Liebe, Geld und andere Intrigen

Auf der diesjährigen SPIEL erschien – wie auch in den letzten Jahren – ein neuer Abenteuerband für das viktorianische Detektiv-Rollenspiel „Private Eye“. Der mittlerweile zehnte Abenteuerband enthält dabei gleich drei neue Fälle für kriminalistisch geschickte Detektive. Wie gelungen ist das Jubiläum?

von André Frenzer

Der Oktober 2016 war ein guter Monat für Fans des Rollenspiels „Private Eye“. Denn nicht nur erschien die mittlerweile fünfte, überarbeitete Auflage des Grundregelwerks, sondern auch der zehnte Abenteuerband der Reihe. Um dieses runde Jubiläum gebührend zu feiern, veranstalte die Redaktion Phantastik im Vorfeld einen Abenteuerwettbewerb, dessen drei Siegerabenteuer sich nun im Abenteuerband „Liebe, Geld und andere Intrigen“ wiederfinden.

Bevor ich mit der eigentlichen Rezension beginne, sei mir die obligatorische Spoilerwarnung erlaubt: Die Besprechung von Abenteuerszenarien vermag kaum komplett ohne Hinweise auf die Handlung auszukommen. Das ist natürlich besonders bei Detektivabenteuern für den Leser, der es noch als Spieler erleben möchte, ärgerlich. Diesem sei angeraten, gleich bis zum Fazit vorzuspringen.

Eröffnet wird der Band mit dem gleichnamigen Abenteuer von Ralf Sandfuchs. Die Detektive geraten in ein undurchsichtiges Spiel zwischen einem jungen Betrüger, einer betrogenen Braut und einem ebenso betrogenen Brautvater. Doch nicht jedes der Opfer ist so unschuldig, wie es scheint, und während die Detektive auf der Jagd nach dem Hochstapler mit illustren Gestalten der Londoner Unterwelt Bekanntschaft machen, müssen sie feststellen, dass auch ihr Auftraggeber keine reine Weste hat. Als dann auch noch die betrogene Braut verschwindet und ein abservierter Verlobter auftaucht, scheint das Chaos perfekt. Ralf Sandfuchs ist mit „Geld, Liebe und andere Intrigen“ ein wahrer Parforce-Ritt gelungen. Das Abenteuer ist – trotz seiner Kürze – ordentlich aufbereitet, liefert interessante NSC und einen Plot, der Spielern wie Spielleitern viel Handlungsfreiraum gewährt.

Das zweite Abenteuer mit dem Titel „Der Magier“ stammt aus der Feder von Natascha Weiler. Titelgebend ist die Figur eines Diebes, der in einer einzigartigen Einbruchsserie reiche Edelmänner um ihre wertvollsten Besitztümer erleichtert. Das Abenteuer ist angenehm modular aufgebaut; so lassen sich beispielsweise die Zeiträume zwischen den Einbrüchen auch gut mit anderen Detektivfällen füllen, sodass „Der Magier“ als eine Art Rahmenhandlung funktionieren kann. Außerdem gibt es mehrere Lösungswege, um dem trickreichen Dieb im Laufe der Handlung das Handwerk zu legen. Lobend erwähnen möchte ich die vielen gelungen Tatortkarten; weniger gefallen haben mir hier aber die Figur des „Magiers“, dessen Hintergrundgeschichte nicht recht zu seinen verbotenen Umtrieben passen mag, sowie der Aufbau des Textes, lässt doch die Autorin auch den Spielleiter bis zum Schluss über die Hintergründe des Geschehens im Ungewissen.

Abgeschlossen wird der Band mit „Die Leiche im Moor“ von Martin Dürr und Markus Kühn. Unterwegs in den englischen Hochmooren finden die Detektive auf einem Ausflug die Leiche einer jungen Frau. Tatsächlich ist ihnen die Tote nicht unbekannt, denn sie begegneten der jungen Frau vor wenigen Tagen im Zug. Was führte sie in diese Gegend und wer ist für ihren Tod verantwortlich? Diese Fragen werden die Detektive in den nächsten Tagen beschäftigen und führen sie in einen recht geradlinigen Plot mit starken Charakteren. „Die Leiche im Moor“ ist wohl am ehesten für Einsteiger geeignet. Es fängt mit seinem geschickt gewählten Schauplatz und dem engen NSC-Rahmen viel britisches Flair ein, dazu ist die Indizienkette nicht zu komplex angelegt.

Wie diese kurzen Zusammenfassungen vielleicht bereits verraten, gestalten sich die Abenteuer in dem vorliegenden zehnten Abenteuerband damit angenehm abwechslungsreich – intrigenreiche Ränkespiele in der Londoner Unterwelt begegnen den Detektiven ebenso wie der klassische Mordfall oder eine raffinierte Einbruchsserie. Einziges Manko an dieser Zusammenstellung ist die recht stereotype Darstellung vieler Nichtspielercharaktere: So treten die zumeist adligen hohen Herren in den Abenteuern allesamt ähnlich versnobt auf, die jahrzehntelang angestellten Butler sind loyal und ihren Herren treu ergeben, die Köchin gemütlich und rundlich und das Zimmermädchen hübsch, naiv und üblicherweise mit einer Affäre im Hauspersonal ausstaffiert. Das tut den einzelnen Abenteuern keinen Abbruch und gerade diese Klischees machen klassische Detektivgeschichten natürlich auch liebenswert, doch durch die Häufung in den drei Abenteuern tritt ein wenig Langeweile auf.

Das Cover wurde wiederum von Manfred Escher designt, dessen Stil jedoch im Vergleich zu den Vorgängerbänden ein wenig ruhiger geworden ist. Das Layout der Abenteuer ist insgesamt schlicht aber hübsch. Viele Schwarz-Weiß-Photographien zieren die Seiten, das Schriftbild ist klar und gut lesbar, Zusatzinformationen sind in schwarzen Textkästen gut kenntlich abgesetzt. Damit reiht sich auch dieser Band nahtlos in die Veröffentlichungen der Redaktion Phantastik ein.

Fazit: „Liebe, Geld und andere Intrigen“ ist eine runde und gelungene Sache. Auf die mehr oder weniger erfahrenen Detektive wartet abwechslungsreiche, kriminalistische Arbeit. Die Texte sind meistenteils ordentlich aufbereitet und technisch gibt es nichts zu meckern. Einzig die auswechselbar erscheinenden Nebenrollen mögen wohl verhindern, dass man alle drei Abenteuer „in einem Rutsch“ durchspielt. Das tut der Qualität der einzelnen Szenarien aber natürlich keinen Abbruch. Empfehlenswert!


Liebe, Geld und andere Intrigen
Abenteuerband
Ralf Sandfuchs, Natascha Weiler, Martin Dürr, Markus Kühn
Redaktion Phantastik 2016
ISBN: 978-3000529887
72 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

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