Mordenkainens Foliant der Feinde

Dieser Band stammt aus der fiktiven Feder des Zauberlehrlings Bigby, der ihn von seinem Meister, dem Erzmagier Mordenkainen, diktiert bekam. Mordenkainen ist ursprünglich auf der „Dungeons & Dragons“-Welt Greyhawk zu Hause, die die Bewohner Oerth nennen. Der Erzmagier schildert die Konflikte und Völker des Multiversums. Soviel sei schon verraten: Es handelt sich um ein fulminantes Werk, das wichtige Informationen für das Spiel liefert! Jedoch visiert es nicht jedermann an, sondern richtet sich vor allem an Spielleiter*innen mit fortgeschrittenen Kampagnen.

von Markus Kolbeck

Aufmachung

Das 256-seitige, deutschsprachige Hardcover von 2020 von Ulisses Spiele umfasst sechs Kapitel und ist mit viertel- und halbseitigen Farbabbildungen illustriert, die jeweils zum Text passen. Außerdem gibt es zwei zweiseitige Farbabbildungen: Die eine zeigt den Dämonenfürsten Juiblex bei seinem Verrat an der Dämonenfürstin Zuggtmoy. Die andere zeigt einen Schurken, der von einer großen Horde Skelette bedrängt wird. Auf dem Titelbild ist Mordenkainen zu sehen, der ein komplexes Sphärenmodell bedient, das ihm Einblicke in das Multiversum von „Dungeon & Dragons“ („D&D“) erlaubt. Leitende Designer waren Mike Mearls und Jeremy Crawford. Das Buch ist angenehm zu lesen, wozu das übersichtliche Layout beiträgt. Die Schrift ist eher klein, aber nicht zu klein. Es werden die großen Konflikte des Multiversums und die darin verwickelten Völker enthüllt, also Geheimnisse, die nicht jeder kennt. Der Band ist auf dem Stand der Regeln der 5. Edition von „D&D“. Im englischsprachigen Original ist er als „Mordenkainen's Tome of Foes“ erschienen.

Inhalt

In Kapitel 1 wird der sogenannte Blutkrieg zwischen Dämonen und Teufeln erläutert. Die Dämonen fallen in die oberste Ebene der Neun Höllen ein und versuchen diese zu erobern. Die Teufel schlagen zurück und vertreiben die dämonischen Unholde normalerweise wieder. Solle je eine Seite gewinnen, könnte die daraus entstehende Machtfülle für den Sieger zu einer enormen Destabilisierung des Multiversums führen! Die teuflischen Fürsten der Neun Höllen sowie die dämonischen Prinzen des Abyss werden beschrieben. Spielwerte gibt es teilweise in Kapitel 6, dazu später mehr. Auch finden kurz Kulte beider Unholdarten, Cambions und Gaben Erwähnung. Außerdem findet man Tabellen zur Individualisierung von Teufeln und Dämonen.

In Kapitel 2 wird auf den alten Konflikt der Elf*innen und Dunkelelf*innen (Drow) eingegangen. Es wird geschildert, wie es zur Aufspaltung und jahrtausendealten Feindschaft kam. Ein eigenes Unterkapitel gibt es zu Elfen und der Magie. Tabellarisch finden 29 Elf*nnengötter, die Seldarine, Erwähnung, von denen einige auch im Text vorgestellt werden. Die Götter der Drow, die dunklen Seldarine, sind neun an der Zahl. Es werden drei neue Elf*innenunterarten eingeführt: Die Eladrin aus dem Feywild, die Meereselfen und die Schadar-Kai aus dem Shadowfell, Diener der Rabenkönigin. Auch in diesem Kapitel findet man Tabellen zur Individualisierung von NSC (hier von Elf*innen und Drow).

In Kapitel 3 wird der Krieg zwischen Zwerg*innen und Dunkelzwerg*innen, den Duergar, geschildert. Tabellarisch werden die 20 Götter der Zwerg*innen, die Mordinsamman, und die zwei Götter der Duergar gelistet. Diese werden auch teilweise im Text beschrieben. Verschieden Zwerg*innenarten verschiedener Welten der Materiellen Ebene werden aufgeführt. Ja, es gibt auch hier Tabellen zur Individualisierung, hier von Zwerg*innen und Duergar.

In Kapitel 4 wird die Aufspaltung des Volks der Gith in die Githyanki und Githzerai erläutert, die sich Gut und Böse in unterschiedlichen Ausmaßen verschrieben haben. Erläuterungen zu Gith-Charakteren und Individualisierungstabellen gibt es auch noch.

Kapitel 5 geht auf Halblinge und Gnom*innen sowie Tiefengnom*innen ein, sogenannte Svirfneblin, ein. Es werden die Völker, ihre Unterarten sowie ihre Götter beschrieben. Die sieben Götter der Halblinge und die 13 Götter der Gnom*innen werden tabellarisch und auch teilweise im Text aufgeführt.

Die ersten fünf Kapitel des Bands nehmen rund die Hälfte der Seiten in Anspruch, der Rest fällt auf Kapitel 6, das eine andere Richtung einschlägt: Es ist ein Monsterverzeichnis mit über 100 Kreaturen des Multiversums, einschließlich einiger Dämonenprinzen und Erzteufel, Drow-, Duergar- und Gith-Varianten. Es ist auffallend, das die Herausforderungsgrade meist höher sind und die Monster nur selten Empfindlichkeiten haben, dafür aber oft Immunitäten und Resistenzen. Die schwächste Kreatur ist ein junger Kruthik, eine Art gepanzerte Riesenameise, mit Herausforderungsgrad 1/8 (25 EP), die mächtigsten sind die Unholde Demogorgon, Orcus und Zariel, jeweils mit einem Herausforderungsgrad von 26 (90.000 EP). Auffallend ist, dass unter anderem der Höllenkönig Asmodeus im Monsterverzeichnis fehlt. Die Kreaturen sind mit Farbabbildungen illustriert, jedoch kann es sein, dass bei Monstern mit Unterarten nicht alle bebildert sind.

Rechtschreibung

Über kleinere Formatierungs- und Rechtschreibfehler kann man gerne hinwegsehen, so wurden beispielsweise „Übungen“ als „Übrungen“, „Erhabenheit“ als „Erhaben“, „Spiegelbild“ als „Siegelbild“, „werden“ als „würden“, „Sturmwind“ als „Strumwind“ und „beschrieben“ als „beschreiben“ wiedergegeben. Da wiegt schwerer, dass auch einige Namen von Kreaturen falsch geschrieben wurden: „Mephistpheles“ statt „Mephistopheles“, „Amodeus“ statt „Asmodeus“ und „Baal“ statt „Bael“! Jedoch trübt das den vorhandenen Lesespaß nur minimal. Insgesamt ist das Buch hervorragend übersetzt und wirkt wie aus einem Guss.

Kritik

Man hat mit diesem Band ein Werk, das wirklich tiefe Einblicke in das „D&D“-Multiversum gewährt. Das schränkt auch gleichzeitig sein Zielpublikum ein, denn für Spieleraugen ist dies normalerweise nichts. Aber Spielleiter*innen, die bereits Grundkenntnisse des Multiversums haben, kann diese Ergänzung der Grundregelwerke wichtige Informationen liefern. Man könnte sagen, dass der Band Teil der Spielwelt ist und ihn so hochstufigen Spielercharakteren zugänglich machen, ist doch Mordenkainen auch Teil der Spielwelt. Da er jedoch auch Monsterspielwerte enthält, verbietet sich das in den meisten Fällen. Denn Spielwerte von Kreaturen sollten Spieler*innen nicht bekannt sein, da sie dann über einen unangemessenen Vorteil verfügen, und es gibt nichts Langweiligeres, als Feinde bis ins Detail bereits im Vorfeld zu kennen, statt sich Stärken und Schwächen von Monstern spielerisch zu erschließen.

Ansonsten ist das Werk detailreich und liefert viele neue Aspekte, auch bekannter Völker. Kampagnen mit fortgeschrittenen Charakteren, die über Ebenenwechsel-Möglichkeiten verfügen, kann man damit schön aufpeppen und interessanter gestalten. Die Götter in Allgemeinen und die Kulte der Unholde im Speziellen werden nur relativ kurz beschrieben, sodass man eigene Bände für Götter beziehungsweise für Kleriker*innen bräuchte. Die Aufmachung ist recht edel als Hardcover und mit farbigen Illustrationen. Jedoch ist auch der Preis von 50,- Euro recht happig. Da das dreibändige Grundregelwerk bereits einiges kostet („D&D5“ hat sich da etwas zum Luxus-Fantasy-Rollenspiel gewandelt), wird man sich überlegen müssen, ob man diesen Band, so gediegen er auch ist, wirklich braucht. Sollte man sich jedoch dafür entscheiden, wird man mit spannender Lektüre durch die Enthüllung zahlreicher Geheimnisse belohnt.

Fazit: „Mordenkainens Foliant der Feinde“ richtet sich vor allem an fortgeschrittene Spielleiter*innen mit guten Kenntnissen des Grundregelwerks, einschließlich des darin beschriebenen Multiversums. Anderen Spielleiter*innen dürften die im Regelwerk enthaltenen Informationen erst Mal ausreichen. Höherstufige Charaktere bekommen mit dem Monsterverzeichnis neue würdige Gegner. Eigene Bände für Götter und Kulte kann der Band nicht ersetzen, zu rudimentär sind die Informationen dazu. Insgesamt gesehen ist dem Originalverlag „Wizards of the Coast“ ein kleiner Coup gelungen, der wohl viele Fans des Spiels zu begeistern wissen wird. Ich kann ihn allen fortgeschrittenen „D&D“-Spielleiter*innen empfehlen!

Mordenkainens Foliant der Feinde
Quellenband
Mike Mearls, Jeremy Crawford u. a.
Ulisses Spiele 2020
ISBN: 978-1-9456-2543-5
256 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 50,00

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