Horror im Orient-Express 1 - London

„Horror im Orient-Express“ ist der Auftakt einer neuen in vier Bänden groß angelegten Kampagne für das Horror-Rollenspiel „Cthulhu“ von Pegasus. Die in den 1920ern verortete Kampagne führt dabei die Spieler quer durch Europa. Dreh- und Angelpunkt des Abenteuers ist die Zerstörung einer uralten Statue, deren Teile in ganz Europa verstreut sind. Von London ausgehend, zieht sich die Reise dabei über Paris, Lausanne, Mailand und Venedig, bis hin nach Konstantinopel und über zahlreiche weitere Zwischenstationen. Doch die Anfangs recht simpel wirkende Aufgabe verstrickt sich mit der Zeit mehr und mehr in verschiedene Nebenstränge und weitere Geheimnisse.

von Dominik Cenia

 

Der Orient-Express ist dabei das primäre Transportmittel für die Charaktere. Kein Wunder also, dass gerade im ersten Band ausführlich auf den legendären Zug eingegangen wird. Ganz typisch im Stil bisheriger Abenteuer, entführt das Buch zu Beginn den Leser erst einmal in die goldene Zeit des Orient-Express. Man erfährt viel über die Geschichte des Zuges, über die Lebensumstände und Gegebenheiten der Reise und über die technische Ausstattung der Lokomotive des Zuges. Allein schon dieser Teil des Bandes liest sich unglaublich spannend und interessant und kommt meiner Meinung nach einem spannenden Sachbuch über jene Zeit gleich. Umfangreiches Kartenmaterial über die einzelnen Wagons und eine wunderschöne, fast schon faksimilierte Europakarte lassen den Leser wieder einmal in den Glanz und das Elend der Goldenen Zwanziger eintauchen. Hinzu kommen zahlreiche weitere Fotos und Bilder, über deren einmalige Qualität man ja spätestens seit den neuen Regelbüchern nichts mehr sagen muss.

Des Weiteren lassen sich in dem Band Unmengen an Hintergrundinfos zum Ablauf der Kampagne, den meisten Personen, Kreaturen, Zaubern und über Europa im Allgemeinen finden. Bei all den Informationen fragt man sich natürlich, wo das eigentliche Abenteuer bleibt. Und zugegeben, viel lässt sich davon im ersten Band erst einmal nicht finden. Mit dem „Zug der Verdammten“ dürfen die Spieler zwar schon mal ein wenig Eisenbahnluft schnuppern, doch die eigentliche Reise im Orient-Express beginnt erst ganz am Ende des ersten Bandes. Zuerst sind also einige Erlebnisse in London ausgesagt. Es müssen Vorbereitungen getroffen und Recherchen durchgeführt werden. Papiere für die Grenzübergänge und genug Geld und Ausrüstung muss für die Expedition aufgetrieben werden.

Man merkt schon, dass der „Horror im Orient-Express“ ohne Zweifel eine sehr umfangreiche Kampagne für „Cthulhu“ ist. Und ich rate jeder Gruppe, sich genau zu überlegen, ob sie damit anfangen will oder nicht. Zwar ist es möglich, auch kleinere Zwischenabenteuer in die Kampagne einzuflechten, im Großen und Ganzen ist die Gruppe allerdings an die Reiseroute des Zuges gebunden, mit all seinen für die Kampagne wichtigen Ereignissen. Allzu überladen darf man das gesamte Abenteuer also nicht. Und so wird dem Spielleiter ohnehin ans Herz gelegt, die eigentliche Reise im Zug für Ruhepausen zu verwenden oder um ein wenig das Tempo und die Gefahr aus den Ereignissen zu nehmen.

Ach, übrigens: Im Spieltest verursachte die Kampagne angeblich 70% Charakterausfälle durch Wahnsinn oder Tod! Als ob bei Cthulhu nicht ohnehin schon ein recht umfangreicher Verschleiß an Charakteren bestehen würde. „Horror im Orient-Express“ ist damit wohl auch eine der tödlichsten und gefährlichsten Kampagnen. Man legt den Spielern sogar ans Herz, zwei bis drei Ersatzcharaktere bereit zu halten. Na, wenn das keine optimistischen Aussichten für eine paar gemütliche Rollenspielabende sind…

Fazit: „Horror im Orient-Express“ besticht ohne Zweifel durch seine hervorragende Qualität und ist Abenteuer und Quellenband in einem. Obwohl der erste Band „Orient Express I: London“ für das eigentliche Spielen nicht allzu viel hergibt, so ist allein die Fülle an Informationen, Hintergründen und Geschichten für den Spielleiter eine wahre Schatztruhe für den Einstieg in diese Kampagne. Wer also mit seiner Gruppe mal wieder ein etwas längeres Abenteuer zu spielen und auch vor Verlusten unter den Charakteren nicht zurückschreckt, dem sei der erste Band wirklich ans Herz gelegt. Wem allerdings von Anfang an klar ist, dass er lieber kurze und knackige Abenteuer spielt, der wird von der Fülle an Material wahrscheinlich leicht erschlagen.


Horror im Orient Express 1 - London
Quellen- & Kampagnenband
Frank Heller u. a.
Pegasus Press 2004
ISBN 3-937826-11-4
96 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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