Krieg um Manhatten

Manhatten, auch Rotten Apple genannt. Eine Hochburg der Konzerne, wo sie sich sicher fühlen können in ihrer Extraterritorialität. Sensoren überall, aufmerksame Sicherheitsdienstleister, saubere Straßen, und alles überwacht vom Manhatten Development Consortium. Doch wo Konzernrecht herrscht, gilt auch das Recht des Stärkeren ...

von Adaon

Nachdem die letzten Abenteuerbände jeweils mehrere, möglichst in einer Sitzung zu spielende Abenteuer enthielten, bringt uns „Krieg um Manhatten“ nun wieder ein längeres Abenteuer, das allerdings durch mehrere aufeinanderfolgende Aufträge aufgeteilt werden kann. Sehr deutlich ist hierbei der düstere Charakter. Waren die vorher gelieferten Abenteuer auch nicht gerade zimperlich, so gab es neben den eingebauten Konfrontationen mit den (zumeist klar erkennbar) „bösen Jungs“ doch oft die Möglichkeit, Aufträge nicht tödlich abzuschließen. Teilweise boten sich Alternativen an, eigentlich immer konnten diese gesucht und gefunden werden. Bei „Krieg in Manhatten“ dagegen sind die Runner eindeutig auf der dunklen Seite eingespannt.

In einer Reihe eskalierender Aufträge, bei denen Gewalt, Grausamkeit und kaltblütiger Mord genauso gefordert werden wie enorm gute Fähigkeiten in der Infiltration und dem Einsatz auch für Shadowrunner unkonventioneller Mittel, arbeiten die Charaktere wechselweise für Wuxing und Prometheus, um die entgegengesetzten Ziele dieser beiden Konzerne zu fördern. Der Höhepunkt ist erreicht, als der Schattenkonflikt in eine offene Straßenschlacht ausartet, in welcher die Runner sich für eine der beiden Parteien entscheiden müssen. Die Bezahlung ist sehr gut, der Tod sehr wahrscheinlich.

Erschwert werden die Aufträge noch durch die Umgebung – Manhatten ist Konzerngebiet, einschließlich hochwertiger Scanner fast überall und zahlreicher extraterritorialer Enklaven. Wer nicht den richtigen Passierschein hat, darf viele Gebiete einfach nicht betreten. Damit der Spielleiter die richtige Stimmung aufkommen lassen kann, finden sich im Anhang 11 Seiten Infomaterial über Manhatten, die aus dem Ergänzungsband „Gestohlene Seelen“ zusammengefasst wurden. (Dort waren es um die 40 Seiten an Infos.)

Etwas merkwürdig wirkt das Coverbild. Eine Elfe im absolut übertrieben hautengen Druckanzug mit Monokini-Optik, der jedoch das im Wind wehende lange Haar und die Ohren freilässt, und mit einer Schusswaffe steht in einer Tür. Nach dem Lesen des Abenteuerbandes weiß man zwar, dass hier eine Szene aus einer Mission dargestellt sein soll, aber niemand würde in einem solchen Outfit irgendwohin gehen, schon gar nicht auf eine tödliche Mission. Falls es sexy wirken sollte, liegt es ziemlich daneben; vor allem angesichts der Mission, um die es geht. Zumindest für meinen Teil bin ich doch wesentlich Passenderes vom Designteam gewohnt.

Achtung: Spoiler des Abenteuers folgt! Nicht für Spieler!

Wuxing ist einer der Großen Zehn. Dabei ist er jedoch im Hintergrund oft so ruhig und friedlich, dass er kaum auffällt, was dem Megakonzern auch nur recht ist. Nun, da ein Großteil der Konkurrenz (Atzlan, Horizon, Ares, Evo, NeoNET, SaederKrupp) aufgrund diverser Unannehmlichkeiten in den Seilen hängt, möchte sich Wuxing in Nordamerika festsetzen. Am einfachsten ginge das, indem schnell Tatsachen geschaffen werden: Ein Standbein in Manhatten, ein Sitz im Manhatten Development Consortium und der damit verbundene Einfluss dürften das Richtige sein. Zu diesem Zweck plant Wuxing die Übernahme des AA-Konzerns Prometheus, der diese Vorraussetzungen mitbringt. Es braucht nur noch gute Gelegenheiten dafür. Und da sich diese wohl nicht von selbst bieten werden, müssen eben die Charaktere nachhelfen.

Zunächst gilt es sich dem potenziellen Arbeitgeber unter sozialem Stress in einer Bar zu beweisen. Der erste Auftrag soll mehrere Mitglieder der kriminellen „Großer-Kreis-Liga“ und damit schlussendlich diese Organisation dem „Bund des roten Drachen“, und damit der Kontrolle von Wuxing, unterstellen. Im zweiten Auftrag geht es um einen Einbruch mit Datendiebstahl im Archiv von New York – einer der bestgesicherten Orte in einer der am stärksten überwachten Städte der Welt. Danach heuert Prometheus die Runner an, um seinerseits zurückzuschlagen. Zuerst geht es um eine Entführung von Wuxing-Managern aus einem Flugzeug in der Luft, mit ausdrücklichem Wunsch des Todes der restlichen Passagiere und Besatzung. Danach soll ein Frachter mit über 200 Metamenschen an Bord versenkt werden; wenn möglich soll jedoch ein mächtiger Magier an Bord zuvor entführt werden. Schließlich können sich die Runner zwischen Wuxing und Prometheus entscheiden, während Wuxing eine offene Schlacht mit Konzerntruppen in New York startet. Es gilt, den Geschäftsführer von Prometheus entweder gefangenzunehmen oder in Sicherheit zu bringen.

Fazit: Hier geht es hart zur Sache. Viele der Aufträge in diesem Band fordern metamenschliche Opfer. Mitleid oder Zögern sollen sich direkt negativ auf die Runner auswirken. Doch um Erfolg zu haben, reicht es nicht, wenn die Charaktere gewissenlose Mörder sind. Die direkte Konfrontation mit massiven Bedrohungen bis hin zu kompletten kleineren Armeen verlangt nach enorm hohen Fähigkeiten. Dieses Abenteuer ist nur etwas für moralisch sehr flexible, stark hochgelevelte Charaktere und für einen Spielleiter, der entweder gut im Improvisieren ist und New York beziehungsweise Manhatten schon kennt oder der sich massiv vorbereiten kann und will. Für den schnellen Einstieg und ein Wir-sind-zwar-böse-aber-die-Guten-Gefühl nach dem Spiel definitiv nicht geeignet.


Krieg um Manhatten
Abenteuerband
R.J. Thomas, Galen Winkler, Sean MacDonald, Tilo Hörter
Pegasus Spiele 2016
ISBN: 978-3-95789-052-8
62 St., Softcover, Deutsch
Preis: EUR 9,95

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