angemessener Zeit realisieren. Der Spielplan unterstützt dabei, indem er für die einzelnen Kartenarten Ablageorte vorsieht. Die abgebildete Route, die unsere Schiffe nehmen werden, ist allerdings nicht nachvollziehbar: Wir beamen uns zum Beispiel aus dem Golf von Mexiko direkt ins Mittelmeer, um dann später nochmal den Atlantik zu bereisen. Das wird den meisten Spielern nicht auffallen. Ich finde so etwas gerade bei Spielen schade, die über die Aufmachung punkten.

Der Spielablauf

Grundsätzlich bereist man die sieben Weltmeere und begegnet dort unterschiedlich schweren Aufgaben, bevor man versucht, auf einer selbstgewählten Zielinsel einen Schatz zu bergen. Wie weit man reist, entscheidet man weitestgehend selbst. Dauert die Reise entsprechend lang, sorgen Kraken dafür, dass die Reise noch etwas unberechenbarer wird. Ist die Reise erfolgreich, wird man mit hoffentlich reicher Beute und einem Voranschreiten der eigenen Schiffsfigur belohnt, die die Mindestreiselänge vergrößert. Versagen die eigenen Piratenkünste, so kentert man und zieht eine entsprechende Kenterkarte. Das machen alle Amateur-Piraten so lange, bis die Spielfigur des ersten Piraten die Zielinsel mit dem blauen Klunker erreicht. Am Ende gewinnt, wer die meisten Dublonen und Edelsteine erbeutet hat.

Ist man am Zug, entscheidet man, ob man eine bis drei Abenteuerkarten erwerben mag, die einen bei der anstehenden Reise unterstützen. Nur kosten diese Karten wertvolle Dublonen, von denen man am Ende ja möglichst viel haben möchte. Und das Konzept eines Mengenrabatts hat der Abenteuerkartenhändler auch falsch verstanden: Jede zusätzliche Karte wird teurer. Dann zieht man eine Abenteuerkarte vom Stapel und legt diese auf seiner Reiseroute auf dem Spielplan aus. Das wiederholt der aktive Pirat, bis ihn die Nerven verlassen – auch im Kontext eines drohenden Kraken-Intermezzos. Schließlich wählt er von einem der drei Zielinselkartenstapel seine Destination für diese Reise. Dabei gilt: Je anspruchsvoller die Schatzinsel, desto attraktiver der Schatz. Um die anderen Spieler einzubinden, wetten alle daheim gebliebenen Mitpiraten, ob diese Reise gutgehen kann. Das Wettbüro zahlt bei richtiger Vorhersage einen kleinen Bonus in Form einer Dublone.



Wie im wahren Piratenleben wird jede Herausforderungskarte nun mittels Würfelwürfen angegangen: Gewürfelte Totenköpfe werden zusammengezählt und mit der Totenkopfanforderung der Begegnung verglichen. Die Abenteuerkarten können dabei unterstützend für weitere Totenköpfe oder andere Effekte ausgespielt werden. Neue Würfelwürfe dürfen durch das vorübergehende Ablegen eines Würfels getätigt werden. Nach dem Bestehen der Herausforderungen kann man sich des Öfteren direkt eine Belohnung einstreichen, die einem beim weiteren Vorankommen auf der Reise weiterhelfen mag: neue Würfel, neue Würfelwürfe, weitere Abenteuerkarten oder der schnöde Mammon. Die Belohnung der Schatzinsel wird allerdings erst offengelegt, wenn die Herausforderung dort auch gemeistert wurde.

Schließlich darf der Pirat nach der Reise seine Würfel noch gegen bessere Würfel mit mehr Totenköpfen und weniger leeren Würfelseiten eintauschen.

Das Spielgefühl

Die auf der Verpackung angegebenen 45 bis 60 Minuten Spieldauer passen schon grob. Das Spiel ist recht schnell erklärt und damit gut zugängig.

„Pirate Tales“ wird man jedoch ohne Würfel- und Kartenglück nicht gewinnen. Neue Spieler oder jüngere Kids haben durchaus eine realistische Siegchance, ohne dass man sich selbst zurücknehmen müsste. Es kann eben passieren, dass man nicht genug Totenköpfe würfelt oder die Belohnungen, die auf der Reise abgegriffen werden können, nicht zur Spielsituation passen. Das müssen alle Mitspieler aushalten können.

Es ist aber durchaus möglich, verschiedene Taktiken in diesem Spiel zu verfolgen, die dem Glück auf die Sprünge helfen. Die taktische Komponente tut dem Spiel gut. Durch das Einrechnen der Belohnungen während der Abenteuerfahrt kann man sich durchaus auch einen Plan B zurechtlegen, die Fahrt doch noch erfolgreich zu meistern oder zumindest Wahrscheinlichkeiten für einen Erfolg oder Misserfolg abzuschätzen. Anspruchsvolle Schatzinseln setzen den eigenen Schiffsmarker im Durchschnitt weiter nach vorne als die einfachen Schatzinseln. Die Kartenhand und die Würfelausstattung müssen allerdings zu den weiteren Reisen passen, sodass ein zu schnelles Vorpreschen riskant ist. Weitere Reisen bringen wiederum mehr Dublonen, aber auch eine größere Unsicherheit wegen der nicht kalkulierbaren Begegnungen mit den Kraken.

Gut finde ich, dass die Kraken-Begegnungen und auch die Kenterkarten beim Aufbau der Partie eher wohlwollend und/oder herausfordernd gewählt werden können. Damit kann man das aufkommende Spielgefühl recht gut steuern. Man könnte sogar verschiedene Kartenhaufen kredenzen, etwa einen wohlwollenden für die Kids und einen gemeinen die Erwachsenen. Den chaotischen Modus, in dem alle Mitspieler aus allen Karten ziehen, würde ich nicht empfehlen.

Der Wettmechanismus soll jeden Spieler auch im Zug der Mitspieler involvieren. Das funktioniert nur eingeschränkt. Der Malus ist größer, wenn man gegen den Erfolg der Reise eines Mitpiraten wettet. Also wettet man in der Regel pro Mitpirat. Das hat sich dann monoton und uninteressant angefühlt. Die Belohnung für den Wetterfolg ist sehr klein, sodass sich in unseren Runden oft die Unsicherheit eingestellt hat, ob man nun die Wettauszahlung erhalten hat oder noch nicht.

Insgesamt ist die tolle Qualität der Komponenten aus meiner Sicht ein nicht zu unterschätzendes Plus beim Spielerlebnis. Gerne nimmt man sich die roten Riesenklunker nach erfolgreicher Reise in seinen Vorrat. Insbesondere das Verbessern und das Werfen der dann aufgelevelten Würfel hat mir Spaß gemacht. Gerade in erfolgreichen Partien kann man sich in jeder Runde mehr zutrauen.

Wie lange das Spielerlebnis trägt, muss jeder für sich selbst sehen. Wen die tolle Umsetzung anspricht, wer gern piratenmäßig Würfel mit wenigen Totenköpfen gern gegen Würfel mit mehr Totenköpfen eintauscht und diese häufig wirft sowie sich von kleinen „Ungerechtigkeiten“ nicht frustrieren lässt, wird sicher öfter nach „Pirate Tales“ greifen. Echte Piraten heulen schließlich nicht RUM, sie trinken RUM!

Fazit: „Pirate Tales“ ist würfellastig, aber nicht würfellästig. Damit vermag es zu euphorisieren und zu frustrieren. Ich denke, das beschreiben die 5 von 5 „Arrrrrg“ auf der Spielepackung sehr gut. Gelingt es allen Mitspielern, eine nicht zu verbissene Einstellung zum Spiel an den Tag zu legen, dann kann auch die ganze Spielegruppe Spaß haben mit dem leichten, wunderschön produzierten „Pirate Tales“. Ein Schluck Rum mag dabei helfen.

Pirate Tales
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 8 Jahren
Benno Thönelt
Skellig Games 2023
EAN: 0725765192141
Sprache: Deutsch
Preis: 49,90 EUR

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