Lilly van Helsing

Es ist schon ein Fluch mit den Smartphones. Andauernd ist man erreichbar. Das gilt auch für Monsterjägerin Lilly van Helsing. Sie arbeitet für die Sicherheitsfirma „Stille Nacht“ und wird immer dann angeklingelt, wenn es Ärger mit Werwölfen oder Vampiren gibt. Und weil es dann auch ein bisschen düsterer und durchaus rustikal zugehen kann, sind ihre Abenteuer als Comic-Spielbuch in der Noir-Reihe von Pegasus erschienen.

von Oli Clemens

Lilly van Helsing ist als Monsterjägerin dick im Geschäft. Die Monster in ihrer Stadt machen lieber einen großen Bogen um sie herum. Leider ist Lilly auch dauerpleite. An einem ausschweifenden Lebensstil kann es nicht liegen. Denn statt in einer Luxusvilla lebt sie in einem Mehrfamilienhaus unter dem Dach in einem kleinen Apartment. Und zu den Einsätzen tuckert sie mit einem kleinen, gelben Motorroller. Vielleicht ist sie deswegen pleite, weil sie regelmäßig Talismane kaufen muss, um sich bei ihren Einsätzen vor Schaden zu bewahren oder um in besonders brenzligen Situationen dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. Zumindest finden wir sie zwischen den Missionen häufig in dem kleinen Shop in Abschnitt 190, wo sie ihr hart erarbeiteten Dollar wieder ausgibt.

Wie gewohnt arbeiten wir uns auch in diesem Spiele-Comic kreuz und quer von Ort zu Ort und halten die Augen offen nach verborgenen Zahlen, die uns den Weg oder weitere Optionen ebnen. Insgesamt warten 104 bunte und detailverliebte Seiten darauf, von uns entdeckt zu werden. Wie immer entscheiden wir, wo und wie es weiter gehen wird. Beispielsweise durchstreifen wir mit Lilly nachts einen Park, prügeln uns mit ihr durch das Kino oder schauen im Krankenhaus, wer das ganze Chaos angerichtet hat. Währenddessen führen wir einen Charakterbogen im Einband, auf dem wir ihre Gesundheit und ihren Kontostand ebenso genau verzeichnen wie ihre Ausrüstung. Aber keine Sorge: Der Verwaltungsaufwand, den man nebenher betreiben muss, ist sehr gering. Somit kann der Fokus ganz auf den Abenteuern bleiben. Auf ein ausgeklügeltes Kampfsystem oder eine Charakterentwicklung setzt das Spiele-Comic nicht. Lilly ist als rustikale Hau-Drauf-Barbarin eher ein ‚One-Hit-Wonder‘. Aber das passt schon.

Standardmäßig prügelt Lilli die Gegner am liebsten mit ihrer Axt – bevorzugt auf die Köpfe. Natürlich kann sich die Wahl der Waffen im Verlauf ihrer Abenteuer ändern. Besonders korrekt sollte man die Talismane im Auge behalten. Sie retten Leben, denn Lilly kann auch draufgehen. Dann bleibt nichts anderes übrig, als wieder bei Abschnitt 1 zu beginnen. Frustig ist das aber keinesfalls. Dafür sind die Abenteuer kurzweilig genug und bringen genau die richtige Prise Humor mit, die es braucht. Außerdem: Versuch macht kluch … Scheitert man auf dem ersten Weg, kann man vielleicht an der entscheidenden Stelle etwas anderes versuchen, um dann erfolgreich zu sein.

Belohnt wird man am ganz am Schluss des Spiele-Comics mit einer witzigen „Behind-the-Scene“-Sequenz und einer Abschlussbewertung. Auf die Note kann man zwar verzichten, aber sie ruft nochmal in Erinnerung, was man so alles erlebt hat oder eben erlebt haben könnte!

Mit Ausnahme des Covers sind die Illustrationen farbenfroh und hell. Für ein Titel aus der „Noir-Reihe“ eigentlich ungewöhnlich. Die dargestellte Gewalt wirkt nicht verstörend. Da hilft der liebevolle Comic-Stil sehr, sodass auch Kinder ab 10 Jahren mit ein bisschen medialer Vorerfahrung spielen können. Der verspielte Hardcover-Einband macht so richtig Lust, gleich loszulesen.

Fazit: „Lilly van Helsing“ ist ein Gute-Laune-Spiele-Comic mit einigen sehr witzigen Stellen. In etwa 90 Minuten fliegt man durch die verschiedenen Storys und schaltet sich noch Bonus-Content frei. Nach einmal Spielen hat man sicher nicht alles gesehen, sodass eine zweite Runde auch spannend sein kann. Sollte man dann noch einen Charakterbogen benötigen, findet man den direkt bei Pegasus zum Download.

Lilly van Helsing
Spiele-Comic Noir
Skarn
Pegasus Press 2021
ISBN: 978-3-96928-037-9
104 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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