von Ansgar Imme
Dem Hauptband „Die Ära des Goldenen Kaisers“ von Ulisses Spiele folgten gleich zwei Ergänzungsbände: das bereits rezensierte Kompendium, welches vor allem Abenteuer-Schauplätze und kürzere Szenarien enthielt, sowie der hier vorliegende Band um „Mysterien der Goldenen Kaiserzeit“. Dieser Band geht dabei noch stärker auf Geheimnisse und wichtige Hintergrundinformationen ein und ist noch mehr als das Kompendium nur für die Augen des Spielleiters bestimmt. Die Redaktion haben, wie beim Kompendium, Anni Dürr, Nikolai Hoch und David Lukaßen übernommen, unterstützt von 16 Autoren.
Zum Inhalt
Die Spielhilfe ist mit 88 farbigen Seiten etwas kürzer als die beiden anderen Bände geraten und konzentriert sich auf die wichtigsten Spielleiterinformationen der Epoche. Eine kurze Einleitung ordnet das Spiel zur Goldenen Kaiserzeit mit seinen Unterschieden zu späteren Ereignissen ein und wie man auch als Spielleiter mit Lücken im Hintergrund umgehen kann. Ebenso werden wichtige Abenteuerpublikationen aus dieser Zeit aufgeführt. Abgeschlossen wird die Einleitung durch Informationen, die Spieler und Helden über die Epoche wissen und die anhand von Erfolgsproben ermittelt werden können.
Im zweiten Kapitel werden Geheimnisse und Mysterien vorgestellt, die in der Goldenen Kaiserzeit existieren, ihren Ursprung nahmen oder speziell dort wichtig sind. Dabei geht es vor allem um das große Geheimnis der Kaiserfamilie aus Gareth und welche Folgen es hätte, wenn es öffentlich würde. Verschiedene Geheimbünde beeinflussen zu dieser Zeit ebenso das Geschehen und können als Herausforderung für die Helden fungieren. Des Weiteren wird sich politischen Verschwörungen sowohl im Mittelreich als auch anderen Regionen Aventuriens angenommen, die man in Abenteuer einbauen kann. Als Basis für künftige Entwicklungen wird die Gruppe der Borbaradianer vorgestellt, die zudem mit Regeln rund um die Zaubertradition präsentiert werden. Das Kapitel schließt mit einer Reihung vieler bekannter Persönlichkeiten der Epoche und deren Geheimnissen.
Der dritte Abschnitt thematisiert den Aufbau und die Art von Abenteuern in jener Zeit. Eine regelkundliche Grundlage gibt Hinweise, welche der heutigen Professionen damals noch nicht existierten oder welche Änderungen zur aktuellen Spielzeit vorzunehmen sind. Dann werden verschiedene Szenariovorschläge in kurzen Abschnitten unterbreitet, die etwa von der risikoreichen Basiliskenjagd über Verwicklungen in den Nostria-Andergaster-Krieg bis zu einer Expedition mit dem Magier Rakorium reichen. Der Spielleiter erhält verschiedene Hinweise, wie er das Spiel in der Epoche im Allgemeinen gestalten kann und wie mit Abweichungen von der eigentlichen Geschichte umzugehen ist.
Fast die Hälfte des Bandes nimmt dann das Abenteuer „Der Preis der Freiheit“ ein, der die Ereignisse in Aranien und Albernia rund um deren Unabhängigkeitsbestrebungen vom Mittelreich beschreibt und wie die Helden darin verwickelt werden. Direkt beauftragt vom Reichsgroßgeheimrat Dexter Nemrod sollen sie zunächst in Aranien Nachforschungen anstellen, wer die Pläne dort vorantreibt und dazu das Schicksal verschollener Agenten aufklären. Ebenso soll ein Bündnis mit einem Aranien abtrünnigen Grafen erzielt werden. Doch auch in Albernia dräut Ungemach, sodass die Verbindung mit der Westprovinz durch eine Heirat mit dem Kronprinz gefestigt werden soll. Doch der bereits in Aranien die Bemühungen hintertreibende Antagonist hat auch hier seine Finger im Spiel und muss schlussendlich gestellt werden, um die Hochzeit und Verbindung wahr werden zu lassen.
Bewertung
Der Mysterienband stellt zwar die wesentlichen Geheimnisse der Goldenen Kaiserzeit dar, hat aber durchaus viele Überschneidungen zum Kompendium. Eine richtige inhaltliche Trennung fällt schwer, da bereits das Kompendium vor allem Informationen für den Spielleiter enthält. Auch wenn die tiefen Geheimnisse und Mysterien erst in diesem Band enthüllt werden, hätte man die Bände auch gut zusammenfassen können, zudem beide auch Abenteuer und Szenarien enthalten.
Die Einleitung zum Spiel, die Auflistung von Abenteuern und das Wissen der Helden über die Goldene Kaiserzeit sind dabei noch so wenig spezifisch oder geheimnisvoll, dass sie wirklich auch sehr gut in das Kompendium als allgemeinere Informationen gepasst hätten, die zwar nicht unbedingt für die Spieler bestimmt sind, aber auch nichts Wesentliches verraten. Und so ist auch der Mehrwert für das Spiel sehr begrenzt.
Das Kapitel zu den Mysteria und Arcana und damit den Geheimnissen der Ära stellt natürlich Geheimnisse vor, mit denen Spieler erst in Berührung kommen sollen. Speziell der Schwerpunkt um die Kaiserfamilie klärt die Hintergründe gut auf, die vor 30 Jahren die Spieler des Schwarzen Auges komplett überraschte. Aber sowohl dieser wichtigste Bestandteil für die Goldene Kaiserzeit als auch alle anderen Mysterien bis zu den einzelnen Nichtspielerfiguren bleiben leider etwas blass und lassen vor allem Vorschläge für die Einbindung in Abenteuer fehlen. Einzig wie Helden auf diese Personen treffen können wird beschrieben. Manche Mysterien sind sogar so unmysteriös und langweilig, dass man sich fragt, warum diese aufgeführt werden.
Sicherlich kann man anführen, dass die Spielzeit ja schon geschehen ist und man das Schicksal von Figuren oder Reichen nicht ändern kann. Aber wie das spätere Abenteuer als auch die Szenarios hier und im Kompendium zeigen, kann man durchaus weiße Flecken nutzen, um diese zu füllen oder zusätzliche, neue Hintergründe beisteuern, die Abenteuer mit den Personen oder Regionen ermöglichen, ohne dass diese im Widerspruch zur Vergangenheit stehen müssen. Auch wird ja durchaus darauf hingewiesen, dass man keine Sorge haben soll, die Handlung anders als wirklich passiert laufen zu lassen, wenn es der Gruppe Spaß macht. Und dann wären auch ein paar Ideen sinnvoll gewesen, die genau hier eine andere „Zukunft“ entstehen lassen.
Abseits von den für viele Spieler wichtigen Regelparts bietet das Kapitel um Abenteuer ergänzend zu den Szenario-Ideen aus dem Kompendium auch hier noch einmal interessante Ideen für Abenteuer in der Epoche, bei denen durchaus wieder versucht wird, verschiedene Regionen abzudecken. Hier hätte man sich noch ein paar mehr Szenarios gewünscht, da diese viel mehr als die Mysterien aus dem Vorkapitel zeigen, wie Abenteuer aussehen können. Auch ein wenig mehr Ausarbeitung hätte ansonsten gut getan, denn so kann man diese Ideen keinen Spielleiter-Anfängern empfehlen, da sie wirklich nur als Ideen-Steinbruch taugen und der gründlichen Ausarbeitung bedürfen.
Die zweite Hälfte der Publikation mit dem umfangreichen Abenteuer versetzt die Spieler und Helden tief in ein Intrigenspiel um die Unabhängigkeitsbestrebungen. Dies ermöglicht eine direkte Beeinflussung der Geschichte mit dem befriedigenden Gefühl, am Ende als Figur bei einer wirklich wichtigen Situation dem Reich geholfen zu haben. Oft wurden die geschichtlichen Entwicklungen nur über das „DSA“-Magazin „Aventurischer Bote“ abgehandelt, was es umso schöner macht, dass die Helden hier direkt integriert sind. Das Abenteuer ist dabei bis auf die Konfrontation zum Schluss sehr politisch und bietet viele Möglichkeiten des Rollenspiels, während fantastische Momente eben bis zum Ende zunächst zurückbleiben. Wer gesellschaftliche Abenteuer nicht so mag, wird hier also weniger Spaß haben.
Dafür stehen die Momente des Rollenspiels, das Bewegen auf höfischem Parkett und der Umgang mit Intrigen im Vordergrund. Und nur in wenigen Abenteuern kann man so viele aventurische Prominenz kennenlernen und mit ihr agieren wie hier. Dass diese Personen dazu teilweise noch so jung sind, wie sie in Abenteuern gar nicht auftraten, und man dadurch ganz neue Facetten kennenlernt, macht es noch etwas besser. Hier haben die Autorinnen wirklich elegant eine Lücke gefunden und mit Inhalt gefüllt. Einzig die Macht des Antagonisten , sowohl diese beiden Provinzen als auch dazu Maraskan zum Aufruhr anzustacheln, wirkt etwas übertrieben. Die Ausarbeitung weiß aber insgesamt zu gefallen und bietet neben den vielen Rollenspielmomenten auch immer wieder dynamische Szenen als Abwechslung.
Durch Karten sowohl Zorgans als auch für die beiden Paläste als Hauptorte bekommt man als Spielleiter Material an die Hand. Trotzdem ist das Abenteuer eher erfahrenen Spielleitern zu empfehlen, da sowohl der Ablauf sehr individuell sein kann und auch manche Teile durchaus mehr Ausarbeitung oder eben Flexibilität erfordern. Insgesamt ist das Abenteuer ein Lichtblick, der einen ganz anderen Blickwinkel auf Geschehnisse liefert, die noch nicht im Mittelpunkt standen. Hiervon hätte es gerne noch ein zweites geben dürfen.
Fazit: Der Band liefert Licht und Schatten. Einerseits ist die Bandstruktur von „Kompendium“ und „Mysterien“ durchaus diskutabel und geht ineinander über. Andererseits sind die Mysterien teilweise etwas fade und bieten zu wenig Abenteueraufhänger. Ganz anders dagegen die Szenario-Vorschläge und vor allem das Hauptabenteuer, welche genau das liefern, was man sich als Leser und Spieler wünscht: weiße Flecken der Vergangenheit, die mit Leben gefüllt werden und spannende Abenteueransätze liefern. Insgesamt nicht ganz so zufriedenstellend wie die anderen Bände, kommt man aufgrund der Hintergründe aber vermutlich kaum um diesen Band herum.
Mysterien der Goldenen Kaiserzeit
Quellenbuch
Anni Dürr, Nikolai Hoch, David Lukaßen u. a.
Ulisses Spiele 2024
ISBN: 978-3-9873223-0-3
88 S., Hardcover, deutsch
Preis: 29,95 EUR
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